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Mehr geht nicht für Ostsachsens Handwerk

Trotz der Rekorde sieht die Kammer den ländlichen Raum bedroht und fordert eine Sonderwirtschaftszone in der Lausitz.

Lesedauer: 2 Minuten

Es kann nur schlechter werden für die knapp 22 300 Handwerksbetriebe in Ostsachsen. Die wirtschaftliche Situation sei „kaum steigerungsfähig“, die Kapazitätsgrenze der Betriebe durch jahrelangen Aufschwung erreicht. So lautet das Fazit von Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Dresdner Kammer, nach der jüngsten Konjunkturumfrage.

Demnach schätzen erstmals fast drei Viertel der Unternehmen im Direktionsbezirk ihre Geschäftslage als gut ein, selbst zwei Drittel der Kleinstbetriebe mit bis zu drei Beschäftigten. Die Stimmung über alle Firmengrößen und Regionen ist ähnlich gut. Die mittlere Auslastung erreicht mit 91 Prozent einen Rekord. Drei Viertel der befragten Betriebe vermelden volle oder fast vollständige Auslastung. Für mehr fehlen die Fachkräfte. Die Aufträge reichen im Schnitt fast elf Wochen, eine Woche mehr als vor einem Jahr. Neun von zehn Firmen erwarten, dass es trotz gestiegener Preise zunächst so bleibt, das Gros auch beim Personalbestand. Wegen der guten Geschäfte ist die Investitionsbereitschaft relativ hoch.

Bau und Ausbau, die 60 Prozent der Mitgliedsbetriebe stellen, bleiben Konjunkturmotoren. Bäcker und Fleischer jubeln nicht so laut. Sie spüren besonders die gestiegenen Roh- und Kraftstoffpreise, ihre Aufträge und Umsätze sind rückläufig. Im Kfz-Gewerbe wurde der Aufschwung durch Dieselskandal und neue Abgasüberprüfungen für Neuzulassungen jäh unterbrochen. Das trübt die Stimmung insgesamt aber kaum.

Es kann nur schlechter werden. Und es wird schlechter werden – vor allem im ländlichen Raum, wo gut drei Viertel der Mitgliedsbetriebe der Kammer angesiedelt sind. In den Landkreisen Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, BautzenSZ-Newsletter für Bautzen, Görlitz ist ihre Zahl binnen fünf Jahren zwischen 2,7 und 5,4 Prozent geschrumpft – „nicht wegen fehlender Aufträge, sondern wegen der Demografie, infrastruktureller Defizite, Nachwuchsproblemen und steigender Bürokratie“, wie Kammerpräsident Jörg Dittrich betont. „Der ländliche Raum wurde zu lange vernachlässigt“, sagt der Dresdner Dachdeckermeister. Das Handwerk habe versucht, gegenzusteuern und etwa die Zahl der neuen Lehrverträge seit 2013 um 550 (plus 17 Prozent) gesteigert. Die Kammer selbst wolle ihre Mitglieder, darunter zahlreiche Asylkritiker, vom Nutzen qualifizierter Zuwanderung überzeugen und zögerlichen Meistern die Angst vor Digitalisierung und Robotik nehmen.

Politik muss eine Perspektive geben

Doch zuerst sei es an der Politik, strukturschwachen Regionen wie der Lausitz eine Perspektive zu geben, so Dittrich, zumal der Kohleausstieg eine erneute Zäsur bedeute. Zwar gebe es eine Kohlekommission, „aber ohne Handwerksvertreter“. Er vermisst „eine Agenda, wann was umgesetzt wird“. Ostsachsens Oberhandwerker plädiert für eine Sonderwirtschaftszone mit Planungsbeschleunigung und weiteren Vorteilen gegenüber anderen Standorten. Anzusiedelnde Bundesbehörden oder auch ein Instandhaltungsstützpunkt der Nato könnten weggefallene Kohlejobs ersetzen. Immerhin verlöre die Region eine jährliche Wertschöpfung von 1,4 Milliarden Euro.

Die Kammer hat konkrete Forderungen: So brauche der ländliche Raum ein lebenswertes Umfeld für junge Menschen und Familien, heißt es. Das gelinge z.B. durch Förderung der Innenstädte, damit eine Ansiedlung auch für Handwerker attraktiv sei. Programme wie „Leader“ und Hilfen zur Existenzgründung von Frauen sollten beibehalten und aufgestockt werden, um Selbstständigkeit attraktiver zu machen und Unternehmensnachfolgen zu fördern. Denkbar sei ein Personalkostenzuschuss für die erste Zeit nach der Gründung. Die Kammer drängt auf Wiedereinführung des Programms Regionales Wachstum, mit dem von 2006 bis 2009 Investitionen im strukturschwachen Raum gefördert wurden. Das stehe auch im Koalitionsvertrag von CDU und SPD, so Dittrich.

Existenziell für das Handwerk auf dem Land sei die Infrastruktur. Nahverkehrsstrukturen müssten aufrechterhalten und ausgebaut werden, „darauf aufbauend ein sachsenweites Azubi-Ticket eingeführt und flächendeckend der Breitbandausbau forciert werden“. Dabei geht es für Dittrich nicht darum, nur Funklöcher zu beseitigen, sondern auch an Surfer zu denken, die sich jetzt geradeso durchs Internet quälten.

Bleibt, speziell in Grenznähe, das Thema Sicherheit: „Die Infrastruktur sollte weiter verbessert werden, auch durch eine höhere Polizeipräsenz“, so die Forderung. Betrieben entstehen durch Diebstähle und Einbrüche Schäden und hohe Kosten.

 

Von Michael Rothe

Foto: © Pawel Sosnowski

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