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Merz besucht Silicon Saxony: „Trauen wir uns einfach mal was zu“

Deutschland will wieder für Innovation stehen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf neuen Ansätzen für Künstliche Intelligenz. Die Chips dafür sollen auch aus Dresden kommen. Im Beisein des Bundeskanzlers stellte Globalfoundries seine Wachstumspläne vor.

Lesedauer: 5 Minuten

Nora Miethke

Dresden. Globalfoundries (GF) nutzte den Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz am Dienstagabend für einen feierlichen Startschuss seines großen Ausbauprojekts „Sprint“ Der US-Chiphersteller will im ersten Schritt 1,1 Milliarden Euro am Standort Dresden investieren, um ab 2028 im Jahr 1,1 Millionen Wafer produzieren zu können. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden in Dresden rund 800.000 Wafer hergestellt. Das entspricht rund 3,5 Milliarden Chips.

Damit bekräftigt das Unternehmen seinen Anspruch, die größte Foundry, also Auftragsfertiger, in Europa zu sein und zu bleiben. Der große Rivale, Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan, baut gleich nebenan sein erstes europäisches Werk.

GF-Vorstandschef Tim Breen war extra aus Malta im Bundesstaat New York angereist, um Merz, Ministerpräsident Michael Kretschmer und 150 geladenen Gasten aus der Halbleiterbranche, Politik und Wissenschaft die Pläne vorzustellen.

 Marie-Christin Friedland, Auszubildende bei Globalfoundries, überreicht Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine Waferscheibe bei seinem Antrittsbesuch in Sachsen. Der Chiphersteller Globalfoundries (GF) will rund 1,1 Milliarden Euro in den Ausbau seiner Produktionskapazitäten am Standort Dresden investieren. Foto: Jan Woitas/dpa
Marie-Christin Friedland, Auszubildende bei Globalfoundries, überreicht Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine Waferscheibe bei seinem Antrittsbesuch in Sachsen. Der Chiphersteller Globalfoundries (GF) will rund 1,1 Milliarden Euro in den Ausbau seiner Produktionskapazitäten am Standort Dresden investieren. Foto: Jan Woitas/dpa
Quelle: Jan Woitas/dpa

Die Produktionsfläche soll um weitere 5.000 Quadratmeter wachsen. Schon heute ist GF mit einer Reinraumfläche von 60.000 Quadratmetern das größte Halbleiterwerk in Europa. Dort arbeiten derzeit rund 3.000 Beschäftigte, davon 170 Auszubildende. Sie stellen nicht nur Chips für die Automobilindustrie her, sondern auch für Smartphones, Pässe und Personalausweise oder Anwendungen in den Bereichen Cyber-Security und mobiles Bezahlen bzw. Banking. „Ich wette, dass jeder von Ihnen heute einen Chip von uns bei sich trägt“, sagte Standortleiter Manfred Horstmann zu den Gästen.

GF will mit Projekt „Sprint“ Produktionstempo erhöhen

Das Erweiterungsprojekt „Sprint“ soll maßgeblich durch die Bundesregierung und den Freistaat Sachsen unter den Regeln des European Chips Act gefördert werden. Noch fehlt die finale Genehmigung der EU-Kommission für die Förderung. Aber bei GF ist man „zuversichtlich“, dass sie bis zum Jahresende kommt. Und der Kanzler machte Hoffnung: „Wir stehen mit der EU-Kommission bezüglich der Beihilfe für Globalfoundries wirklich in einem sehr guten Austausch“. Auch deshalb hat das Unternehmen mit den Arbeiten schon im Juni auf eigenes Risiko begonnen. Nach eigenen Angaben haben die Amerikaner seit 2009 mehr als 10 Milliarden Euro in den Dresdner Standort investiert und die Produktion in den letzten fünf Jahren verdreifacht – bislang ohne die hohen Subventionen, wie sie jetzt unter dem EU Chips Act möglich sind.

Globalfoundries-Vorstandschef Tim Breen erinnerte an die „jüngsten Störungen im Automobilsektor“. Sie zeigten, wie anfällig globale Chip-Lieferketten tatsächlich seien. „Unsere geplante Expansion in Dresden ist ein weiterer Schritt in der Strategie von GF, diese Herausforderungen gezielt anzugehen. Man stärke die Rolle von GF als widerstandsfähiger und vertrauenswürdiger Partner für Kunden in kritischen Industrien“, sagte Breen. Hintergrund: Der niederländische Chipproduzent Nexperia ist in den Handelskonflikt zwischen China und USA geraten und kann kurzfristig nicht mehr seine Lieferaufträge mit Volkswagen erfüllen, weil China Exportbeschränkungen erhoben hat.

Tim Breen, CEO Globalfoundries, will den Chiphersteller zum vertrauenswürdigen Partner für europäische Kunden im Bereich kritische Infrastruktur machen. 
Foto: Jan Woitas/dpa
Tim Breen, CEO Globalfoundries, will den Chiphersteller zum vertrauenswürdigen Partner für europäische Kunden im Bereich kritische Infrastruktur machen. Foto: Jan Woitas/dpa
Quelle: Jan Woitas/dpa

Mehr Chips für den Verteidigungssektor

Mit Sprint soll es erstmals ermöglicht werden, durchgängig in Europa produzierte Schaltkreise für Kunden in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Verteidigung sowie kritischer Infrastruktur anzubieten. Zudem will der Auftragsfertiger sein „Shuttle“-Geschäftsfeld ausbauen. Das betrifft Wafer, die sich jeweils mehrere Firmen, Start-ups und Universitäten teilen, um Prototypen und Kleinserien von selbst entwickelten Chips zu bekommen. Das Dresdner GF-Werk hat derzeit 120 Kunden, insgesamt sind es 300.

Das Projekt umfasst vier Ausbaustufen. Jetzt wird die erste umgesetzt. Wann die weiteren Schritte folgen werden, „hängt ab vom Markt und von Kunden“, heißt es. Mit zusätzlichen neuen Arbeitsplätzen ist der Ausbau erst einmal nicht verbunden. Der Automatisierungsgrad bei GF ist sehr hoch. Dennoch stärke „Sprint“ „die Rolle Sachsens als dem europäischen Zentrum für Halbleiterfertigung und -innovation“, hieß es am Dienstag.

Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland

Der Kanzler begrüßte die Pläne. „Die Investition ist ein echtes Bekenntnis in den Industrie- und Innovationsstandort Deutschland und vor allem zur technologischen Souveränität Deutschlands“ betonte Merz. Deutschland nehme in Europa schon jetzt eine führende Rolle in der Mikroelektronik ein. „Aber wir wollen und können noch besser werden“, so Merz. Um das zu erreichen, sei im Oktober die nationale Mikroelektronik-Strategie verabschiedet worden. Man spreche von einer Schlüsseltechnologie, weil sie der Schlüssel für unsere Zukunft sei.

 Standortleiter  Dr. Manfred Horstmann, Bundeskanzler Friedrich Merz, Globalfoundries-Vorstandschef Tim Breen und Ministerpräsident Michael Kretschmer (v.l.n.r.) eint ein Wunsch: Deutschland soll wieder für Innovation stehen. Foto: Matthias Schumann
Standortleiter Dr. Manfred Horstmann, Bundeskanzler Friedrich Merz, Globalfoundries-Vorstandschef Tim Breen und Ministerpräsident Michael Kretschmer (v.l.n.r.) eint ein Wunsch: Deutschland soll wieder für Innovation stehen. Foto: Matthias Schumann
Quelle: Matthias Schumann

Sechs Schlüsseltechnologien im Fokus

Merz zufolge richte Deutschland mit der Hightech-Agenda seine Innovationspolitik umfassend neu aus auf „nationale Interessen“. Künftig werde man sich auf sechs Schlüsseltechnologien konzentrieren. Neben der Mikroelektronik betreffe das die Bereiche Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie, Biotechnologie, Fusionstechnologie, klimaneutrale Energieerzeugung und Technologien für klimaneutrale Mobilität. „Investieren wir, forschen wir, produzieren wir. Trauen wir uns einfach mal etwas zu“, appellierte Merz in Dresden.

Investieren wir, forschen wir, produzieren wir. Trauen wir uns einfach mal etwas zu. – Bundeskanzler Friedrich Merz, bei seinem Antrittsbesuch in Sachsen.

Mit der Hightech-Agenda Deutschland setzte die Bundesregierung nach Angaben des Kanzlers auf die gezielte Förderung von Fachkräftegewinnung sowie Forschung & Entwicklung. So soll im Rahmen der Mikroelektronik-Strategie ein nationales „Kompetenzzentrum Chipdesign“ aufgebaut werden. Dem Vernehmen nach will sich Sachsen gemeinsam mit Bayern um die Ansiedlung bewerben. Am Mittwoch fällt in Berlin der offizielle Startschuss für die Umsetzung der Hightech-Agenda.

Dresden liefert Chips für neuromorphe KI

Das verantwortliche Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt möchte dafür sorgen, dass Deutschland ein souveräner KI-Standort wird – von der Erforschung neuer Ansätze bis zur Unternehmensausgründung. Allerdings scheinen große Anbieter aus den USA oder China für Anwendungen in der Robotik oder generativen KI uneinholbar. Zu Ansätzen, bei denen der Vorsprung anderer Länder noch nicht so groß ist, zählen Entwicklungen in der neuromorphen KI, also mit Chips, die sich in ihrem Aufbau am menschlichen Gehirn orientieren.

Der neue Supercomputer Spinncloud (SpiNNcloud) der TU Dresden ist Anfang 2025 in Betrieb gegangen. Er ist ein neuromorphes System und imitiert das menschliche Gehirn. Seit Dienstag denkt ein ähnlicher Supercomputer jetzt auch an der Universität Leipzig.
Der neue Supercomputer Spinncloud (SpiNNcloud) der TU Dresden ist Anfang 2025 in Betrieb gegangen. Er ist ein neuromorphes System und imitiert das menschliche Gehirn. Seit Dienstag denkt ein ähnlicher Supercomputer jetzt auch an der Universität Leipzig.
Quelle: Tobias Ritz/SpiNNcloud

Und auch hier hat Sachsen durchaus einiges vorzuweisen. GF-Standortleiter Horstmann wies am Dienstag darauf hin, dass die in Europa entwickelte und in Dresden industrialisierte 22 FDX-Technologie im Quantencomputing und bei neuromorphen KI-Chips zum Einsatz komme. Sie zeichnet sich unter anderem durch einen geringen Energieverbrauch aus. Einer der Kunden ist das Dresdner Start-up Spinncloud. „Wir können dank der Kapazitätserweiterung von Globalfoundries die Kommerzialisierung unserer neuromorphen Computertechnologien beschleunigen“, betont Hector Gonzalez, Vorstandschef von Spinncloud.

SZ

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