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Millionen vom Bund für Straßen, Brücken, Neubauten? Sachsens Baufirmen sagen: Wir schaffen das

Sachsen liebäugelt mit 500 Millionen Euro aus dem Sondervermögen für die Infrastruktur. Aber hat der Bausektor tatsächlich die Kapazitäten für die erwartete Auftragsflut?

Lesedauer: 2 Minuten

Michael Rothe

Dresden. Das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen Infrastruktur beflügelt bei Politikern und Lobbyisten die Fantasie – und weckt Begehrlichkeiten. Sachsen rechnet bis 2035 jährlich mit 500 Millionen Euro zusätzlich für Verkehrsprojekte, Krankenhäuser, Schulen, Kitas, Wissenschaft. Aber sind Behörden und Bauwirtschaft überhaupt in der Lage, die erwartete Auftragsflut zu bewältigen?

Vom Bauindustrieverband Ost kommt ein klares Ja. „Die Bauwirtschaft in Sachsen ist bereit – personell wie kapazitiv“, sagt Hauptgeschäftsführer Robert Momberg. Die Ressourcen reichten aus, um zusätzliche Aufträge umzusetzen. „Engpässe sehen wir nicht auf der Baustelle, sondern in den Planungs- und Genehmigungsprozessen“, so das Sprachrohr von 260 größeren Unternehmen mit rund 20.000 Beschäftigten in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin. „Wenn Investitionen schnell wirken sollen, muss die Verwaltung schneller werden – nicht die Bauunternehmen.“

Auch personell erkennt der Verband keinen Engpass. Im Februar hätten in Sachsen 9.531 arbeitssuchenden Fachkräfte 1.687 offene Stellen gegenübergestanden – ein Verhältnis von fast 6:1. Aber um Investitionsmittel zügig zu verbauen, brauche es „endlich schnellere Verfahren“.

Bauhandwerk fordert bei Aufträgen kleinere Lose

Das sieht das Bauhandwerk ähnlich. „Wir plädieren dafür, von Planfeststellungsverfahren bei Ersatzneubauten – etwa bei Brücken – Abstand zu nehmen“, sagt Uwe Nostitz, Präsident von Sachsens Baugewerbeverband. Auch ginge es schneller, wenn das Verbandsklagerecht eingeschränkt würde, „also Umweltverbände nur noch dann klagen können, wenn es wirklich um Umweltbelange geht“, so der Präsident der Interessenvertretung von 450 kleineren Betrieben. Sie fordern zudem eine mittelstandsfreundliche Aufteilung der Aufträge.

Die Branche könne bundesweit Investitionen von 50 Milliarden Euro pro Jahr umsetzen, schätzt der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft. 2024 seien die Kapazitäten zu gut 73 Prozent ausgelastet gewesen, so der BVMW, der in Sachsen 140 seiner gut 900 Mitgliedsfirmen hat. Allerdings räumt er eine Lücke von 42.000 Fachkräften ein, die das Wachstum langfristig hemmen könnte.

Die Bauwirtschaft in Sachsen ist bereit – personell wie kapazitiv. – Robert Momberg, Hauptgeschäftsführer vom Bauindistrieverband Ost

Abseits der Baulobby sind die Zweifel noch größer. Laut Bundesarbeitsministerium ist die Personalsituation in den meisten Berufsgruppen „angespannt“. Jedoch zeige sich in der Mittelfristprognose bis 2028 „eine leichte Entspannung, die auf den Rückgang der Bautätigkeit – bedingt durch die höheren Zinsen – zurückzuführen ist“.

Bau verliert 50.000 Jobs in zwei Jahren

Nach Angaben von Enzo Weber, Professor am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, sind in den letzten zwei Jahren 50.000 Baujobs verloren gegangen, ist die Relation von gemeldeten Stellen und Arbeitslosen „überdurchschnittlich eng“. In Tiefbau sowie Bau- und Transportgeräteführung sei die Arbeitslosigkeit seit 2023 zweistellig gewachsen, in Bauplanung und -überwachung sogar um 42 Prozent.

Sachsens Statistisches Landesamt zählt derzeit rund 32.000 Beschäftigte im Bauhauptgewerbe, ein Jahr zuvor waren es noch 1000 mehr – und im Nachwendeboom bis Mitte der 1990er-Jahre mehr als doppelt so viele. Sachsens Infrastrukturministerin Regina Kraushaar (CDU) lässt gerade prüfen, wie der Freistaat den Mittelzuwachs personell stemmen kann.

„Stand heute könnten die Unternehmen das wohl nicht“, antwortet Klaus Wohlrabe vom ifo Institut in München. Während der Hochbau nicht ausgelastet sei, habe der Tiefbau, wo jedes 3. Unternehmen über Fachkräftemangel klage, „nicht mehr viel Luft nach oben“. Und die Infrastruktur-Millionen würden vor allem dorthin fließen. Nach seiner Einschätzung braucht es Investitionen in Kapazitäten und Personen. Er denke aber, dass sich eine Dynamik entfalten werde. „Denn es ist schon verlockend, am in Aussicht gestellten Geldregen zu partizipieren.“

SZ

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