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Millionenumsatz dank Ausmal-Tischdecken aus Dresden – wie geht das denn?

Kathleen Prautzsch gründete 2018 in Dresden einen Online-Shop für Ausmaltischdecken. Heute macht sie damit Umsätze in Millionenhöhe. Wie Corona und Oliver Pocher zum Erfolg beitrugen.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht eine Frau, die Stifte in der Hand hält.
Vor fünf Jahren gründete Kathleen Prautzsch den Online-Shop malmichbunt.de. Heute macht sie einen Umsatz von 1,5 Millionen © Foto: SZ/Veit Hengst

Von Niels Heudtlaß

DresdenEine freundlich dreinschauende Schlange windet sich über weißen Grund. Neben ihr sitzt ein Teddy. In der Mitte des Bildes fahren eine Giraffe, ein Elefant und ein Affe zusammen in einem Boot – ihr Nachbar ein kleines Malen-nach-Zahlen-Rätsel. So sieht die „Ausmaltischdecke Zoo & Natur“ des Online-Shops malmichbunt.de aus. Aus der Idee zu den plakatgroßen Ausmalbildern entsteht 2018 das Dresdner Start-up-Unternehmen Jeka Papier und Spielwaren. Heute nach fast genau fünf Jahren hat Gründerin Kathleen Prautzsch aus der Neugründung ein Unternehmen mit 1,5 Millionen Euro Umsatz im Jahr geschaffen, das seine Waren über den zugehörigen Online-Shop vertreibt.

Vom Müsliriegel zur Ausmaltischdecke

„Ich wollte immer etwas Eigenes kreieren, auf das ich stolz sein kann“, erklärt Prautzsch. Die Betriebswirtin hatte zuvor als Beraterin für junge Unternehmen der Lebensmittelbranche gearbeitet. „Da lag es natürlich nahe, ein Lebensmittel, wie zum Beispiel einen Müsliriegel, auf den Markt zu bringen“, erzählt die 38-Jährige von ihrer Anfangsidee für einen Online-Shop. Doch wie wurde aus einem Müsliriegel eine Tischdecke zum Ausmalen für Kinder?

2017 wird Prautzschs Tochter geboren: „Ich war in Elternzeit, aber ich wollte trotzdem nicht stillstehen“, erzählt die Langebrückerin. Sie nutzt die Schlafzeiten ihrer Tochter für intensive Recherche und stößt auf ein Produkt einer Firma aus Großbritannien: die Ausmaltischdecke.

Besonders interessant habe sie die kreativen Erweiterungsmöglichkeiten gefunden. „Um diese Ausmaltischdecke lässt sich etwas aufbauen, das war mir direkt klar“. Nach weiterer Recherche und mit dem eigenen Ersparten von rund 8.000 Euro, ohne Investoren oder Kredite, wie Prautzsch berichtet, startet sie am 9. Juni 2018 den Verkauf der Ausmaltischdecken über malmichbunt.de.

Von der Idee zum Produkt

Aus dem kleinen Online-Shop für ein einzelnes Produkt ist heute ein Marktplatz für über 100 Papier-Produkte aus eigener Herstellung geworden, darunter Kindertattoos, Hochzeitsspiele und weitere Bastel- und Malangebote. Auch rund 700 Produkte aus Fremdherstellung, von denen die meisten laut Prautzsch aus kleinen Manufakturen mit Produktionsstandort in Deutschland kommen, werden dort angeboten. Einige der Fremdartikel würden allerdings in China produziert, gibt die Unternehmerin zu.

Bei den eigenen Produkten setzt Prautzsch auf regionale Herstellung: „Es ist mir wichtig, dass unsere Artikel in Deutschland oder am besten sogar Sachsen hergestellt werden.“ Sie und zehn Beschäftigte stemmen den Großteil der Produktion. Die Ideen für die Artikel kämen alle von ihr, sagt Prautzsch. Eine festangestellte Grafikerin setze sie dann auf Papier um.

Vor allem regional: So werden die Bastelartikel produziert

Von dort geht es für die Mal- und Bastelutensilien in die Druckerei und wieder zurück in ein kleines Lager. Hier holen sich fünf Minijobber die fertigen Papierwerke ab und verpacken sie im eigenen Zuhause. „Unsere Minijobber machen das neben ihrem Hauptjob als Zuverdienst, bei uns verdienen sie etwas über Mindestlohn“, sagt Prautzsch. Über den Online-Shop per DHL oder einzelne Filialen von Rewe, Edeka oder Konsum Dresden geht das verpackte Endprodukt an den Kunden.

Bei größeren, kurzfristigen Bestellungen vergibt Prautzsch einen Auftrag an die Werkstätten für körperlich behinderte Menschen der Lebenshilfe in Radebeul oder des Deutschen Roten Kreuzes in Meißen. Ob Werkstätten dieser Art noch zeitgemäß sind, führt öfter zu Diskussionen – denn vom Mindestlohn sind die dort Beschäftigten weit entfernt. Sie kenne die Strukturen nicht, aber die Aufträge an die Werkstätten seien teurer als eigene Mitarbeitende, so Prautzsch. „Ich will damit etwas Gutes tun“, sagt die Jungunternehmerin.

Corona sorgt für Nachfrage

Was heute ein erfolgreiches Unternehmen ist, lief wie viele Neugründungen am Anfang eher schleppend. „Ich konnte zuerst nicht von der Firma leben – ich musste noch zwei Jahre nach Gründung als Beraterin arbeiten“, erzählt Prautzsch. Im Januar 2020 entschied die Food-Beraterin, alles auf eine Ausmaltischdecke zu setzen.

Kurz danach trifft die Corona-Pandemie im März die ganze Welt. Was für viele Firmen eine tiefe Krise bedeutet, ist für das junge Mal-und Bastelunternehmen der Durchbruch. „Alle hatten ihre Kinder zu Hause, alle haben nach Beschäftigung für sie gesucht, und wir hatten damals unwahrscheinliches Glück“, blickt Prautzsch zurück.

Schon früh arbeitet Sie mit der Influencerin Anne Wünsche, gebürtige Meißenerin und bekannt aus der Soap-Opera „Berlin – Tag & Nacht“ zusammen. Wünsche drehte auf ihren Social-Media-Kanälen Videos, in denen sie die Dresdner Ausmaltischdecke bewarb. Schon das sorgte für einiges an Aufmerksamkeit, wie Prautzsch berichtet.

Wie Oliver Pocher die Ausmaltischdecken zum Verkaufsschlager machte

Doch für einen besonderen Anzug der Nachfrage sorgte am Ende Oliver Pocher – jedoch eher unfreiwillig. In einem Video vom März 2020 regt sich der Comedian über eine Berlinreise von Wünsche zu Beginn der Pandemie auf. Er beendet seine Wutrede mit dem Satz „Und jetzt macht sie so verkackte, beschissene Tischdecken zum Bemalen fertig.“ Sein Anlass für die letzte Bemerkung: ein Werbevideo Wünsches über Prautzschs Ausmaltischdecke, das er ausschnittsweise in seinem Video zeigt. Zu sehen war auch die Decke. „Das war ein krasser Multiplikator, danach ist uns der Online-Shop um die Ohren geflogen“, sagt Prautzsch lachend.

Der Andrang hat sich mittlerweile etwas gelegt. „Die Leute kaufen weniger, der Wettbewerb wird größer“, sagt Prautzsch. Denn was ihr ermöglicht hat, das ursprüngliche Produkt aus Großbritannien kreativ weiterzuentwickeln, bereitet ihr nun Schwierigkeiten. Die Ausmaltischdecke lässt sich nicht schützen – es gibt mittlerweile einige Nachahmer. Doch für die junge Unternehmerin ist das kein Grund zur Sorge: „Den Rückgang in Deutschland gleichen wir derzeit durch Wachstum in weiteren europäischen Ländern wie Frankreich aus.“

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