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Mission Zukunft

Ein Akademie-Projekt in der Lausitz will junge Menschen für Strukturwandel begeistern und im besten Fall motivieren, in die Region zu kommen oder hier zu bleiben.

Lesedauer: 3 Minuten

Drei junge Leute schauen lächelnd in die Kamera.
Tamara Übelin, Elias Neumer und Jack Mateit bei der Zukunftsakademie Lausitz in Lübbenau, an einem alten Turbinenteil. Die Frage, wie sich die Region entwickelt, finden alle drei mehr als spannend. Foto: Irmela Hennig

Von Irmela Hennig

Lübbenau. Quizfrage: Wie hoch sind die Mittel, die der Bund bis 2038 für den Strukturwandel in Deutschland zugesagt hat? Die Antwort – 40 Milliarden Euro – haben sie schnell parat, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Zukunftsakademie Lausitz. Immerhin sind sie gerade eine Woche lang eingetaucht in eine Region, die davon rund 17 Milliarden Euro abbekommt. Haben mehr als reingeschnuppert in dieses Noch-Braunkohlerevier, das sich zur grünen Energieregion wandeln soll.
Am Abschlusstag gibt es für die knapp 50 jungen Sachsen, Brandenburger und Berliner ein Quiz. Es geht um das, was für die Transformation eine Rolle spielt – regionale Windkraftanlagen, Großunternehmen, Energiemix.
Das hat Ernst. Und trotzdem wird viel gelacht an diesem letzten Tag in der Spreewaldstadt Lübbenau, im Konferenzcenter des Stromerzeugers Leag. Der hat nicht selbst eingeladen zu dieser zweiten Akademie. Ist aber Mitinitiator des Qualifizierungsverbundes in der Lausitz für Erneuerbare Energien (Qlee), der den Bildungsurlaub für 18- bis knapp 30-Jährige zusammen mit dem Revierwende-Projekt des Deutschen Gewerkschaftsbundes veranstaltet. Die Partner wollen mit dafür sorgen, dass junge Menschen mehr erfahren über Strukturwandel. Dass sie mitgestalten und im besten Fall in der Lausitz bleiben oder dorthin (zurück-)kommen, so umschreibt es Qlee-Verbundmanager Frank Büchner. Bisher nämlich fühlt sich die junge Generation zu fast 80 Prozent nicht ausreichend über den Prozess informiert. Glaubt auch nur zu rund einem Drittel, dass die Region durch den gesetzlich vorgegebenen Kohleausstieg aufgewertet und lebenswerter wird. Das zumindest zeigt eine nichtrepräsentative Jugendumfrage durch Gewerkschaften.

Gemeinsam Ideen entwickelt
Im Anschluss ans Rätsel wird in Kleingruppen deutlich, wo die Teilnehmer die Hürden sehen. Nach reichlich vier Tagen mit Besuchen beim Chemieriesen BASF in Schwarzheide, in Tagebau und Kraftwerk Jänschwalde, nach einer Bootstour durch die Spreewaldfließe und nach vielen Gesprächen zwischen Lausitzern und Nichtlausitzern haben sie Vorstellungen entwickelt. Beschriften bunte Zettel. Heften sie an Tafeln unter die Schlagworte „Pessimist“, „Optimist“ und „Realist“. Bei Team Sonne, die Kleingruppen heißen so und ähnlich, reicht der Platz für die Pessimismus-Rubrik nicht aus. „Wir siedeln hier große Forschungsunternehmen an. Aber dann sind keine Leute da, um dort zu arbeiten. Und nach 2038 auch kein Geld mehr dafür. Sowas müsste abgesichert werden“, lautet ein Statement. Hintergrund – die Riesensummen für den Umbruch sind gedeckelt und müssen bis 2038 ausgegeben sein. Eine Nachfolge-Finanzierung wird bisher kaum thematisiert.
Der Görlitzer Elias Neumer ist zuversichtlicher. „Nach dieser Woche auf jeden Fall“, sagt der 22-Jährige. Im Siemens-Turbinenwerk seiner Heimatstadt macht er eine Ausbildung zum Mechatroniker. Er regt in seiner Gruppe an, lokale Stadtwerke sollten künftig nur noch Strom aus erneuerbaren Energien anbieten. Und er kann sich vorstellen, in seinem Betrieb „Botschafter für die Transformation zu sein“. Dort Vorträge dazu zu halten. Denn er schätzt, dass vor allem ältere Menschen den Umbruch skeptisch sehen. Dabei passiere ja etwas. Das Zentrum für Astrophysik, das vom Bund in der Oberlausitz angesiedelt wird, habe „einen Schlag reingebracht“. Aber der große Ruck fehle noch. „Das müssen wir lostreten“, sagt der junge Mann, der eine Weile bei der Bundeswehr in Sachsen-Anhalt war, zurückgekehrt ist und in der Lausitz bleiben möchte. Als größtes Sorgenkind betrachtet er die Mobilität. So den seit Jahren diskutierten, aber immer noch ungewissen Ausbau der Autobahn 4 zwischen Görlitz und Dresden. Oder die fehlende Elektrifizierung der Bahnstrecke im gleichen Bereich.

Strukturwandel ist nicht Schwarz-Weiß
Auch die Leipzigerin Tamara Übelin, 28 Jahre alt, beschäftigt beim Bundesverband Windenergie in Berlin, sieht gerade beim Bahnverkehr Defizite. In der Lausitz Urlaub machen – das kann sie sich nach diesen Tagen gut vorstellen. Um hier zu leben, müsste die Gegend aber besser angebunden sein. Ihr habe die Akademie verdeutlicht, dass Strukturwandel nicht Schwarz-Weiß ist. Nach dem Motto: Konventionelle Energien sind böse, erneuerbare gut. „Die Kohle hat die Lausitz zu dem gemacht, was sie ist“, so Tamara Übelin. Es sei nicht so leicht, das von heute auf morgen zu ändern. Aber sie habe hier junge Leute getroffen, die „großen Bock auf Wandel haben“, sich ernsthaft damit befassen.
Kurz vor dem Mittagessen kommt Klaus Freytag. Als Lausitz-Beauftragter des brandenburgischen Ministerpräsidenten hat er das Thema Strukturwandel auf dem Tisch. Greift Elias Neumers Idee vom Botschafter auf und hofft, dass über die Zukunftsakademie am Ende 5.000 solcher Botschafter gewonnen werden. Qlee und die Akademie, bislang ein befristet gefördertes Projekt, sollen länger laufen können, so Freytag.
Vor allem zum Zuhören sei er hier. „Um zu wissen, was ist Ihr Anspruch dafür, dass Sie hierherkommen“, sagt der Bergbau-Ingenieur. Für Jack Mateit aus Cottbus gehört neben einem besseren ÖPNV bezahlbarer Wohnraum dazu. Die Mieten seien in seiner Heimatstadt inzwischen wirklich hoch, berichtet der 21-Jährige, der gerade eine Ausbildung in der IT-Branche abgeschlossen hat. Er sei Lausitzer durch und durch und möchte hierbleiben. Obwohl Familienangehörige im Kohle-Kraftwerk Jänschwalde arbeiten, steht er dem Umbruch offen gegenüber. Sieht für sich in seinem Berufszweig aber auch sehr gute Chancen.
Jack Mateit weiß, dass die Bevölkerung beim Thema Strukturwandel gespalten ist. Es gebe Menschen, die wollen das nicht. „Sie sind unerreichbar“, so Mateit. „Aber wir können die Region nicht einfach denen überlassen, die nur meckern und gegen Veränderung sind.“ Er weiß allerdings auch, dass Leute weggegangen sind, weil sie Ausgrenzung und Rassismus erlebt haben.
Noch etwas wünschen sie sich hier: „Mut zum Risiko, auch Mut, mal zu scheitern“, sagt ein junger Mann. „Denn für einen perfektionistischen Ansatz fehlt uns ein bisschen die Zeit.“

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