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Motorenforscher aus Zwickau: „Der Verbrennungsmotor ist nicht tot“

Sind E-Fuels die Zukunft? Welche Rolle spielt Wasserstoff? Wird der eigene Pkw bald zu teuer? Ein Professor der Westsächsischen Hochschule Zwickau wagt einige Prognosen.

Lesedauer: 3 Minuten

Links ist ein Mann im Anzug zusehen und rechts ein Auspuff von einem Auto eingeblendet.
Dr. Ulrich Walther (44) ist Professor für Kraftfahrzeugmotoren an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Er forscht unter anderem zum Thema Wasserstoffmotor. © dpa

Von Andreas Rentsch

Mit Verbrennungsmotoren beschäftigt sich Ulrich Walther schon seit mehr als 15 Jahren. Zunächst als Entwicklungsingenieur in der Autoindustrie, seit 2020 als Professor für Kfz-Motoren an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Dort forscht der 44-Jährige mit dem Ziel, emissionsfreie Antriebsaggregate zu entwickeln. Sächsische.de hat den gebürtigen Dresdner interviewt.

Professor Walther, ist es Zeit für einen Abgesang auf den Verbrennungsmotor?

Nein. Von den 2023 in Deutschland knapp drei Millionen neu zugelassenen PKW haben vier von fünf einen Verbrennungsmotor. Im Fahrzeugbestand sind es 97 Prozent. Auch wenn der Anteil tendenziell rückläufig ist, tot ist der Verbrennungsmotor noch lange nicht.

Was spricht noch für ihn? Sein Wirkungsgrad oder die Leistungsentfaltung können es ja schon mal nicht sein.

Der Verbrennungsmotor ist in der Summe der Eigenschaften, nicht nur aus technischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht, ein bewährtes, zukunftsfähiges Antriebskonzept. Seine Komplexität ist beherrschbar, nicht nur im Labor und bei geringer Stückzahl, sondern auch in der Massenfertigung. Er funktioniert auch unter widrigen Umgebungsbedingungen.

Sein größtes Manko sind die Abgase. Emissionen werden maßgeblich vom verwendeten Kraftstoff bestimmt. Der Kraftstoff ist also Ursache und Lösung zugleich. Synthetisch hergestellte Treibstoffe bergen erhebliches Potenzial. Auch lässt sich die Emission durch innovative Abgasnachbehandlungssysteme noch weiter verringern. Natürlich ist hier immer das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand und Kosten zu hinterfragen.

Es ist aber schon länger ein klarer Trend zu erkennen: Reine Verbrenner werden rar, vor allem als Kleinwagen.

Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Ein Treiber sind die von der EU-Kommission vorgegebenen Flottengrenzwerte. Hier ist jeder Hersteller bestrebt, die Vorgaben einzuhalten, um Strafzahlungen zu vermeiden. Da helfen Hybridmodelle und batterieelektrische Autos, weil sie die Durchschnittsemission einer Flotte massiv senken – zumindest rechnerisch.

Nun ist vor Kurzem die EU-Verordnung über die neue Abgasnorm Euro 7 veröffentlicht worden. Damit herrscht jetzt für Neuwagen mit Verbrennungsmotor, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, bei der Abgasnorm Rechtssicherheit.

Umweltzone in Großstadt: Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch Euro-5-Diesel ausgesperrt werden.© dpa

Was raten Sie all jenen, die derzeit mit einem älteren Euro-5-Diesel unterwegs sind? Sollen sie das Auto weiter fahren und durch Reparaturen am Laufen halten? Oder lieber ein E-Auto kaufen, um der Gefahr zu entgehen, bald aus allen Umweltzonen ausgesperrt zu werden?

Ich bin der Meinung, dass ein Produkt so lange verwendet werden sollte, wie es technisch, wirtschaftlich und ökologisch vertretbar ist. Am besten bis zum Ende seines Lebenszyklus. Im Übrigen bin ich mir sicher, dass sich in den nächsten zehn Jahren auch der Blick auf die ökologische Bilanz von Fahrzeugen ändern wird.

Inwiefern?

Die Nachhaltigkeit eines Antriebskonzepts darf sich nicht allein über den CO2-Ausstoß beim Fahren definieren. Es müssen auch die Emissionen berücksichtigt werden, die bei Produktion, Energiebereitstellung und bei Entsorgung des Fahrzeugs entstehen.

Alternative Kraftstoffe kommen mit dem Versprechen, Verbrenner weiter fahren zu können. Doch die neue Dieselsorte HVO 100 soll pro Liter 15 bis 20 Cent teurer sein als regulärer Diesel. Wie soll sich ein Kraftstoff mit diesem Preisnachteil durchsetzen?

Gesteckte Ziele zur Verringerung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor sind nur zu erreichen, wenn bereits vorhandene Fahrzeuge dazu einen Beitrag leisten. Das funktioniert über synthetische Kraftstoffe, die mit vorhandenen Motoren kompatibel sind und über das existierende Tankstellennetz verkauft werden können. Der Preis an der Zapfsäule hängt davon ab, wo und in welchen Mengen produziert wird.

Aktuell befindet sich die Technologie in der Startphase. Je mehr hergestellt wird und umso günstiger die dafür aufgewendete Energie, desto preiswerter der Kraftstoff. Letztlich hat auch die Politik über die Besteuerung einen Handlungsspielraum. Sie könnte zum Beispiel die Besteuerung eines Kraftstoffs reduzieren, wenn dieser zur Hälfte aus einem E-Fuel besteht.

Symbolische Kanisterfüllung: Im Mai 2023 haben Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (l., CDU) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in Freiberg eine Großversuchsanlage für die E-Fuel-Produktion in Betrieb genommen.© Hendrik Schmidt/dpa

Für alle, die mit dem Begriff nichts anfangen können: Was sind E-Fuels?

Kurz gesagt: Alle Arten von Kraftstoffen, die mithilfe von erneuerbaren Energien synthetisch hergestellt werden.

E-Auto-Befürworter verweisen auf den niedrigen Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren, die mit E-Fuels betrieben werden.

Wir dürfen in dieser Debatte nicht unterstellen, dass E-Fuels in Deutschland produziert werden, wo Strom aus regenerativen Quellen ein kostbares Gut ist. Das muss in Regionen mit einem Überschuss an regenerativen Energien geschehen. Dann ist der Wirkungsgrad zweitrangig.

Wie groß ist die Gefahr, dass motorisierter Individualverkehr eines Tages für einen Großteil der Bevölkerung unerschwinglich wird?

Ich denke, dass klimaneutrale Antriebe die individuelle Mobilität zunächst teurer machen werden. Allerdings vermisse ich aktuell den politischen Willen, dem durch einen fairen Wettbewerb der Technologien entgegenzuwirken. Ob die Verteuerung seitens der Politik Vorsatz ist oder zumindest billigend in Kauf genommen wird, vermag ich nicht zu sagen.

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