Die monatelange Trockenperiode im Jahr 2018 hat nicht nur den Landwirten, sondern auch den Nadelholz-Gärtnern in der Region zu schaffen gemacht. „Die Hälfte neu gepflanzten Bäume ist eingegangen“, sagt Volker Wilhelms, der in Treugeböhla eine Plantage betreibt. Für die Liebhaber von frisch geschlagenen Weihnachtsbäumen haben die Dürreschäden aber dieses Jahr noch keine Auswirkungen, denn gefragt sind ja vor allem größere Halleluja-Stauden.
Etwa 12 000 Bäume – Kiefern, Blaufichten, Nordmann- und Coloradotannen – stehen in der Pflanzung nahe der Bahnlinie Dresden-Berlin. Als aktive Naturschützer haben Renate und Volker Wilhelms ihre Plantage aufgebaut wie einen natürlichen Wald. Große Bäume stehen neben kleineren, und die verschiedenen Nadelholz-Arten sind gut durchmischt. Wird ein Stamm abgesägt, bleibt die Wurzel im Boden und verrottet über die Jahre und bringt so Humus für die nachwachsende Generation. An besonders nährstoffarmen Standorten bringen die Pflanzer Mulchmaterial wie Rasenschnitt oder Herbstlaub zwischen den Bäumen aus. Unkrautvernichtungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel sind auf der Plantage tabu – die Pflege erfolgt fünf bis sechs Mal im Jahr mit Rasenmäher und Motorsense.
Viele Pflanzen- und Tierarten profitieren vom ökologisch korrekten Weihnachtsbaum-Anbau in Treugeböhla, und so ist im Laufe der Jahre nördlich des Dorfes ein kleines Naturparadies entstanden. Im Sommer ziehen die Wildkräuter auf dem Areal Scharen von Schmetterlingen an: das Tagpfauenauge, den Schachbrettfalter, den Kleinen Fuchs, Zitronenfalter, Taubenschwänzchen, Admirale und Schwalbenschwänze. Verschiedene Ameisenarten haben sich angesiedelt, was aus dem nahen Wald wiederum den Grünspecht und auch andere Spechtarten anlockt. In den Bäumen nisten Singdrossel, Bluthänfling und Buschfink, und mit etwas Glück kann man am Boden Zauneidechse, Ringelnatter und Blindschleiche beobachten.
Die ersten Weihnachtsbäume haben Renate und Volker Wilhelms 1991 gepflanzt und ihre Anlage seitdem jedes Jahr ein Stück erweitert. „Die Pflanz- und Pflegearbeiten sind so etwas wie unser Fitness-Center im Grünen“, sagt die Treugeböhlaerin. „Da unser eigentlicher Arbeitsalltag im Büro stattfindet, ist das ein schöner Ausgleich.“ Jetzt aber naht die Zeit, in der die Weihnachtsbäume ihrer Bestimmung zugeführt werden. Am ersten Adventswochenende beginnt der Verkauf. An den arbeitsintensiven Sonnabenden und Sonntagen reisen auch die drei erwachsenen Töchter der Wilhelms an, um ihre Eltern tatkräftig zu unterstützen. Als Belohnung landet dann ein besonders schöner Weihnachtsbaum in Berlin, im Allgäu und in Dortmund.
Etliche Kunden haben bereits einen Rundgang durch die Pflanzung gemacht, sich ihren Favoriten ausgesucht und mit einem kleinen Schild gekennzeichnet. Die Reservierung ist manchmal allerdings etwas problematisch. „Unsere Plantage wirkt zwar gar nicht so groß, aber man muss den Baum erst einmal wiederfinden“, lächelt Volker Wilhelms. Und da die Fläche frei zugänglich ist, kann es auch passieren, dass jemand die Schildchen einfach austauscht. Ganz Pfiffige sichern sich „ihren“ Baum deshalb auf ziemlich ungewöhnliche Art – mit einem Fahrrad- oder Bügelschloss.
„Einer unserer Kunden hatte mal ein Schloss mit einem Zahlencode angebracht“, erzählt Volker Wilhelms. „Den Zettel mit der Kombination steckte er in die Hosentasche, und vergaß, ihn zu Hause herauszunehmen.“ Die Hose wanderte samt Zettel in die Waschmaschine, und da sich niemand an den Code erinnern konnte, stand am Ende ein recht ungewöhnlich geschmückter Weihnachtsbaum im Wohnzimmer.
Da Renate und Volker Wilhelms ihren Tannen aber durch behutsamen Schnitt eine hübsche festtaugliche Form verleihen, müssen solche Zwischenfälle gar nicht passieren. Bisher hat auf der Treugeböhlaer Plantage noch jeder Kunde einen ansprechenden Baum mitnehmen können. Zumal die individuelle Markierung auch nur bis zum 21. Dezember akzeptiert wird. Danach darf jeder Kunde auf jeden Baum zugreifen. Nur für ganz Zögerliche könnte es kritisch werden, denn am 23. Dezember wird der Verkauf definitiv beendet. Wer sich erst zu Heiligabend auf die Suche macht, muss wohl oder übel mit einer Supermarkt-Staude vorliebnehmen.
Von Manfred Müller
Foto: © Anne Hübschmann