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Neuer Bürokratie-Irrsinn: Wer mit Kochtöpfen handelt, muss das der Behörde melden

Die Bundesregierung verschärft eine Lebensmittelvorschrift. Händler zwischen Löbau und Zittau treibt das in den Wahnsinn.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht Anke Kothe in ihrem Haushaltswarengeschäft
Anke Kothe in ihrem Haushaltswarengeschäft in Neugersdorf. Jetzt trifft sie eine neue EU-Bürokratiekeule. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Von Markus van Appeldorn

Den Namen mancher EU-Verordnung muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – wie zum Beispiel diesen: Lebensmittelbedarfsgegenständeverordnung. Wenn Sie, liebe Leser, sich nun fragen, was denn „Lebensmittelbedarfsgegenstände“ sein könnten – nun, die Antwort ist ganz einfach: Absolut alles, was in Küche und Haushalt dazu vorgesehen ist, mit Lebensmitteln in Kontakt zu kommen. Töpfe, Tassen, Teller, Besteck, der Schneebesen genauso wie der Salzstreuer – einfach alles eben. Und eine Novellierung dieser Vorschrift ist geeignet, zwischen Löbau und Zittau – und deutschlandweit – alle in den Bürokratie-Wahnsinn zu treiben, die mit solchen Utensilien handeln – zum Beispiel Anke Kothe, Inhaberin eines Haushaltswarengeschäfts an der Hauptstraße in Neugersdorf.

Nun ist diese seit 20 Jahren geltende Verordnung im Grunde eine vernünftige Sache. Vereinfacht gesagt regelt sie, dass keine solchen Gegenstände in Verkehr gelangen dürfen, die etwa auf Lebensmittel abfärben, deren Geschmack beeinflussen oder gar gesundheitsgefährdende Stoffe an diese abgeben. Bloß: Bisher waren etwa Hersteller oder Importeure dafür zuständig, das sicherzustellen. Mit Geltung ab 1. Juli hat das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung diese Verordnung erweitert. Demnach muss jeder, der solche Gegenstände „in Verkehr bringt“ – also auf Normaldeutsch gesagt: damit handelt – dies beim zuständigen Veterinäramt anzeigen. Und mit welcher Art solcher Gegenstände.

Immer neuer bürokratischer Aufwand

„Ich habe davon noch nichts gehört und ich denke, unser Einkaufsverband wird uns informieren“, sagt Anke Kothe. Die Änderung der Verordnung räumt bestehenden Läden wie ihrem auch noch eine Frist bis Ende Oktober ein. Dennoch: „Es ist alles nur noch blödsinnig“, sagt sie. Tausende verschiedener Utensilien handelt sie in ihrem Laden. Die gesetzliche Anzeigepflicht gilt nicht für jeden einzelnen Gegenstand, sondern für insgesamt 17 Materialgruppen: etwa Metalle, Glas, Holz, Pappe/Papier, Keramik, Textilien, Silikone und andere Kunststoffe. Hat ein Betrieb mehrere Filialen, gilt diese Anzeigenpflicht für jede einzelne gesondert und auch für den Online-Handel. Ausnahmen? Keine! Drohende Strafe bei Nichtanzeige: bis zu 50.000 Euro. Und was für viele Händler vielleicht noch bedrohlicher klingt: Ein Mitbewerber oder Abmahnverein, der einen Verstoß entdeckt, kann diesen kostenpflichtig abmahnen.

Nun mag diese einzelne Vorschrift keine Riesensache sein – aber es kommt eben immer wieder eine neue Vorschrift zur anderen. Und jede dieser neuen Vorschriften kostet Anke Kothe und andere Händler mindestens Zeit – Zeit, die sie nicht ihren Kunden widmen können oder nach Ladenschluss zusätzlich aufwenden müssen. Zeit, die ihr geschäftlich nichts einbringt. Und manche Vorschriften sind eben auch mit zusätzlichen Kosten verbunden. Kothe denkt da etwa an das Verpackungsgesetz. „Für Tüten, in die ich meinen Kunden die Ware einpacke, muss ich jedes Jahr eine Mengenabgabe an den Grünen Punkt bezahlen, weil diese Verpackungen ja schließlich irgendwann entsorgt werden“, sagt sie. Zwar mag sie sich diese Kosten beim Kunden – etwa über einen Tütenpreis – zurückholen können. Aber: So etwas macht keinen Kunden glücklich, der das bisher vielleicht als Serviceleistung angesehen hat.

Die Hoffnung, dass es irgendwann weniger Bürokratie geben könnte, hat Anke Kothe drangegeben. „Es gibt so vieles, was man nicht mehr versteht. Bürokratie-Erleichterung bedeutet etwa: Ich muss Rechnungen jetzt nicht mehr zehn Jahre lang aufbewahren, sondern nur noch neun Jahre“, sagt sie – und das Lachen bleibt ihr dabei im Halse stecken.

„Bürokratie ohne Mehrwert“

Nur noch mit dem Kopf schütteln kann auch der Zittauer Unternehmer Thomas Krusekopf (auch Landtagskandidat für die CDU) über diese neue Vorschrift. Auf einer Internetplattform handelt er in geringem Maße auch mit „Lebensmittelbedarfsgegenständen“. „Diese Vorschrift ist ein klassisches Beispiel, dass die Bürokraten nicht vom Ende, von der Auswirkung her denken und nicht mit Betroffenen reden“, sagt er. Die Novellierung der Verordnung sei eine „Bürokratie ohne Mehrwert“, die Betroffene nur von der Arbeit abhalten würde.

„Alles, was Wertschöpfung verhindert und unproduktiven Aufwand erfordert, ist überflüssig“, sagt er und sieht keinerlei Sinn in dieser Vorschrift: „Wozu braucht das Landratsamt Angaben, das ich Tassen und Teller verkaufe?“, fragt er.

Genau das wollte die SZ auch vom Bundesministerium wissen. Das teilt mit: „Für eine effektive Überwachung von Lebensmittelbedarfsgegenständen und die Erfüllung EU-rechtlicher Anforderungen ist es unerlässlich, dass die zuständigen Behörden Kenntnis über die betreffenden Unternehmen erlangen.“ Lebensmittelunternehmer unterlägen seit vielen Jahren einer Registrierungspflicht, „Lebensmittelbedarfsgegenstände-Unternehmen“ bisher aber nicht. Inzwischen sehe das EU-Recht aber vor, dass zuständige Behörden eine „Liste von Unternehmern im Anwendungsbereich der Verordnung erstellen und auf dem neuesten Stand halten sollen“, heißt es weiter. Zuständig seien die Mitgliedsstaaten. „Das ist mit der betreffenden Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung erfolgt“, so das Ministerium.

Weil in Deutschland die Länder für die Überwachung von Lebensmittelbedarfsgegenständen zuständig seien, müssten jene Anzeigen bei den örtlichen Behörden vorgenommen werden, damit dort die maßgebliche Information zu den zu überwachenden Betrieben vorliegt. Es handele sich nicht um ein öffentlich zugängliches Register, sondern um ein „Arbeitstool“ der Lebensmittelbedarfsgegenständeüberwachung. Thomas Krusekopf bleibt dabei: „Ein Register, das kein Mensch braucht.“

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