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Neues Integrationsgesetz: Wie Sachsen Ausländer fordern und fördern will

Sachsen erlässt als erstes Ost-Bundesland ein Integrations- und Teilhabegesetz. Es sollte schon 2021 fertig sein und erfüllt nicht alle Wünsche. Warum sich Sachsens Wirtschaft trotzdem erleichtert zeigt.

Lesedauer: 4 Minuten

Ein Flüchtlinge bei der Eingliederung (Symbolbild)
Sachsen hat als erstes Bundesland in Ostdeutschland ein Integrationsgesetz erlassen. Es soll helfen, Flüchtlinge und andere Einwanderer besser einzugliedern. © Symbolbild: dpa/Marijan Murat

Von Georg Moeritz

Dresden. Sachsen setzt ein Signal für Weltoffenheit: Zuwanderer sollen schneller in Arbeit gebracht werden. Mit dem neuen Integrations- und Teilhabegesetz sei Sachsen „ganz weit vorn“, sagte Sozialministerin Petra Köpping (SPD) am Mittwoch bei einem Gespräch mit Verbänden und Wirtschaft in der Handwerkskammer Dresden.

Ihr Ministerium habe zum Gesetzentwurf 116 Stellungnahmen von Interessenvertretern erhalten, allerdings viele Wünsche nicht berücksichtigen können. Das Gesetz wäre sonst nicht mehrheitsfähig in der Koalition aus CDU, Grünen und SPD. Das Integrationsgesetz soll noch in dieser Wahlperiode vom Landtag beschlossen werden. Laut Köpping haben nur fünf Länder ein solches Gesetz, im Osten sei Sachsen das erste.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte: „Wir wollen Zuwanderung, es wird nicht anders funktionieren.“ Bei seinem jüngsten Gespräch mit dem Großinvestor TSMC aus Taiwan, der eine Mikrochipfabrik in Dresden mit 2.000 Beschäftigten plant, sei wieder klar geworden: „Das wird uns sehr fordern, wir werden viele Ressourcen brauchen.“ Ins Land kämen Menschen, die die Gesellschaft mit prägen und bereichern. In einigen Jahren solle man rückblickend über Zuwanderung sagen können: „Wir sind reicher geworden.“

Einigung mit Verzögerung: Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD, links im Bild) und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) loben das neue Integrationsgesetz.© SZ/Georg Moeritz

Zurzeit sei Sachen allerdings überfordert durch den Zuzug von Geflüchteten. 700 Kinder und Jugendliche in Sachsen können laut Kretschmer nicht unterrichtet werden, obwohl für sie Schulpflicht gilt. „Wir haben Probleme mit Wohnraum und Integrationskursen“, sagte Kretschmer weiter.

Sachsen helfe Menschen, die in Not sind. Dieser Grundsatz sei „typisch deutsch“ und werde nicht aufgegeben. Aber die „Überforderungssituationen“ müssten enden, damit Aufgaben wieder mit mehr Gelassenheit angegangen werden könnten. Kretschmer hatte in den vergangenen Tagen mehrfach von rund 200.000 Migranten als machbare Größe für Deutschland gesprochen und Grenzkontrollen befürwortet.

Erst Deutsch lernen oder gleich Arbeiten gehen?

Das geplante Integrationsgesetz betont Zuwanderung als „Herausforderung und Chance zugleich“. In der Präambel steht, Sachsen verstehe sich als weltoffenes und zukunftsorientiertes Land. Der Gesetzentwurf steht aber auch, dass sich Integration am Grundsatz des „Forderns und Förderns“ orientiert – dieses Duo war bei der Hartz-Reform zum Umgang mit Arbeitslosen bekannt worden. Im Entwurf heißt es, dass Menschen mit Migrationshintergrund „jedwede Anstrengung zum Erlernen der deutschen Sprache und zur Sicherung ihres Lebensunterhalts“ unternehmen sollen.

Was zur Integration gehört, Begriffe auf einem Aufsteller des Sozialministeriums beim Verbändegespräch: Kindertagesstätte, allgemeiner Spracherwerb, interkulturelle Öffnung in der Verwaltung …© SZ/Georg Moeritz

Sozialministerin Köpping sagte, über die Bedeutung der Sprache sei in den Workshops zum Gesetz viel diskutiert worden. Sie frage sich, ob es wirklich richtig sei, das Deutschlernen zur Voraussetzung zu machen – oder ob Menschen besser zuerst in Arbeit gebracht werden sollten. So etwas ändere sich. Die Gastronomie beispielsweise brauche Mitarbeiter, das Zusammenführen müsse schneller gelingen. Das Gesetz werde mit der Zeit verändert werden, betonte Köpping und sagte, sie wolle auch künftig mit Kretschmer zusammen regieren. Im nächsten Jahr sind Landtagswahlen, Köpping ist Spitzenkandidatin der SPD.

Fast alle Verbände haben in ihren Stellungnahmen gefordert, den Landkreisen und Großstädten mehr Integrationsaufgaben verbindlich vorzuschreiben. Laut Referatsleiter Thomas Weigel, im Sozialministerium für Integration zuständig, nannten viele das bayerische Integrationsgesetz als Vorbild. Doch die sächsischen Landkreise machten klar, dass sie keine zusätzlichen Pflichtaufgaben finanzieren können. Köpping bat die Sozial- und Wirtschaftsverbände: „Schrauben Sie die Erwartungen an das Gesetz nicht zu weit nach oben, sonst haben wir keines.“ Kretschmer sagte, die Kommunen wollten auch nicht den Eindruck haben, sie wollten „gekauft“ werden. Die Zeitenwende brauche „nicht mehr Regeln, sondern mehr Freiheit“.

Wunsch der Wirtschaft: Integration von Arbeitskräften

Köpping sagte, die Regierung müsse die Akzeptanz in der Bevölkerung wiedergewinnen. Es habe viel Gegenwind gegen den Gesetzentwurf gegeben, aber auch viel Unterstützung von Menschen, auch Ehrenamtlichen, die still ihre Arbeit machen. Laut Koalitionsvertrag sollte das Gesetz schon 2021 vorgelegt werden.

Beim Überarbeiten des Entwurfs berücksichtigte das Ministerium laut Weigel einen Vorschlag der Industrie- und Handelskammern: In der Präambel steht nun auch, dass die Integration von Arbeitskräften verbessert werden soll. Auch der Verein Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen sieht einen Teil seiner Wünsche erfüllt: Laut Vorstandsmitglied Sylvia Pfefferkorn soll die Landesverwaltung mit „mehr interkultureller Kompetenz“ arbeiten.

Köpping: „Wir sind ganz weit vorne dran“

Pfefferkorn wünscht, dass die Verwaltungen sich als Modellarbeitgeber etablieren. Ausländerbehörden sollen Willkommensbehörden sein. Das Gesetz sieht allerdings vor, dass die Landkreise außer Flüchtlingssozialarbeit auch Beratungen zur freiwilligen Rückkehr anbieten. Auf Wunsch der Landkreise wurde dieser Aspekt im Gesetzestext „herausgearbeitet und geschärft“. Das Gesetz gilt auch ausdrücklich nur für Menschen, die sich „dauerhaft berechtigt“ in Sachsen aufhalten. Auf die Frage, ob es Raum für Menschen mit ungeklärter Bleibeperspektive gebe, sagte Köpping: „Ich würde gerne weitergehen, aber nur diese Formulierung ist konsensfähig.“

Ausländerrat und Flüchtlingsrat äußerten Bedauern, dass die Finanzierung von Hilfen weiterhin von eher kurzfristigen Verordnungen abhängig sei. Projekte enden, Mitarbeiter gehen verloren, andere fangen wieder vorne an. Köpping hielt dagegen: „Wir sind ganz weit vorne dran.“ Manche Förderungen liefen über drei Jahre.

Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach sagte auf Nachfrage von sächsische.de, auch der DGB habe eine Stellungnahme zum Gesetz abgegeben. Er höre von vielen Beteiligten, das Gesetz schreibe im Wesentlichen den Ist-Stand fest. Die Regeln alleine brächten keinen entscheidenden Fortschritt bei der Integration. Doch auch Kristian Garthus-Niegel, ein Projektkoordinator im Sächsischen Flüchtlingsrat, sprach von Erleichterung und Freude darüber, dass das Gesetz zustande komme: Es gehe zwar nicht weit genug, rege aber die Kommunen an, Integrationsarbeit aktiv zu fördern. Die rechtlichen Rahmenbedingen für den Zugang zum Arbeitsmarkt würden ohnehin vom Bund bestimmt und nicht vom Land.

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