Im Streit um ein Gesetz für bessere Arbeitsbedingungen von Paketzustellern verschärft sich der Ton in der Großen Koalition. Arbeitsminister Hubertus Heil widersprach seinem Kabinettskollegen Peter Altmaier (CDU): „Der Vorwurf, dass das eine Wachstumsbremse ist, ist einigermaßen lächerlich“, sagte der SPD-Politiker in der ARD. „Es ist ja nicht zu akzeptieren, dass Recht und Gesetz umgangen werden. Und das darf in einer sozialen Marktwirtschaft kein Wirtschaftsminister, kein Arbeitsminister akzeptieren.“
Hintergrund ist ein Vorstoß Heils, der die großen Paketdienste verpflichten soll, Sozialabgaben für ihre Subunternehmer nachzuzahlen, wenn diese beim Mindestlohn betrügen. Auch der Bundesrat macht sich für die Gesetzesänderung stark. Wirtschaftsminister Altmaier hatte die sogenannte Nachunternehmerhaftung abgelehnt, auch um die zuletzt schwache Konjunktur nicht mit Bürokratie zu belasten. Er kritisierte, Heil habe die Debatte ohne Absprache „zur Unzeit“ losgetreten. Er setzt stattdessen auf mehr Kontrollen durch den Zoll.
Heil verteidigte zu Wochenbeginn seinen Entwurf. „Wir wollen, dass wir fairen Wettbewerb haben auf dem Paketmarkt, damit die ehrlichen Unternehmen nicht die Dummen sind. Und wir wollen dafür sorgen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch den sozialen Schutz bekommen, der ihnen zusteht“, sagte er. Nötig sei ein klarer Rechtsrahmen. Heil verwies darauf, dass die Nachunternehmerhaftung in der Baubranche „sehr, sehr geholfen“ habe. „Genau das will ich übertragen, auch auf den Logistikbereich.“
Der Minister will gegen die oft schlechten Arbeitsbedingungen von Paketzustellern vorgehen. Die Firmen machen zwar derzeit gute Geschäfte – andererseits finden sie bei den niedrigen Löhnen auch kaum Fahrer. Rund 3,5 Milliarden Sendungen liefern die Paketzusteller in Deutschland jährlich aus, Tendenz steigend. Denn der Onlinehandel boomt und damit wächst der Markt für Paketdienste. Immer häufiger müssen Fahrer aus Süd- und Osteuropa aushelfen, häufig jedoch sind sie sehr schlecht bezahlt und nicht einmal ordnungsgemäß versichert.
Verdi-Chef Frank Bsirske spricht von teils „mafiösen Strukturen“ in der Branche. Es würden Stundenlöhne von 4,50 Euro oder 6 Euro gezahlt – bei Arbeitszeiten von 12 oder sogar 16 Stunden pro Tag. Tatsächlich hatten auch die Ermittler nach einer bundesweiten Zoll-Razzia bei jedem sechsten Fahrer zumindest den Verdacht, dass etwas nicht stimmt. Wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken zeigt, ist das mittlere Bruttomonatsentgelt der Zusteller in den vergangenen zehn Jahren zudem um 13,3 Prozent auf 2478 Euro gesunken. (dpa)
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