Das muss ich jetzt erst mal sacken lassen.“ Dieser Satz fiel am Montagvormittag in Schmochtitz besonders häufig, als mehr als 100 Landwirte aus der ganzen Oberlausitz einen Sitzungssaal des Bischof-Benno-Hauses verließen. Gerade hatten sie mehr als eine Stunde lang Einzelheiten dazu erfahren, wie sie am Ende dieses extrem dürren Jahres zu finanzieller Unterstützung kommen können. Der Bund und die Bundesländer haben ein Hilfsprogramm für Landwirte geschnürt, die in ihrer Existenz bedroht sind.
Für Sachsen stehen insgesamt rund 44 Millionen Euro zur Verfügung. Die Hälfte davon gibt der Bund, die andere Hälfte der Freistaat. „Das wird reichen“, ist sich Gudrun Krawczyk sicher. Sie und ihre Kollegin Barbara Fischer vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie erläuterten den Landwirten aus der Oberlausitz das Antragsverfahren. „Ein Papierkrieg“, ächzte ein Zuhörer in der dritten Reihe. „Dafür können die aber nichts“, nahm sein Nachbar die zwei Frauen in Schutz. „Die machen doch auch nur ihre Arbeit.“
Oberlausitz besonders betroffen
Die 44 Millionen sind nicht auf einzelne Landkreise aufgeschlüsselt. Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) gab aber vor Kurzem zu Protokoll, er rechne mit einer großen Zahl von Anträgen aus der Region. „Die Oberlausitz ist von der Trockenheit besonders betroffen“, sagte der Klimaexperte des Landesamtes, Johannes Franke, der SZ. Dem Amt zufolge liegen die Verluste zwischen 30 und 50 Prozent der gewohnten Zahlen.
So konnte die Bautzener Budissa AG in diesem Jahr nur rund 60 Prozent des durchschnittlichen Weizenertrages ernten. Den Mais musste das Unternehmen einen Monat früher als geplant vom Feld holen. Die Heidefarm Sdier bilanzierte 15 Prozent Einbußen beim Getreide, 25 Prozent beim Raps und 50 Prozent beim Mais. Bei der Taucherwald Agrargesellschaft in Auschkowitz gab es die schlechteste Ernte seit mindestens zehn Jahren.
All diese Details gehören in den Antrag auf Dürrehilfen. Barbara Fischer räumte ein, dass es in dem Papier „erhebliche Stolperstellen“ gibt. Wenn zum Beispiel ein Landwirt Futter verkauft, dann fällt dies im Antrag unter die Rubrik Marktfrucht. Fressen das Futter die eigenen Tiere, bleibt es Futter. Ein Landwirt wollte konkret wissen, wo er eine Frucht eintragen muss, die er 2018 zum ersten Mal angebaut hat – fragt doch das Formular nach den Ernten der vergangenen drei oder fünf Jahre. Auch für solche Fälle gebe es im Formular ein Extra-Feld, erklärte Gudrun Krawczyk. Eventuell sei dem Antrag ein Beiblatt hinzuzufügen. „Das Formular kann nicht alle Eventualitäten der Landwirtschaft berücksichtigen.“ Welches Privatvermögen ist anzugeben? Die Antwort: Verfügbare Geldbeträge auf Konten ja, Immobilien nein. „Nach bestem Wissen und Gewissen“, solle die Selbstauskunft erfolgen, riet Barbara Fischer. Antragsteller müssten mit Vor-Ort-Kontrollen rechnen, ob auch wirklich alles so ist, wie auf dem Papier angegeben.
Gleich mehrmals meldete sich Jens Rockstroh zu Wort. Er ist landwirtschaftlicher Berater in Bautzen und ahnt, welche Fragen in den nächsten Tagen auf ihn zukommen. „Da stelle ich die Fragen lieber gleich selber hier.“
Bauernverband: Hohe Hürden
Kritik am Antragsverfahren kommt indes vom Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied: „Wir befürchten, dass einige bürokratische Hürden viele betroffene Betriebe von der Hilfsmaßnahme ausschließen. Das Verfahren überfordert die Landwirte und dauert zu lange.“ Das Bundeslandwirtschaftsministerium wies die Kritik zurück: „Wer wirklich existenzbedroht ist, der ist auch offen für die notwendige Darstellung seiner Bedürftigkeit.“
Von Tilo Berger
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