Miriam Schönbach
Bischofswerda. Frisch gelieferter Wein stapelt sich auf dem Tresen. In den Weinregalen reihen sich gut ausgewählte Sorten aus Frankreich, Südafrika, Spanien, Italien, Österreich und den Weinbauregionen Deutschlands aneinander. Fröhlich stützt sich Fanny Francke auf die gerade angekommenen Kartons, den Tipp für einen guten Tropfen im Glas gibt es von ihr gratis. Mit Stammkunden wechselt sie dazu ein paar persönliche Worte. Doch diese Zeiten, wie sie das Foto zeigt, sind vorbei. Am 24. Oktober 2024 schließt die Unternehmerin das Spirituosen- und Spezialitätengeschäft in Bischofswerda. Nach 229 Jahren. Die Firma „F. G. Francke“ steht in Sachsen im Handelsregister als die Nummer 1.
Zu den Schiebocker Tagen eine Tonne Wein bewegt
Fanny Francke hockt an diesem frühen Nachmittag ernst auf ihrem geliebten Barhocker am Tisch im Laden auf der Bautzener Straße 20. Draußen scheint die Herbstsonne, drinnen ist es frisch. Auf der sonst gut gefüllten Holzpalette im Laden stehen nur noch zwei Weinkartons, auch die Reihen in den Regalen lichten sich schon. Sie mummelt sich in ihre dicke Strickjacke, holt einen Kaffee aus dem hinteren Bereich des Ladens. „Ich habe mir die Entscheidung nicht leichtgemacht, aber ich muss auch an mich denken. Allein zu den Schiebocker Tagen habe ich eine Tonne Wein bewegt“, sagt sie.
Zupacken ist Fanny Francke dagegen gewöhnt. Schon in ihrer Kindheit hilft sie im Laden beim Papa. Ihr Vater Günther Francke übernimmt 1959 das Geschäft in der fünften Generation. Zurück geht es auf das Jahr 1795 und Friedrich Gottlob Francke. Er ist damals Stadtrichter in Bischofswerda und kommt auf die Idee, einen Weinverkauf auf dem Markt zu eröffnen, vielleicht auch, um dröge Ratssitzungen mit einem guten Tropfen herunter zu spülen. Die zweite Francke-Generation eröffnet 1820 in der ehemaligen Posthalterei den Kolonialwarenladen mit Weinhandlung.
„Selbst dieses Jahr lief es besser als gedacht.“
Fanny Francke – Inhaberin des ältesten Spirituosengeschäfts in Sachsen
Bewegte Geschichte geht diesem Datum voraus: Sieben Jahre vorher toben heftige Kämpfe zwischen napoleonischen Truppen und den verbündeten Armeen in der Stadt. Der 12. Mai 1813 geht in die Geschichte ein. Während des Einzugs der Franzosen bricht in den Abendstunden ein gigantisches Feuer aus und verschont innerhalb der Stadtmauer nur drei Häuser. Im Mauerwerk über einem Nebeneingang zum Franckeschen Geschäft steht die Zahl 1813. Ob Napoleon selbst bei den Franckes auf einen Tropfen haltgemacht hat? Nach der Quelle sucht Fanny Francke noch im Familienarchiv.
Genau jene Unterlagen zur Geschichte sortiert Fanny Francke in diesen Tagen. Die studierte Germanistin kommt 2020 zurück nach Bischofswerda, bis 2022 steht ihr der Vater noch mit 84 Jahren zur Seite. Sie bringt Ideen mit für das altehrwürdige Geschäft, schiebt Wein- und Spirituosenverkostungen an, lädt zur Afterwork-Lounge mit DJ Noir.Man ein, ist beim Stadtfest und anderen Veranstaltungen mit ihrem Ausschank dabei und macht sich als Macherin einen Namen. „Es gab in den vergangenen fünf Jahren nur einen kurzen Einbruch nach der Corona-Zeit, aber wir haben uns schnell wieder erholt. Selbst dieses Jahr lief es besser als gedacht. Die Befürchtungen eines Umsatzminus zum Anfang des Jahres haben sich nicht bestätigt“, sagt die 50-Jährige.
Trotzdem zieht die Selbstständige einen Schlussstrich. „Ich muss zwischen Fixkosten und Umsatz abwägen, zwischen Personal, Investition und Zeit. Die Fixkosten sind gestiegen, ohne dass ich im selben Verhältnis die Preise anziehen konnte“, sagt sie. Zugleich habe sie aber auch durch das Mehr an Veranstaltungen und Festen festgestellt, dass sie allein und der Laden in seiner Ursprünglichkeit an seine Grenzen stoßen. „Es wäre jetzt Zeit für eine größere Struktur, mehr Manpower“, sagt sie. Zugleich hätte man investieren müssen: neue Heizung, neue Küche, ein Bereich für Verkostungen.
Haus wechselte nach Zwangsversteigerung den Besitzer
Ideen hat es genug gegeben, auch einen Interessenten, der mit in Sachsens ältesten Spirituosengeschäft eingestiegen wäre. „Dass es nicht zur Übergabe kam, lag weder an mir noch am Partner. Das macht mich besonders traurig“, sagt Fanny Francke – und will die Details nicht weiter ausführen. Fakt ist, dass im vergangenen Jahr das denkmalgeschützte Haus, in dem sich das Geschäft befindet, durch eine Zwangsversteigerung den Besitzer wechselte. Dieses Verfahren ging auf eine beendete Insolvenz aus dem Jahr 2001 und geschäftliche Problemen mit dem ehemaligen Francke-Standort in Bautzen zurück.
Auch dieses Kapitel verpackt Fanny Francke nun in Aktenordner und Umzugskisten – mit viel Wehmut. „Die Weinbranche ist eine sehr harmonische Branche. Man arbeitet mit Partnern zusammen, die man mag. Ein idealer Zustand im Job. Das werde ich sehr vermissen genauso wie unsere Kunden, Gäste, meine Helfer. Der freundliche Umgang, die Neugier und Freundschaften werden mir fehlen“, sagt die Noch-Selbstständige. Wie es mit ihr weitergeht, lässt sie offen. Erst muss sie diese Tür vom ältesten Spirituosengeschäft Sachsens schließen, damit sich eine neue öffnen kann.
Abschlussfeier ist am 24. Oktober, ab 18 Uhr, mit DJ Noir.Man.