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Sächsische Recyclingexperten: Plastikmüll-Lösung der Biofabrik in Dresden ist Betrug

Nichts weniger als eine bessere Welt versprach die Dresdner Technologiefirma Biofabrik, als sie 2011 an den Start ging. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft, Fachleute sprechen offen von Betrug.

Lesedauer: 2 Minuten

Ulrich Wolf

Dresden. Der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Kunststoffrecycling Sachsen, Dr. Dietmar Lohmann, hält einen Betrug im Fall der insolventen Dresdner Technologiefirma Biofabrik für wahrscheinlich. „Die Manager des Unternehmens sind aus meiner Sicht doppelt kriminell“, sagte er in einem Gespräch mit Sächsische.de und Leipziger Volkszeitung. Zum einen hätten sie dem Markt „ein nicht funktionierendes Verfahren angeboten“, was allerdings gar nicht so selten vorkomme; zum anderen sei es ihnen gelungen, für ihr Pseudo-Verfahren auch noch „nicht funktionierende Anlagen zu verkaufen“.

Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt seit einigen Wochen gegen Biofabrik-Gründer Oliver Riedel (48) sowie den Vertriebsmanager Jürgen M. (60). Die Behörde wirft dem Duo vor, zwischen September 2020 und Oktober 2022 „in fünf Fällen Maschinen unter Vortäuschung ihrer Leistungsfähigkeit an verschiedene Käufer verkauft zu haben“. Diese hätten dafür Anzahlungen von mehr als 1,6 Millionen Euro geleistet, ihre bestellten Anlagen jedoch nicht erhalten. Im vergangenen Januar ordnete die Staatsanwaltschaft daher Razzien in vier Bundesländern an und ließ 16 Objekte durchsuchen.

Nach Ansicht von Recycling-Experte Lohmann ging es den Biofabrik-Machern nur ums Verkaufen. Schon die Behauptung, ihnen sei es nach sechs Jahren Forschung gelungen, eine erstmals dezentral Plastik-Recycling-Anlage in kompakter Bauweise zu entwickeln, „ist nachweislich falsch“. Riedel und sein damaliger Marketing-Chef Etienne P. hätten sich damit aber sogar noch 2022 in der Zentrale des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungswirtschaft in Berlin selbst gepriesen.

Ein Besuch des Firmensitzes in Dresden-Rossendorf sei ihm verwehrt worden. „Wir sind einfach nicht hereingekommen“, sagte Lohmann. Eine Mailanfrage zur Biofabrik-Technologie, die angeblich in der Lage sei, aus einer Tonne Kunststoffmüll 1.000 Liter Rohöl zu machen, sei „eher nichtssagend“ ausgefallen. Zudem sei unklar geblieben, welche Schadstoffe bei der von der Biofabrik als Wastx Plastic Recycling bezeichneten Technologie entstünden. „Darauf wurde gar nicht geantwortet.“

Schwer vorstellbare Wundermaschine

Auch Dr. Roman Maletz vom Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der TU Dresden war frühzeitig skeptisch. Im Sommer 2019 sagte er dem Magazin Wirtschaftswoche, eine Wundermaschine, aus der mit einer guten Energiebilanz ein hochwertiger Kraftstoff herauskommt, könne er sich schwer vorstellen.

Zu den Opfern des mutmaßlichen Biofabrik-Betrugs zählt das im schweizerischen Appenzell sitzende Umweltunternehmen Enespa AG. Firmensprecher Christoph Ottiger teilte auf Anfrage mit, man sei „eine geschädigte Partei“ des früheren Geschäftspartners Biofabrik. Die sächsischen Enespa-Standorte in Bernsdorf und Hoyerswerda liefen jedoch wie gewohnt „und sind durch das Verfahren gegen die Biofabrik nicht beeinträchtigt“. Zur Schadenssumme und weiteren Details wollte er sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Viele Millionen aus der Schweiz

Dem Enespa-Geschäftsbericht 2023 zufolge zahlten die Schweizer für den Kauf diverser Rechte 5,34 Millionen Euro an die Biofabrik. Weitere 1,8 Millionen Euro flossen demnach zudem für den Erwerb des Produktionsstandorts in Hoyerswerda von Appenzell nach Dresden.

Eine weitere Spur führt nach Österreich, nach St. Veit an der Glan in Kärnten. Dort hat die Firma Planetwork Solutions GmbH ihren Sitz. Auf ihrer inzwischen nicht mehr erreichbaren Internetseite war noch vor einigen Monaten zu sehen, wie Biofabrik-Gründer Riedel dort eine seiner Wastx-Anlagen enthüllte.

Vom Kunststoffrecycling haben die Österreicher sich jedoch offensichtlich inzwischen verabschiedet: Als Geschäftsgegenstand gibt Planetwork im österreichischen Unternehmensregister „den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln sowie die Organisation von Abenteuerreisen“ an. Geschäftsführer der Firma in Kärnten ist den Registerangaben zufolge der Biofabrik-Manager Etienne P. Der von der Staatsanwaltschaft Dresden mitbeschuldigte Vertriebsmanager Jürgen M. hält 15 Prozent an der österreichischen GmbH.

Beim Amtsgericht Dresden sind sowohl die Biofabrik Technologies GmbH als auch die Biofabrik White Refinery GmbH als zahlungsunfähig registriert. Die Unternehmenszentrale hat auf zwei Anfragen zu den Vorwürfen bislang nicht geantwortet. Riedel hatte 1999 den Online-Supermarkt Lebensmittel.de gegründet, diesen dann verkauft und 2011 begonnen, die Biofabrik aufzubauen, „um Lösungen für essenzielle Probleme der Welt zu schaffen“. Riedel betonte seinerzeit, er wünsche sich eine Welt, „in der alle ‚Du‘ zueinander sagen“.

SZ

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