Den Startschuss sehen eigentlich nur die Fotografen. Dicht an dicht drängen sie sich mit ihren Kameras um die Bühne herum. Alle anderen Gäste können nur erahnen, was es dort zu sehen gibt. Statt symbolisch einen Spaten zu schwingen, verbinden die Verantwortlichen einzelne Glasfaserkabel. Viel wichtiger als das Geschehen auf der Bühne sind aber die Baufahrzeuge, die ein paar Straßen weiter stehen und nur darauf warten, mit dem Breitbandausbau beginnen zu können.
Im kleinen Ort Schmochtitz mit seinen 55 Einwohnern startet jetzt ein millionenschweres Projekt, für das der Chef der Deutschen Telekom nur Superlative kennt. Timotheus Höttges spricht von einem der größten Glasfaserprojekte der Telekom in Deutschland. Mit dem Ausbau sei der Kreis Bautzen an der Weltspitze im Bereich der digitalen Infrastruktur. „Sie haben jetzt vor ihrem Haus eine Schotterpiste und nach dem Ausbau eine zehnspurige Autobahn“, sagt er vor der magentafarbenen Leinwand und erntet Applaus. Hiesige Unternehmen wie die Debag könnten sich dann digital mit ihren Standorten weltweit vernetzen. Ein Architekt habe die Chance, seine Unterlagen in Echtzeit an das Bauamt zu schicken und eine Webcam am Bautzener Stausee sei nach dem Ausbau in der Lage, hochauflösende Bilder im Netz zu zeigen.
Etwas bodenständiger, wenn auch nicht weniger begeistert, blickt Bautzen Landrat Michael Harig (CDU) auf das Projekt. Die Zahlen, die er auf der Bühne vorträgt, muss er an diesem Tag noch häufig wiederholen. 60 000 Haushalte im Landkreis sollen künftig von dem schnellen Internet profitieren. Für 8 800 Firmen, die bislang nicht ausreichend ans Internet angeschlossen sind, soll aus diesem Wettbewerbsnachteil ein Vorteil werden. Außerdem geht es um 117 Schulen und Bildungseinrichtungen im Landkreis, die künftig über das schelle Internet verfügen sollen. Vor allem aber eine Botschaft hat der Landrat mit nach Schmochtitz gebracht. „Die Bürger erhalten für ihr Grundstück einen kostenlosen Glasfaseranschluss. Das ist eine Chance, auch für jene, die vielleicht heute noch denken, dass sie es nicht benötigen“, erklärt Michael Harig. Immerhin werde das Grundstück damit aufgewertet.
Dass der Landrat diesen Aspekt so in den Mittelpunkt rückt, hat einen guten Grund. Damit der Ausbau tatsächlich vorangehen kann, müssen etliche Grundstücksbesitzer in den Ausbaugebieten noch einwilligen. Bis zu 15 000 einzelne Genehmigungsverfahren sind notwendig. Schon vor diesem Hintergrund wirkt der Zeitplan sportlich. Bis Ende 2020 soll der Ausbau fertig sein. Beginnend in Schmochtitz werden in beinahe allen Kommunen des Kreises Tiefbauarbeiten notwendig sein. Und wieder kann der Landrat ein paar Zahlen dazu liefern. Auf einer Gesamtlänge von 1 600 Kilometern werden rund 5 000 Kilometer Glasfaserkabel verlegt. Nur die Orte Cunewalde und Wilthen stehen nicht mit auf der Liste. Dort sind Anbieter bereits am Ausbau dran.
Der Großteil des Landkreises wird von der Telekom erschlossen. Bischofswerda und Umgebung übernimmt die Firma Enso Netz. Der Energieversorger baut neben Stromnetzen in Ostsachsen seit einigen Jahren auch schnelle Datennetze. Den Zuschlag für die Vergabe der Arbeiten hatte der Kreistag im März erteilt. Zurück nach Schmochtitz: Die Bewohner des kleinen Ortes sollen bereits 2019, in der zweiten Jahreshälfte, auf das schnelle Internet zugreifen können. Doch wie schnell ist schnell? Darauf hat Telekom-Chef Timotheus Höttges eine Antwort. Die Bewohner dort surfen aktuell mit sechs Megabit pro Sekunde durchs Netz. Zum Vergleich: Nach dem Ausbau können im kleinen Ort Schmochtitz Datenmengen von einem Gigabit pro Sekunde übertragen werden, verspricht der Telekom-Chef. Jeder Privathaushalt im Landkreis, der im Rahmen des Projektes an das Breitbandnetz angeschlossen wird, surft dann mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde.
Mit dem Breitbandausbau wird der Landkreis Bautzen bei der digitalen Infrastruktur zum Vorreiter in Sachsen. Andere Landkreise sollen nachziehen, betont Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Er sieht darin vor allem eine Chance für den ländlichen Raum. Immerhin 25 Millionen Euro steuert der Freistaat bei. Zusätzlich wird er den Eigenanteil des Kreises in Höhe von 10,5 Millionen Euro ausgleichen. Die Bundesregierung fördert das 105 Millionen-Projekt mit 69 Millionen.
Nur eine letzte Frage muss noch beantwortet werden. Warum hat die Telekom ausgerechnet den kleinen Ort Schmochtitz für den Beginn des Breitbandausbaus gewählt? Wurde der Ort gar ausgelost? Ein Mitarbeiter der Telekom lächelt. „Das liegt daran, dass es hier eine schöne Location für den Starschuss gibt“, sagt er. Das Bischof-Benno-Haus dient als Kulisse. Und dort, im Innenhof, sind nun auch die Fotografen weitergezogen. Zurückgeblieben sind nur die Glasfaserkabel.
Von Marleen Hollenbach
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Foto: © Uwe Soeder