Suche
Suche

Schulden, Pfändungen, Prozesse – die Kehrseite des Unternehmers Stefan Menzel

Der Eigentümer des Ausflugsschiffes auf dem Berzdorfer See liebt es, sich als Macher in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Doch es gibt auch eine andere Seite.

Lesedauer: 7 Minuten

Sebastian Beutler und Susanne Sodan

Görlitz. Es war die Stunde des Machers. Bei einer Veranstaltung auf dem Gipfel der Görlitzer Landeskrone listete jüngst der Unternehmer Stefan Menzel seine einstigen, aktuellen und künftigen Projekte auf: große Beach-Partys am Bärwalder See, Gestört-aber-geil-Tournee durch Deutschland, Görliwood-Bus und Bikini-Bar in Görlitz, das Ausflugsschiff am Berzdorfer See und bald soll ein weiteres auf dem Stausee in Bautzen folgen, Flussschifffahrt auf der Neiße.

Und jetzt will er einen Aussichtsturm auf der Görlitzer Landeskrone errichten, 24 Meter hoch, im besten Fall vielleicht sogar 35 Meter. 2028 könnte Eröffnung gefeiert werden: die Landeskrone, deren Gipfelareal der 36-Jährige gepachtet hat, als Besuchermagnet in Görlitz. Auf all diese Projekte begründet Menzel seinen Ruf, etwas zu unternehmen und zu wagen. Mit „Kontinuität, Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit“ habe er es so weit gebracht.

Die Sonnenseite des Stefan Menzel

Der Stolz Menzels ist verständlich, wenn man seine Lebensgeschichte hört: keine leichte Kindheit, zerbrochene Familie, zu Hause rausgeflogen, im Zelt gelebt, sich von Toast und Ketchup ernährt, mit 16 illegale Parties organisiert, weil er Geld brauchte. So erzählt er es in Videos, die er vorigen Sommer auf Instagram veröffentlichte. Mit 18 dann habe er ein Gewerbe anmelden können, mit 30 sei der Erfolg gekommen: Für 1,8 Millionen Euro habe er das Ausflugsschiff erworben, weitere 300.000 Euro für den Innenausbau aufgewendet, 200.000 für den neuen Landskron-Express, eine Touristenbahn. Fünf Firmen betreibe er, arbeite 80 bis 100 Stunden in der Woche und führe ein Leben, von dem jeder träume. Das ist die Schauseite des Stefan Menzel.

Doch es gibt auch eine Kehrseite aus Steuerschulden, Kontopfändungen, Prozessen und zwielichtigen Geschäftspartnern. Das ergeben Recherchen dieser Zeitung in den vergangenen Monaten. Zahlreiche Betroffene haben sich mit der SZ getroffen, Unterlagen aus den Unternehmensregistern sowie aus Gerichtsverhandlungen wurden gesichtet und am Ende auch Stefan Menzel elf Fragen schriftlich gestellt.

Start ins Berufsleben mit einer Fälschung

Das letzte Mal, dass Menzel von sich reden machte, ist erst ein paar Tage her: Zu dem Termin auf der Landeskrone kürzlich durfte sein Landskron-Express nicht mit hinauf, weil eine geeignete Genehmigung fehlte. Die Polizei griff ein, die Schuld dafür sah Menzel bei der Stadt Görlitz. Dem Oberbürgermeister warf er Inkompetenz vor, weil er Musiker sei. Über Menzel selbst ist nicht bekannt, ob und welchen Berufsabschluss er hat. Sein Abizeugnis, so kam es im Sommer 2015 vor dem Amtsgericht Weißwasser zur Sprache, hat er gefälscht.

Was auch auf der Landeskrone zur Sprache kam, ist sein Verständnis über die Rolle von Staat und Behörden: Zunächst einmal solle alles ermöglicht werden, was gewünscht ist. Erst bei einem Negativeffekt sollte der Staat eingreifen. Ein Verständnis, das seither schon mehrfach bis vor Gericht führte. Auch, weil es diese Negativeffekte schon gab.

Mehrere Jahre lang bot Menzels Firma Boats & Friends Fahrten auf der Neiße in Schlauchbooten an, ließ 2021 bei einem vergleichsweise hohen Wasserstand eine unerfahrene Paddelgruppe über ein gefährliches Neißewehr fahren. Das Boot geriet in eine Wasserwalze, ein 62-Jähriger ertrank. Im April 2024 wurde das Verfahren vor dem Amtsgericht Dresden eingestellt – gegen Zahlung von 10.000 Euro an die hinterbliebenen Angehörigen. Die Schlauchbootfahrten führt Menzel nicht weiter, weil er, wie er jetzt auf der Landeskrone erklärte, nicht genügend Personal finde.

Stadt Görlitz wartet auf ihr Steuergeld

Zumindest fiel es ihm vermutlich nicht schwer, die Summe aufzubringen. In der Corona-Pandemie betrieb er zahlreiche Testcenter. Gegenüber der SZ erklärt er jetzt, über „ausreichend Barmittel und Vermögenswerte (siebenstellig)“ zu verfügen. Das wird die Stadt Görlitz gern hören.

Die überlegt derzeit, wie sie rund 185.000 Euro Steuerschulden von ihm eintreibt. Der Stadtrat von Görlitz beschäftigt sich in diesem Monat noch mit dem Thema – in nicht-öffentlicher Sitzung. Die entsprechende Vorlage liegt in Abschrift der SZ vor. Die Summe bezieht sich auf Menzels Einzelunternehmen „Clearex Germany“, mit dem er die Corona-Testcenter betrieb. Die Summe war am 14. November fällig, Mahnungen gingen raus. Doch Menzel will die Gewerbesteuer nicht zahlen. Er teilt mit, es würde für die Jahre 2021 und 2022 eine Korrektur beim Finanzamt laufen. Im Ergebnis erwarte er sogar eine Rückzahlung von der Stadt Görlitz.Deswegen habe er die Stundung beantragt. Im Übrigen, so schrieb er an die Stadt, würden Vollstreckungsmaßnahmen nicht erfolgreich sein.

Der Stadt Görlitz liegt vom Finanzamt aber keine Mitteilung darüber vor, dass am Gewerbesteuermessbetrag nochmal gerüttelt werde. Deswegen hat die Stadt Görlitz mittlerweile sogar zwei Konten von Menzel gepfändet. Mit geringem Erfolg allerdings.

1,49 Euro von Konto gepfändet

Bei der Kreissparkasse Bautzen trieb sie im Januar auf zwei Konten rund 2200 Euro ein, danach wurden die Konten aufgelöst und die Sparkasse habe die Geschäftsbeziehung beendet. Weitere 1,49 Euro fand die Stadt Ende Januar auf einem Konto bei der Volksbank Bonn Rhein-Sieg. Auch diese Bank hat die Geschäftsbeziehungen zu Menzel beendet, heißt es in der Vorlage der Stadt.

Doch die Stadt Görlitz ist nicht der einzige Gläubiger von Menzel. Ein Görlitzer Vermögensberater und Menzel treffen sich seit Jahren vor Gericht aus ganz verschiedenen Gründen: Mal geht es um den Unterstand für Touristenbusse, mal um die frühere Bikini-Bar in der Theaterpassage, schließlich um gemietete Wohnungen und Büros in der Bahnhofstraße, wo Menzel früher auch seinen Unternehmenssitz hatte. Auf eine sechsstellige Summe beziffert der Berater seine Ansprüche. 0b er damit vor Gericht durchkommt, ist offen.

Seltsame Firmenverkäufe sorgen für Unruhe

Aktuell geht es vor dem Arbeitsgericht Bautzen erst mal um eine wieder andere Sache. In der vergangenen Woche versuchte eine Mitarbeiterin seiner Casinos gegen eine fristlose Kündigung vorzugehen und ausstehenden Lohn einzuklagen. Menzel soll seine Mitarbeiter in den Spielotheken zum Jahreswechsel gezwungen haben, finanziell schlechtere Arbeitsverträge zu unterschreiben. Wegen psychischem Druck hätten sich viele krank gemeldet. Daraufhin seien sie von Menzel fristlos gekündigt worden. Er argumentiert vor Gericht, es habe eine Verschwörung gegen ihn gegeben. Nun weiß die Mitarbeiterin mit Kind und ohne Geld nicht mehr, wie es weitergehen wird.

Kein Einzelfall. Nach Auskunft des Arbeitsgerichtes in Bautzen laufen mindestens acht Arbeitsrechtsverfahren gegen Stefan Menzel persönlich beziehungsweise Firmen von ihm, wie M-Boat GmbH und M-Store GmbH. Zusammen geht es um Ansprüche von rund 20.000 Euro.

Da man in Görlitz nicht gut mit Unternehmern umgeht, werde ich auch künftig vermeiden, insofern möglich, in Görlitz Steuern zu zahlen. – Stefan Menzel, Unternehmer

Zum Arbeitsgerichtsverfahren erschienen zuletzt weder Menzel noch ein Mann namens Radoslaw Krystian Kandybowicz: An ihn verkaufte Menzel Ende Januar seine Firmen M-Boat GmbH, M-Store GmbH und M-Creative GmbH. Das Arbeitsgericht, so erklärt dessen Direktorin Katrin Schmidt, müsse jetzt erst einmal klären, ob es sich hier um eine Rechtsnachfolge handelt und welche Auswirkungen der Verkauf der Firmen auf die Verfahren vor ihrem Gericht haben.

Diese Unternehmen standen bislang für viele Aktivitäten, mit denen Stefan Menzel bekannt wurde: eben die Casinos, Café und Bar, Stadtrundfahrten, Fahrgastschifffahrt und Vermietung von Booten, Onlinemarketing. Verboten sind Firmenverkäufe nicht, aber die Umstände in diesem Fall werfen zumindest Fragen auf. Und bereiten den Gläubigern Bauchschmerzen.

Der SZ liegen ein Notarvertrag von einer Berliner Kanzlei vor und Eintragungen aus dem Unternehmensregister. Als Käufer steht in dem Vertrag Radoslaw Krystian Kandybowicz, er wurde 43 Jahre alt und wohnte in der Görlitzer Schwesterstadt Zgorzelec, ein paar Häuser neben einem dortigen Grundstück von Menzel. Radoslaw Krystian Kandybowicz starb am vergangenen Freitag.

Hier soll Radoslaw Krystian Kandybowicz zu finden sein, an ihn verkaufte Stefan Menzel drei seiner Unternehmen.
Hier soll Radoslaw Krystian Kandybowicz zu finden sein, an ihn verkaufte Stefan Menzel drei seiner Unternehmen.
Quelle: privat

Wie er den Zgorzelecer kennengelernt hat, erklärt Menzel gegenüber der SZ nicht, laut dem Notarvertrag sprach Kandybowicz so schlecht deutsch, dass er sogar einen Dolmetscher beim Notartermin benötigte, um dem Gesagten folgen zu können. Der Zgorzelecer habe ein „faires Kaufpreisangebot“ unterbreitet.

Neuer Eigentümer siedelt Firmen in München an

Wer Kandybowicz‘ Adresse aufsuchen will, findet ein Gründerzeithaus am Zgorzelecer Neiße-Boulevard vor, das zumindest nach außen nicht so recht zu dem Bild eines finanzstarken Investors passen will. Es ist stark sanierungsbedürftig, es gibt keine Klingelschilder und die über 20 Briefkästen kennen nur Zahlen, keine Namen. Beim Arbeitgeberverband in Zgorzelec kennt man niemanden mit dem Namen Radoslaw Krystian Kandybowicz.

Noch am Kauftag hatte er seine neu erworbenen Firmen umbenannt: In Polis1 GmbH, in Polis2 GmbH und in Polis3 GmbH, und transferierte sie nach München. Dort sind sie unter einer Anschrift angesiedelt, wo auffällig viele Firmen gemeldet sind. Die Münchner Abendzeitung berichtete 2019 bereits über diese Adresse und stieß auf Schein-Geschäftsführer und Briefkastenadressen. Mit ihm darüber sprechen kann man nicht mehr. Er starb – sechs Wochen nachdem er Menzels Firmen kaufte – an einer Krebserkrankung, gegen die er über Jahre hinweg gekämpft hatte.

Vor allem die Rückansicht spricht nicht unbedingt dafür, dass hier ein finanzstarker Investor wohnt. Und die Nummern auf den Briefkästen vorne auch nicht.
Vor allem die Rückansicht spricht nicht unbedingt dafür, dass hier ein finanzstarker Investor wohnt. Und die Nummern auf den Briefkästen vorne auch nicht.
Quelle: privat

Menzel wiederum zog Ende vorigen Jahres von Görlitz in sein Zgorzelecer Grundstück um, wo er auch Geschäftsführer der Epic Arts Sp z.o.o. ist. Zu dieser zählt die M-Media GmbH, die früher anders hieß und dem Beteiligungsmanagement diente. Das ist jetzt anders,jetzt hat sie nahezu den gleichen Unternehmenszweck wie die drei verkauften Firmen. Ende Dezember vergangenen Jahres verlagerte Menzel diese M-Media von Görlitz nach Berlin, weil er „unter der aktuellen Führung der Stadt keine Zukunft in Görlitz sehe“. In Görlitz, schildert er, gibt es noch die M-Resort GmbH von ihm, die über das Erbbaurecht der Landeskrone verfügt. Auch diese Firma wolle er noch dieses Jahr nach Berlin verlegen.

„Da man in Görlitz nicht gut mit Unternehmern umgeht, werde ich auch künftig vermeiden, insofern möglich, in Görlitz Steuern zu zahlen“, schreibt Menzel an die SZ. „Zudem haben wir mittlerweile (glücklicherweise) eine Europastadt mit günstigen Steuern für Firmen auf polnischer Seite. Das kann ich nur jedem in der aktuellen Zeit empfehlen.“

Nach außen bleibt derweil alles beim Alten. Es gibt neue Projekt-Ankündigungen. Am 19. April – den Termin nannte er unverbindlich auf der Görlitzer Landeskrone – will er mit einem weiteren Schiff, der MS „Bremen“, auf der Talsperre Bautzen starten. Das Schiff sei bereits unterwegs, wenn auch unter großen Problemen.

Gipfel der Landeskrone abgesperrt für Besucher

Grundsätzlich sind Ausflugsschiffe auf dem Bautzener Stausee möglich und bedürfen keiner weiteren wasserrechtlichen Genehmigungen, heißt es vom Landratsamt Bautzen. Aber Anlagen für das Ein- und Aussteigen sowie zur Ent- und Versorgung des Schiffes an Land dürften genehmigungspflichtig sein. Das zuständige Landratsamt in Bautzen aber kann nichts dazu sagen. „Wir kennen die konkreten Pläne des Betreibers nicht“, sagt eine Sprecherin der Behörde. „Bei uns liegen bisher keine Anträge oder Ähnliches vor.“

Wenigstens kann er am Stausee kaum das tun, was er jetzt an der Landeskrone tat: Nachdem sein Landskron-Express kürzlich nicht auf den Gipfel fahren durfte, stellte er aus Wut über die Stadt einen Zaun auf, sperrte den alten Aussichtsturm ab. Tatsächlich stand hinter dem Vorfall mit dem Express sein eigenes Versagen. So oder so, nichts geht mehr auf dem Gipfel.

Transparenzhinweis: Der Beitrag wurde ergänzt um die Information, dass der Käufer von Stefan Menzels Firmen, Radoslaw Krystian Kandybowicz, vor wenigen Tagen starb.

SZ

Das könnte Sie auch interessieren: