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Semperoper und Zwinger-Dinner: Wie der Chip-Riese TSMC nach Dresden gelockt wurde

Mehr als zwei Jahre kämpfte die Landesregierung um den Zuschlag für die TSMC-Fabrik der Taiwaner. Sachsen gab alles - auch mit Porzellan und Kirschkern.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht die Semperoper bei Nacht.
Auch ein Besuch der Semperoper stand für die Gäste aus Taiwan auf dem Programm. © René Meinig

Von Nora Miethke

Taiwanesen haben ein feines Gespür für Porzellan, diese Leidenschaft haben sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und seine Wirtschaftsförderer zunutze gemacht. Mit einem Abendessen in der Porzellansammlung im Zwinger wurden Jonathan Lee, als Vize-Präsident von TSMC verantwortlich für die strategische Planung des Konzerns, und sein Team im vergangenen Herbst in Dresden willkommen geheißen.

Quasi unter den Augen August des Starken wurden an vier Tischen mit je acht bis zehn Plätzen die drängendsten Fragen der Ansiedlung erörtert. Die Gäste sollen sehr beeindruckt gewesen sein. Staatskanzleichef Oliver Schenk ging mit der TSMC-Delegation auch ins Grüne Gewölbe, um den Gästen den berühmten Kirschkern zu zeigen. Seine Botschaft: Wer vor rund 300 Jahren fähig war, 185 Köpfe in einen Kirschkern zu ziselieren, der kann im 21. Jahrhundert auch Mikroelektronik.

Erste Gespräche mit TSMC schon 2021

Ein Besuch der Semperoper stand natürlich auch auf dem Programm. Die Sachsen punkteten bei den Asiaten aber nicht nur mit Kunst und Kultur. Über zwei Jahre kämpfte die Landesregierung um die gestrige Entscheidung.

Erste Gespräche auf politischer Ebene gab es im Sommer 2021 im Rahmen der Eröffnung des Chipwerks von Bosch in Dresden. Damals war noch Peter Altmaier (CDU) Bundeswirtschaftsminister, der sich selbst vom Krankenbett aus bei weiteren Gesprächen zugeschaltet haben soll.

Jonathan Lee ist als Vize-Präsident von TSMC verantwortlich für die strategische Planung des Konzerns. Im vergangenen Herbst besuchte er Dresden.© TSMC

Im Sommer 2021 litt die wichtigste Branche in Deutschland, die Automobilindustrie, unter akutem Chipmangel. Weltweit sollen während der Corona-Pandemie aufgrund der Lieferengpässe neun Millionen Autos weniger als geplant produziert worden sein, davon allein zwei Millionen weniger in Europa.

Die Ansiedlung von TSMC gilt als entscheidendes Element im Plan der Bundesregierung, sich von Halbleitern aus China unabhängig zu machen. Denn der Bedarf an Mikrochips für die Automobilhersteller wird sich laut Studien bis zum Jahr 2030 verdoppeln durch den Wandel zu Elektromobilität und autonomem Fahren. Da braucht Deutschland wie ganz Europa eine stabile, sichere Lieferkette.

Die Abnehmer sind in der Nähe

Sachsen ist nicht nur Chipland, sondern vor allem auch Autoland. Die enge Vernetzung mit der Autoindustrie und die langjährige Partnerschaft mit Volkswagen sollen TSMC neben dem erfolgreichen Ökosystem in der Mikroelektronik am meisten vom Silicon Saxony überzeugt haben. Im früheren VW-Vorstandschef Herbert Diess und seinem Nachfolger Oliver Blume hatte Sachsen starke Befürworter, die TSMC drängten, nach Europa zu kommen und zugleich für warben.

Die Abnehmer für die Mikrochips, die TSMC in Dresden produzieren will, sitzen in der Region. Porsche will ab kommendem Jahr den E-Macan in Leipzig produzieren, bei VW in Zwickau laufen nur noch E-Autos vom Band, auch BMW in Leipzig benötigt Chips für die Produktion.

Und Infineon, ein Partner von TSMC bei dem neuen Werk, baut derzeit eine zusätzliche Fabrik in Dresden, für die künftig die Vorprodukte aus dem Gemeinschaftsunternehmen um die Ecke kommen könnten.

Auf diesem Grundstück im Dresdner Norden soll die Fabrik entstehen.© Ronald Bonß


Vor gut einem Jahr startete zwischen Sachsen und TSMC ein sehr intensiver Arbeitsprozess mit zahlreichen Online-Treffen am Bildschirm wie auch Vor-Ort-Besuchen, in denen alle Fragen von der Energie- und Wasserversorgung über Schul- und Kitaplätze für die Familien der künftigen Beschäftigten bis zur ÖPNV-Anbindung geklärt werden mussten.

TSMC scheint in puncto Gründlichkeit ein sehr deutsches Unternehmen zu sein, das alle Antworten haben will, bevor es eine solche Investitionsentscheidung trifft. Anders als in den USA, wo die Taiwaner auch eine Fab bauen, gibt es in Dresden eine gute Bildungsinfrastruktur. Von Vorteil war auch die große Erfahrung, die Stadt und Landesbehörden mit den Genehmigungen einer Chipfabrik haben. Das Werk von Bosch konnte sechs Monate schneller starten als geplant. Das macht sich jetzt erneut bezahlt.

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