Im Fall des Skeletts, das ein Pilzsammler vergangenen Oktober beim Oelsaer Waldstadion in der Dippoldiswalder Heide gefunden hat, konnte die Identität des Toten noch nicht geklärt werden. Die zahnmedizinische Untersuchung und der Abgleich der DNA brachten laut Polizei bisher keine Ergebnisse. Um möglichst weitere Hinweise zu bekommen, wurde nun das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt in Magdeburg um Amtshilfe gebeten. Dort wird das Gesicht anhand des Schädels rekonstruiert.
Ist der Schädel schon beim Landeskriminalamt angekommen?
Ja, seit Anfang vergangener Woche ist Expertin Steffi Burrath mit der Rekonstruktion beschäftigt. Die Diplom-Ingenieurin ist Sachverständige für visuelle Personenidentifizierung beim Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt und die einzige Gutachterin bei der deutschen Polizei, die sich auf eine Gesichtsweichteilrekonstruktion spezialisiert hat. Deshalb bekommt sie Untersuchungsaufträge aus dem gesamten Bundesgebiet, sagt Andreas von Koß, Sprecher des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt.
Wie wird bei der Gesichtsrekonstruktion vorgegangen?
Jeder Schädel ist so einzigartig, wie es auch Fingerabdrücke sind, erklärt Andreas von Koß. Jeder Kopf hat seine individuelle Form und seine individuellen Proportionen. Für eine Rekonstruktion wendet Steffi Burrath stets dieselbe Technik an: Zuerst liest sie sich den Obduktionsbericht ganz genau durch, um so viel wie möglich über die Person und die möglichen Todesumstände zu erfahren. Wichtig sind Alter, Gewicht und Geschlecht sowie die Herkunft. Denn anhand eines Tabellenbuches werden bestimmte Weichteilhöhen des Gesichts, also die Dicke von Gewebe, Muskulatur und Fetten, ermittelt. Diese Daten wurden wissenschaftlich erhoben und sind Durchschnittswerte. Durch die Zuordnung der Weichteilhöhen über festgelegten anatomischen Knochenpunkten kann ein Gesicht ziemlich genau modelliert und gezeichnet werden.
Wie viele Knochenpunkte müssen für die Rekonstruktion bestimmt werden?
An 27 bis 34 festgelegten Punkten des Schädels werden sogenannte Weichteilmarken zugeordnet und aufgeklebt. Jeder menschliche Schädel hat, unabhängig von Alter und Geschlecht, 34 sogenannte Identifizierungspunkte, anhand derer ein Gesicht rekonstruiert werden kann. Sind diese mit den Markierungen versehen, wird ein Foto des Schädels geschossen und 1:1 entwickelt. Über die Fotografien wird Transparentpapier gelegt, mit Bleistift wird das Gesicht anhand der Punkte nachgezeichnet. Die Form von Augen-, Mund- und Nasenhöhle sind laut Andreas von Koß ausschlaggebend für das individuelle Aussehen des Menschen. Es entsteht quasi ein Phantombild, dem dann noch Haare, Augenbrauen, eventuell Bart und Altersmerkmale wie Falten gegeben werden müssen. Oftmals entstehen verschiedene Zeichnungen, gerade wenn skelettierte Leichen gefunden werden und keine konkreten Hinweise zu Frisuren oder dem Alter vorliegen.
Wie zuverlässig ist das Ergebnis zum Schluss?
Bei bislang mehr als 40 bearbeiteten Fällen in den vergangenen 16 Jahren lag die Erfolgsquote bei 40 Prozent, so Andreas von Koß. Die Phantombilder werden durch die zuständigen Polizeibehörden für eine Öffentlichkeitsfahndung genutzt. Entscheidend dabei ist, dass jemand den Gesuchten wiedererkennt. Handelt es sich um Personen aus dem Ausland, die zum Beispiel keinen festen Wohnsitz in Deutschland haben, wird die Identifizierung natürlich schwerer. Bei den erfolgreich abgeschlossenen Fällen fällt immer wieder auf, wie groß die Übereinstimmung zwischen dem Phantombild aus der Rekonstruktion und dem tatsächlichen Aussehen der Personen sind.
Bis wann wird das Phantombild vorliegen?
Die Rekonstruktion dauert, je nach Aufwand, etwa 7 bis 10 Tage. „Gegenwärtig gehen wir davon aus, dass wir der Polizei in Dresden das Ergebnis zeitnah vorlegen können“, so Andreas von Koß.
Von Anja Ehrhartsmann
Foto: © Peter Gercke/dpa