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Spielend Milliarden machen

Die Dreamhack in Leipzig war nicht nur ein internationaler Zocker-Marathon. Sie ist auch das Schaufenster für einen boomenden Weltmarkt.

Lesedauer: 3 Minuten

Wenn auf der Leipziger Messe die Saallichter ausgehen und in den dunklen Hallen Tausende Bildschirme funkeln, ist Dreamhack-Zeit: Deutschlands größtes Computerspiel-Festival, das jedes Jahr aufs Neue wächst. Allein für die LAN-Party wurden diesmal 2 000 Computer in einem riesigen Netzwerk verbunden, damit die Spieler zusammen spielen können. Es sind mittlerweile doppelt so viele Plätze wie zur Dreamhack-Premiere 2016. Seit Dienstag wurden dafür 1 000 Bierbänke mit Sattelschleppern und Gabelstaplern angefahren, 56 Kilometer Kabel verlegt und zehn Hardware-Server installiert, erzählt der IT-Leiter der Messe, Sebastian Kober. 20 Gigabyte können nun pro Sekunde durch die Datenleitungen flitzen – ungefähr das Hundertfache eines normalen Privatanschlusses. 40 Techniker sind im Schichtdienst rund um die Uhr im Einsatz, damit bis Sonntagnachmittag alles reibungslos weiterläuft.

Die 2 000 Spieler kommen aus dem deutschsprachigen Raum und den Nachbarländern nach Leipzig, um Gleichgesinnte zu treffen. Bei ihrem Gaming-Marathon können die Zocker 56 Stunden am Stück durchspielen. Hart gesottene Dauerspieler bauen sogar kleine Zelte auf und rollen ihre Isomatten und Schlafsäcke aus. Auch ein paar mobile Duschen stehen für sie bereit.

Ihr Hobby ist längst mehr als nur eine Nische verrückter Nerds, sondern ein Massenphänomen. Der deutsche Markt für Computer- und Videospiele machte schon 2017 fast 3,5 Milliarden Euro Umsatz. Neben internationalen Konzernen entwickeln und vertreiben auch rund 520 deutsche Unternehmen mit 12 000 Mitarbeitern Computerspiele. Laut Branchenverband "Game" spielen bereits 34 Millionen Deutsche regelmäßig oder gelegentlich die elektronischen Spiele. Auch zum dreitägigen Gaming-Festival in Leipzig werden mindestens 20 000 Spieler und Besucher erwartet.

Robert Kamenka ist einer von ihnen. Im Hauptberuf arbeitet der 31-jährige IT-Experte bei einem Computer-Dienstleister in Leipzig. In seiner Freizeit aber spielt er seit fünf Jahren leidenschaftlich "League of Legends", ein Strategiespiel mit 141 verschiedenen Charakteren und Kultstatus: Es wird weltweit von 100 Millionen Menschen monatlich gespielt.

Robert Kamenka hatte sich am Freitag Urlaub genommen für die Dreamhack und 130 Euro für einen Platz mit ein paar angenehmen Extras gebucht. Um seinen Computer hat er Kaffeetasse und Kopfhörer zurechtgelegt, Lichterkette und eine Stofffigur der "League of Legends"-Magierin Lulu drapiert. Er trägt einen Hut des Spielcharakters Teemo, hinter ihm auf den dunklen Fliesen der Messehalle stehen ein gemachtes Feldbett, ein Kasten Wasser und ein Sandwichtoaster. Kamenka will bis Sonntag bleiben.

"Ich brauche diesen Ausgleich nach Feierabend wie andere die Gartenarbeit", sagt der junge Mann. Am liebsten spiele er in Teams 5 gegen 5. Er hat sogar eine Spielergemeinschaft mitgegründet, die "Clockwork-Orange Community" (https://clockwork-orange.co). Dort entstehen Kontakte und Freundschaften auch außerhalb des virtuellen Raums. Sie haben sogar 800 Euro Spenden für das Kinderhospiz Bärenherz gesammelt. Das Schöne an der Dreamhack sei, sagt Kamenka, dass man die anderen Gamer aus dem Netzwerk nach der Partie treffen kann. Deshalb ist er schon das dritte Mal dabei.

Doch auf der Messe geht es auch um Geld, viel Geld: Im offiziellen Turnierprogramm sind vier weltweit beliebte eSports-Titel vertreten. Dabei wird insgesamt um sechsstellige Siegprämien gespielt. Premiere feiert beispielsweise die neue Rocket-League-Reihe die "DreamHack Pro Circuit". Bei dem Match versuchen die Teilnehmer, einen Ball mit Rennautos ins gegnerische Tor zu bugsieren. Internationale Top-Teams und aufstrebende Amateure spielen um einen Preispool von 100 000 US-Dollar. Und auf den Event-Bühnen warten weitere Premieren. So findet erstmals ein nationales, mit 10 000 Euro dotiertes "CounterStrike: Global Offensive"-Turnier mit drei deutschen Top-Teams statt. Der noch junge eSport-Bund Deutschland (ESBD), der sich an die breite Basis der Amateure wendet, vergibt erstmals einen Vereinspokal in League of Legends.

Die Computerspiele werden auf große Leinwände projiziert und meist auch online live übertragen – Abertausende gucken zu. Weltweit werden mit den eSports-Preisgeldern bereits andere Sportarten wie Radrennen und Golf deutlich übertroffen. Schon 2017 stiegen die Erlöse aus Sponsoring und Werbung bei eSports laut der Beratungsagentur PricewaterhouseCoopers (Pwc) auf 557 Millionen Euro. Allein in Deutschland als wichtigstem eSports-Markt in Europa betrug der Gesamtumsatz laut PwC zuletzt 51 Millionen Euro.

Zuschauen durften dieses Jahr erstmals Besucher schon ab 12 Jahren. Die Halle 5, in der die eSports-Turniere stattfinden, ist in Bereiche mit Angeboten ab 12 Jahren und mit Inhalten ab 16 Jahren aufgeteilt. "Wir erfüllen unseren jüngeren Fans damit einen oft geäußerten Wunsch", sagt Stephanie Scholz, die Projektdirektorin der Dreamhack.

 

 

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Foto: Ronald Bonss

 

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