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Trumps Zölle: Sachsen wendet sich mehr Asien zu

Der sächsische Export hängt stark ab von zwei Märkten - den USA und China. Sachsens Regierungsspitze will nun in Taiwan, Japan und Singapur neue Handelspartner und Investoren gewinnen. Doch in der Heimat freut sich längst nicht mehr jeder über neue Industrie-Ansiedlungen.

Lesedauer: 4 Minuten

Nora Miethke

Michael Kretschmer feiert nächste Woche gleich zweimal den Tag der Deutschen Einheit – schon am Dienstag in Taipeh und dann nochmal am Freitag in Singapur. Der Freistaat richtet in Taiwan und Singapur die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit aus. Zwischendurch eröffnet Sachsens Ministerpräsident auch noch das sächsische Programm im Deutschen Pavillon auf der Expo in Osaka in Japan.

Seit der zehn Milliarden Euro teuren Ansiedlung des taiwanischen Chipgiganten TSMC in Dresden wird in Ostasien genau beobachtet und hinterfragt, warum sich der weltgrößte Auftragsfertiger von Mikrochips für Sachsen als ersten europäischen Standort entschieden hat. „Ein Momentum, was man nutzen sollte“, findet Andreas Sperl, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden. Er und Hauptgeschäftsführer Lukas Rohleder gehören zur Unternehmerdelegation, die Kretschmer und Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) nach Taiwan, Japan und Singapur begleiten.

Japan nimmt Europa stärker in den Fokus

Bislang hat der Freistaat den Asien-Pazifik-Raum als Absatzmarkt für sächsische Produkte im Vergleich zu anderen Regionen noch relativ wenig erschlossen. Nach Singapur exportierte Sachsen zum Beispiel im vergangenen Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von 324 Millionen Euro. Nach Japan haben die Exporte 2024 mit einem Gesamtwert von rund einer Milliarde Euro einen neuen Höchststand erreicht.

Exporte aus Japan, Taiwan und Singapur.
Exporte aus Japan, Taiwan und Singapur.
Quelle: Industrie- und Handelskammer Dresden

Für das Jahr 2025 zeichnet sich ein erneuter Bestwert ab: Im ersten Halbjahr lagen die Exporte schon um 30 Prozent über dem Vorjahresniveau. Bei Taiwan lag der Exportwert bei 1,6 Milliarden Euro. Alle drei Länder liegen außerhalb der Top-10-Auslandsmärkte von Sachsen. Und jetzt ist die Chance, dies zu ändern und zugleich die große Abhängigkeit der sächsischen Auto- und Maschinenbauer von den zwei Märkten USA und China zu verringern. Im Reich der Mitte sind deutsche Autos nicht mehr stark gefragt. Und die sächsischen Maschinenbauer leiden unter den Zollrestriktionen und der durch Trumps Handelskriege ausgelösten Investitionsangst.

Importe nach Japan, Taiwan und Singapur.
Importe nach Japan, Taiwan und Singapur.
Quelle: Industrie- und Handelskammer Dresden

In der IHK Dresden geht man jedenfalls davon aus, dass Japan angesichts der hohen US-Zölle auf japanische Produkte Europa stärker in den Fokus nehmen wird. Auch Taiwan, Südkorea und andere Staaten sind betroffen. Deshalb gehe es jetzt darum, einen Fuß in die Tür zu bekommen in Ostasien, um die Probleme mit dem US-Markt zum Teil ausgleichen zu können.

Ziel der Reise ist also die Exportförderung für sächsische Firmen, aber auch neue Kooperationen in den Schlüsselbranchen Halbleiterindustrie, Maschinenbau und Umwelttechnik anzubahnen. Dirk Panters Reiseagenda sieht Unternehmensbesuche beim IT-Konzern Fujitsu in Kawasaki und bei den Halbleiterzulieferern Ebara (Industriepumpen) und Tekscend Photomask (Photomasken) in Tokyo vor. Fujitsu ist Eigentümer des Unternehmens GK Software SE in Schöneck im Vogtlandkreis. Die Ebara Precision Machinery Europe GmbH und die Tekscend Photomask Germany GmbH sind in Dresden ansässig.

Dirk Panter war gerade erst auf der Halbleitermesse Semicon Taiwan im September und fliegt jetzt erneut mit einer Unternehmerdelegation nach Taiwan und Japan.
Dirk Panter war gerade erst auf der Halbleitermesse Semicon Taiwan im September und fliegt jetzt erneut mit einer Unternehmerdelegation nach Taiwan und Japan.
Quelle: Jan Woitas/dpa

„In Zeiten globaler Unsicherheit müssen wir die Verbindungen zu unseren Wertepartnern stärken und uns gemeinsam für Demokratie, offene Märkte und freien Handel einsetzen“, betont Panter am Samstag kurz vor der Abreise. Er will die Bühne der Weltausstellung EXPO nutzen, um für den Wirtschaftsstandort Sachsen weiter intensiv zu werben.

In Zeiten globaler Unsicherheit müssen wir die Verbindungen zu unseren Wertepartnern stärken und uns gemeinsam für Demokratie, offene Märke und freien Handel einsetzen.

Dirk Panter (SPD), Sächsischer Staatsminister für Wirtschaft und Energie

Mehr Tempo beim Ausbau der Metropolregion Dresden notwendig

In Asien wird aber auch aufmerksam verfolgt, wie Sachsen es schafft, die Folgen des Dresdner Chipbooms für die Region zu meistern. Nicht nur ESMC und Infineon bauen eine Chipfabrik, auch Globalfoundries wird ab kommendem Jahr ausbauen. Im Rathaus wird bis zum Jahr 2030 mit 25.000 bis 30.000 Neu-Dresdnerinnen und -Dresdnern gerechnet. Die damit verbundenen infrastrukturellen Herausforderungen wie den Ausbau der Verkehrsnetze, Wohnungsbau und Sicherstellung von Wasser- und Energieversorgung könne die Landeshauptstadt nicht allein bewältigen.

„Der interkommunalen Kooperation wird eine enorm große Bedeutung zukommen“, mahnt Sperl. Zu diesem Zweck wird das bislang informelle Verwaltungsnetzwerk „Erlebnisregion Dresden“ derzeit neu organisiert. Künftig wird es nur „Region Dresden“ heißen, kündigt der IHK-Präsident an. In einer Umfrage unter 100 Kommunen hätten sich 46 zur „Region Dresden“ bekannt, letztendlich werden aber nicht mehr als 20 bis 30 ihr angehören, heißt es.

IHK-Präsident Andreas Sperl sieht die Region Dresden vor großen infrastrukturellen Herausforderungen.
IHK-Präsident Andreas Sperl sieht die Region Dresden vor großen infrastrukturellen Herausforderungen.
Quelle: Sebastian Kahnert/dpa

Die IHK fordert mehr Tempo bei der Regionalentwicklung. Von einem Wohnungsbau-Boom sei weder in Dresden noch im Umland etwas zu spüren. Ein Grund dafür könnte im Planungsrecht liegen. Der Landesentwicklungsplan Sachsen soll zwar überarbeitet werden, doch mit dem neuen Regelwerk sei frühestens 2029 zu rechnen. Das sei zu spät angesichts des Tempos, das die Halbleiterindustrie beim Bau ihrer Fabrik an den Tag lege. Die Wirtschaftskammer schlägt deshalb eine „Überholspur“ für Gemeinden mit besonderem Handlungsbedarf vor. Sie sollten Beteiligungs- und Prüfprozesse verkürzen dürfen.

Kommunen sperren sich gegen neue Gewerbeflächen

Die Ausweisung neuer Gewerbeflächen für die Industrie entwickelt sich „zu einem echten strategischen Problem“. Allein TSMC wird 20 bis 30 Zuliefer- und Servicefirmen aus Asien nach sich ziehen, die alle Flächen benötigen und das möglichst mit kurzen Wegen zur ESMC-Fabrik. Doch es gibt keine. Die zwei Großprojekte von jeweils gut 140 Hektor am ehemaligen Flughafen Großenhain und der Industriepark Oberelbe seien festgefahren, beklagt Sperl. Für ganz Sachsen hätte die Landesregierung gerade mal zehn ähnliche Standorte lokalisiert und in der Hälfte der Fälle Absagen geerntet, „da man keine Ansiedlungen wolle, die die ländliche Idylle stören“. Sperl appelliert an die Kommunen, sich Neuansiedlungen zu öffnen und Gewerbeflächen freizugeben.

SZ

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