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TSMC in Dresden: „2025 müssen wir uns um die Zulieferer kümmern“

Von vier deutschen Chipfabrik-Projekten laufen zwei nach Plan, und das sind die in Dresden. Silicon Saxony-Clustermanager Frank Bösenberg zeigt auf, was die wichtigsten Aufgaben für das nächste Jahr sind, damit die Ansiedlung von TSMC ein Erfolg wird.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht Bagger.

Dresden. Spatenstiche für neue Fabriken in Sachsen gab es auch in diesem Jahr einige. Doch der spektakulärste war der für die 10-Milliarden-Chipfabrik von TSMC am 20. August in Dresden. Der taiwanische Konzern, der als weltgrößter Auftragsfertiger Chip-Designs auf Wafer überträgt, hat mit seinen europäischen Kunden Infineon, Bosch und NXP ein Gemeinschaftsunternehmen namens ESMC gegründet, um den Halbleiterbedarf für die Automobilindustrie zu decken. Zur Grundsteinlegung im Dresden Norden reisten nicht nur die Vorstandschefs der beteiligten Chiphersteller an, sondern auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Olaf Scholz. Denn die Hälfte der Investitionssumme, also fünf Milliarden Euro, zahlen die Steuerzahler als Subventionen. Am Tag des Spatenstichs hatte die EU-Kommission die Subventionen auf Basis des europäischen Chipgesetzes (EU Chips Act) genehmigt – als erstes von insgesamt vier beantragten Projekten in Deutschland. Der EU Chips Act erlaubt eine sehr großzügige Förderung der Halbleiterindustrie, um bis zum Jahr 2030 den Marktanteil aus europäischer Fertigung auf 20 Prozent zu verdoppeln.

20.08.2024, NA, Dresden: Maarten Dirkzwager (l-r) von NXP Semiconductors, Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), TSMC-Chef C.C. Wei, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), ESMC-Präsident Christian Koitzsch, Infineon-Chef Jochen Hanebeck und Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) stehen beim symbolischen ersten Spatenstich für das Chipwerk ESCM zusammen.

20.08.2024, NA, Dresden: Maarten Dirkzwager (l-r) von NXP Semiconductors, Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), TSMC-Chef C.C. Wei, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), ESMC-Präsident Christian Koitzsch, Infineon-Chef Jochen Hanebeck und Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) stehen beim symbolischen ersten Spatenstich für das Chipwerk ESCM zusammen.

Quelle: Jasmin Beisiegel/dpa

Vier Monate später werden von den vier EU-Chips-Projekten nur noch die beiden Dresdner verfolgt – der Bau der ESMC-Fabrik und der Fab4 von Infineon. Der deutsche Chiphersteller investiert fünf Milliarden Euro in die Fab4, eine Milliarde Euro kommt vom Staat. Die beiden US-Unternehmen Intel und Wolfspeed haben ihre Vorhaben in Magdeburg und im Saarland auf Eis gelegt.

Bei ESMC haben die Erdarbeiten nach eigenen Angaben wie geplant am 14. Oktober begonnen und schreiten dank des milden Wetters gut voran. Die Baugrube für die Fabrik sei bereits über die Hälfte ausgehoben, heißt es. Derzeit sind mehr als 100 Arbeiter auf der Baustelle beschäftigt. Im Frühjahr soll mit der Errichtung des Gebäudes begonnen werden. Auch das Team vor Ort wächst stetig weiter auf derzeit über 30 Mitarbeitende. Ein Drittel davon wurde durch TSMC von Taiwan nach Dresden geschickt. Insgesamt sollen in dem Werk 2.000 Arbeitsplätze entstehen. Um sie bis zum Ende der Hochlaufphase der Fabrik im Jahr 2029 auch besetzen zu können, wurde bereits mit den Ausbildungsprogrammen begonnen. Die ersten 30 Studierenden haben in diesem Jahr das Semiconductor Talent Incubation Program Taiwan (kurz „STIPT“) absolviert. Weitere 50 Studierende wurden von den sächsischen Hochschulen für das kommende Jahr schon nominiert. Und auch die Landesregierung ist in Sachen Arbeitskräftesicherung tätig. Der Freistaat will in Radeberg einen Ausbildungscampus Mikroelektronik errichten, auf dem ab 2028/2029 jährlich rund 1.000 Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen sollen.

100.000 Jobs in Sachsens Halbleiterbranche

Schon jetzt arbeiten in der sächsischen Halbleiterindustrie etwa 70.000 Menschen. In den nächsten sechs Jahren wird die Zahl der Arbeitsplätze nach Einschätzung des Branchenverbandes Silicon Saxony e.V. auf rund 100.000 steigen. Die Jobs entstehen nicht alle in den großen Chipfabriken, sondern im gesamten Ökosystem bei Zulieferern und Dienstleistern und in Forschungseinrichtungen. Auch TSMC hat seine wichtigsten Zulieferer aufgefordert, ihnen mit einigen Niederlassungen nach Europa zu folgen. „Wir müssen uns 2025/2026 verstärkt um die Ansiedlung der Zulieferer kümmern“, fordert Frank Bösenberg, Geschäftsführer von Silicon Saxony e.V. Er sieht es positiv, dass Dresden mit den umliegenden Kommunen in dem Verbund „Erlebnisregion Dresden“ endlich enger zusammenarbeitet. Aber es dürfe nicht ein halbes Jahr dauern, um die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen zu klären. Das müsse schneller gehen. „Es braucht so rasch wie möglich einen Masterplan für den Großraum Dresden“, so Bösenberg.

Mehr Zubringerflüge nach Frankfurt und München

In diesem Plan müsste der Infrastrukturbedarf für Gewerbeflächen, Bildung und Verkehr wie auch Wohnungsbau aufeinander abgestimmt werden und das für die nächsten 10 bis 15 Jahre. Der Branchenverband pocht auf eine Stärkung des Dresdner Flughafens. Eine direkte Flugverbindung von Dresden nach Taipeh brauche man nicht, aber ausreichend Zubringerflüge nach Frankfurt am Main, Zürich und München, fordert er. Auch mehr direkte Zugverbindungen an die Flughäfen in Berlin und Prag seien nötig.

Auf der Baustelle für die ESMC-Chipfabrik in Dresden sind derzeit 100 Arbeiter im Einsatz.

Auf der Baustelle für die ESMC-Chipfabrik in Dresden sind derzeit 100 Arbeiter im Einsatz.

Quelle: PR/ESMC

Sachsen hat keine Zeit zu verlieren, denn es gibt Konkurrenz. Tschechien bemüht sich sehr darum, dass die TSMC-Zulieferer sich bei ihnen ansiedeln. Bösenberg sieht darin allerdings kein Problem. „Wir haben die luxuriöse Situation, dass der Kuchen größer wird, und man guten Gewissens etwas abgeben kann“, sagt der Clustermanager. Er geht davon aus, dass einige Unternehmen ins Nachbarland ziehen werden, andere wiederum dichter an die Chipfabrik in Dresden. Aus Sicht des Branchennetzwerks ist das völlig in Ordnung. „Hauptsache, die Projekte werden international als Erfolg wahrgenommen“, so Bösenberg.

In Bezug auf Ansiedlung stehen wir sowohl mit Tschechien als auch mit allen anderen Regionen in einem Standortwettbewerb, wenn es um Investoren geht. – Thomas Horn, Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH

Auch Thomas Horn, Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH, sieht künftig neue Ansatzpunkte für Kooperationen mit Tschechien, beispielsweise in Bezug auf Chemikalien aus der Region Nordböhmen. „Aber in Bezug auf Ansiedlungen stehen wir sowohl mit Tschechien als auch mit allen anderen Regionen in der Welt in einem Standortwettbewerb, wenn es darum geht, Investoren zu gewinnen“, betont Horn.

Positiv bewertet Bösenberg auch den Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung von CDU und SPD im Hinblick auf die Mikroelektronik. Er ist erfreut über eine zugesagte „gewisse Kontinuität“ bei der Unterstützung der Branche wie auch über das vereinbarte Ziel, die Forschungs- und Entwicklungsfähigkeiten im Chip-Design und beim Advanced Packaging auszubauen. Das seien die richtigen Schritte. Noch nicht richtig klar sei, wie die im Koalitionsvertrag erwähnte „Steuerungsstruktur“ zur Koordinierung der Prozesse aussehen soll.

Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Hightech-Netzwerks Silicon Saxony e.V., spricht nun auch für Silicon Europe und will sich stärker für die Interessen kleinerer Halbleiterfirmen einsetzen.

Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Hightech-Netzwerks Silicon Saxony e.V., spricht nun auch für Silicon Europe und will sich stärker für die Interessen kleinerer Halbleiterfirmen einsetzen.

Quelle: Silicon Saxony/TOMMY HALFTER

Der sächsische Halbleiterstandort, schon jetzt der größte in Europa, wird weiterwachsen. Bis zum 10. Januar 2025 läuft die Antragsfrist für ein weiteres Zwei-Milliarden-Förderprogramm der Bundesregierung. „Wir rechnen fest mit Anträgen aus Sachsen“, sagt Bösenberg, seit Kurzem auch Vorsitzender von „Silicon Europe“, der Interessensvertretung kleinerer Unternehmen in der Halbleiterindustrie. In dieser neuen Position will er sich dafür einsetzen, dass die Ausschreibungen von Förderprogrammen künftig mittelstandsfreundlicher werden, damit nicht immer nur die Großen von den Subventionen profitieren. „Das ist eine Frist von sechs Wochen über Weihnachten und Neujahr für ein solch komplexes Antragsverfahren nicht“, kritisiert der Silicon Saxony-Chef.

SZ

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