Ulberndorf/Dippoldiswalde. Die Rotorblätter der Drohne beginnen sich zu drehen, abwechselnd blinken die Flügel rot und grün. Die Tragflächen biegen sich wie vor einem Flugzeugstart nach unten und oben. Langsam schwebt die Drohne in die Höhe, begleitet von einem lauten Geräusch, das durch die Rotorblätter erzeugt wird, vergleichbar mit einer Kettensäge. Im Inneren der Drohne lagern leere Reagenzgläser – in Zukunft sollen sie mit Blut gefüllt sein.
Über dem Himmel von Ulberndorf bei Dippoldiswalde hat das Dresdner Unternehmen German Copters DLS GmbH damit einen neuen Meilenstein erreicht. Denn ab diesem Monat fliegen täglich 50 Blutproben per Drohne von Ulberndorf nach Dresden ins Labor – sie werden zuvor mit dem Auto in 14 Arztpraxen um Dippoldiswalde, Altenberg und Glashütte eingesammelt.
Transport von Blutproben in ganz Sachsen geplant
Doch nicht nur in der Region Dresden sollen die Drohnen für die Medizin zum Einsatz kommen. René Micknaß, Geschäftsführer von German Copters, plant weitere Strecken zwischen Riesa und Oschatz, Bautzen und Görlitz. Er will so Labore und Kliniken enger zusammenbringen.
„Durch den Transport über den Luftweg können wir Staus oder Baustellen umfliegen und damit Transportzeiten um bis zu 60 Prozent verringern“, erklärt Micknaß. „Die Drohnen sparen Zeit und Personal.“ Der Transport per Drohne sei zurzeit zwar nicht günstiger, aber schneller, fügt Thomas Kirchner hinzu, Facharzt und Inhaber vom Medizinischen Labor Ostsachsen.

Quelle: SZ/Veit Hengst
Sein Labor wird die Proben künftig per Drohne erhalten. Wegen der gesperrten Carolabrücke in Dresden müsse sein Team täglich mehr Kilometer zurücklegen. In den Drohnen sieht er deshalb einen großen Gewinn für Ärzte und Patienten. Denn für bestimmte Untersuchungen müssen die Blutproben innerhalb von vier Stunden im Labor eintreffen. Bereits die Corona-Pandemie habe verdeutlicht, wie wichtig schnelle Ergebnisse sind, so der Facharzt.
Drohne braucht 12 Minuten ins Labor

Quelle: SZ/Veit Hengst
Die Drohne befindet sich nun 120 Meter über seinem Kopf, nur noch ein leises Rauschen ist zu hören. Von unten sieht sie aus wie ein großer Greifvogel, dabei überragt sie am Boden den Geschäftsführer deutlich. 2,40 Meter ist sie lang. Statt 40 Minuten mit dem Auto braucht sie 12 Minuten bis nach Dresden, dafür rast sie mit 120 Kilometern pro Stunde übers Land.
Durch den Transport über den Luftweg können wir Staus oder Baustellen umfliegen und damit Transportzeiten um bis zu 60 Prozent verringern. – René Micknaß, Geschäftsführer von German Copters
So ist sie auch jetzt schnell außer Sichtweite. Philip Büchler verfolgt ihren Weg auf dem Handydisplay. Er ist Routenaktivator beim Schweizer Start-up Jedsy. Es hat die Drohne konzipiert. Büchler zeigt, wie die Drohne als roter Punkt über eine Luftaufnahme von Sachsen fliegt. Sie darf nur in einem genehmigten Flugkorridor unterwegs sein. Verlässt sie diesen, muss sie notlanden.
Drohnenpilotin steuert von Kroatien aus
„Headwind – Gegenwind“, kommentiert Matea Zivkovic, mit der Büchler in engem Austausch steht. Die Drohnenpilotin sitzt in Kroatien und überwacht den Flug. Zwar kann die Drohne automatisch fliegen, nicht aber autonom. Ragt auf dem gewohnten Weg etwa plötzlich ein Kran in die Höhe, meldet das Gefährt einen Fehler. Dann muss die Pilotin mittels Kamera und Wetterdaten kontrollieren, ob die Drohne einen Bogen fliegen kann. Alles von Kroatien aus. Ein Grund, weshalb die Drohne auch Sim-Karten von drei verschiedenen Anbietern mit sich trägt, damit sie immer guten Empfang hat.
Das erklärt Christian Bredemeier, der Geschäftsführer von Jedsy. Das Start-up produziert sechs Drohnen pro Woche in dem ostafrikanischen Land Malawi. In der Schweiz werden sie dann final zusammengebaut. Neben Sachsen sind die Drohnen bereits in Malawi und Lichtenstein unterwegs, dazu in Hamburg. Das Unternehmen plant, in diesem Jahr 60 weitere Routen zu eröffnen, größtenteils in Deutschland. In Kriegs- oder Krisengebieten will Jedsy die Drohnen nicht einsetzen. „Dann geraten sie nur in falsche Hände.“
Eine Drohne kostet 75.000 Euro
Die Drohne ist beim Testflug nach sechs Minuten wieder zurückgekommen. Dabei hält der Akku zwei Stunden lang. Sollte dennoch etwas schiefgehen, könne sie jederzeit notlanden. 75.000 Euro kostet eine Drohne. German-Copters-Geschäftsführer Micknaß will die Transporte so günstig machen, dass sie nicht mehr als eine Taxifahrt kosten.
Am Boden klappt er den Deckel der Drohne auf. In ihrem Inneren kann sie eine Last von drei Kilogramm tragen. Sie selbst wiegt 19 Kilogramm und kann so selbst bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 70 Kilometern pro Stunde fliegen.
Aber Sturm und Regen stellen laut Micknaß kein Problem dar, vielmehr die Behörden in Sachsen. Sechs Jahre habe es im Freistaat bis zur Genehmigung gedauert. Zwischendurch hatte er es bereits in Baden-Württemberg versucht, wo die Behörden technologieoffener gewesen seien. Er hofft, dass die Genehmigungzeiten nun kürzer werden. Sein neues Ziel: Drohnen, die direkt bis ans Laborfenster fliegen.
SZ