Herr Horn, heute das Branchengespräch in Chemnitz, morgen der Spatenstich mit dem Investor und übermorgen die Messe in Dubai – beschreibt das in etwa das Aufgabenfeld der Wirtschaftsförderung Sachsen?
Ja, das trifft es ganz gut. Seit über 30 Jahren sind wir für den Wirtschaftsstandort und die sächsischen Unternehmen als Türöffner, Brückenbauer und Netzwerker in Sachsen, Deutschland und der Welt im Einsatz. Egal ob Ansiedlungen und Investitionsprojekte, Gemeinschaftsstände auf internationalen Messen, Unternehmerreisen oder Projektwerkstätten für die verschiedensten Branchen – die Palette ist überaus umfangreich und vielfältig.
Stichwort Messen: Wo sehen Sie da Potenzial für sächsische Unternehmen?
Das ist natürlich von Branche zu Branche sehr verschieden. Aber die Exportzahlen der letzten Jahre zeigen, dass Europa insgesamt ganz klar die wichtigste Zielregion ist. Im Ländervergleich sind China, die USA, Polen, Tschechien und Großbritannien die größten Absatzmärkte. Wichtig sind aber nicht nur die Exporte, sondern auch gut funktionierende Zulieferketten. Und dabei sind speziell unsere Nachbarländer Polen und Tschechien die wichtigsten Partner. Aber natürlich verändern sich die Märkte fortlaufend. Diese Marktentwicklungen sowie Branchen- und Technologietrends und Ergebnisse aus Unternehmensumfragen versuchen wir zusammen mit den Partnern der Außenwirtschaftsinitiative (AWIS) in unseren Angeboten wie Unternehmerreisen, Informationsveranstaltungen und natürlich dem jährlichen Landesmesseprogramm abzubilden.
Wo können sich Firmen im Rahmen des Landesmesseprogramms präsentieren und was bringt das?
Neben bewährten Terminen, wie der JEC in Paris oder der Arab Health in Dubai, sind in diesem Jahr beispielsweise die gamescom in Köln und die Semicon Japan in Tokio neu dabei. Die Beteiligung an einem Gemeinschaftsstand hat für die Unternehmen vor allem Zeit- und Kostenvorteile und ist mit einem geringeren Vorbereitungsaufwand verbunden, da die Organisation sowie messebegleitende Marketingmaßnahmen die WFS übernimmt. Die Aussteller profitieren zudem von der größeren Reichweite und Wahrnehmung eines solchen Gemeinschaftsstands in attraktiver Lage im Vergleich zum Auftritt als Einzelaussteller sowie auch von der „Anziehungskraft“ der Mitaussteller.
Nach Polen und Tschechien sind die Wege besonders kurz. Welche gemeinsamen Projekte sind hier entstanden?
Um das alles aufzuzählen, reicht dieses Interview nicht aus. Denn mit diesen Ländern ist die Zusammenarbeit so intensiv und vielfältig wie nirgendwo sonst. Ein gutes Beispiel ist das jährlich im November im Riesengebirge stattfindende Polnisch-Deutsch-Tschechische Kooperationsforum. Dieses Format gibt es schon seit 1994. Im vorigen Jahr waren in Karpacz beim inzwischen 30. Forum über 500 Teilnehmer aus allen drei Ländern bei dieser größten Kooperationsbörse im Dreiländereck.
Gibt es daneben auch neue Projekte?
Neu gestartet ist in diesem Jahr unser EU-Projekt „Glokalisierung: global denken, lokal handeln“. Unser zentraler Partner ist dabei die Deutsch-Tschechische Auslandshandelskammer in Prag, eingebunden sind auch die IHK Chemnitz, die IHK Dresden, die Wirtschaftskammer Karlovy Vary und der Unternehmerverband MAS Ceský Sever. Hier geht es u.a. darum, dass KMU im sächsisch-tschechischen Grenzraum noch mehr grenzüberschreitende Lieferketten aufbauen und entsprechend diversifizieren. Zentrale Maßnahme des Projekts ist ein Netzwerk-Tool, das als digitale Plattform die Unternehmen beim Vertrieb ihrer Produkte und Dienstleistungen, bei der Suche nach neuen Lieferanten und Kooperationspartnern sowie bei der Kontaktaufnahme mit F&E-Einrichtungen unterstützen soll.
Die WFS organisiert regelmäßig Unternehmerreisen. Warum sollten Firmen dieses Instrument nutzen?
Weil dies der beste und einfachste Weg ist, um neue Märkte kennenzulernen. Dabei profitieren die Teilnehmer von einem fachlich und organisatorisch kompakt vorbereiteten Programm sowie unserer langjährigen Expertise, die zusätzlich noch durch erfahrene Partner vor Ort ergänzt wird. Sie treffen direkt die relevanten Branchen- und Netzwerkpartner und haben die Gelegenheit, persönliche Kontakte zu knüpfen. Bei Delegationsreisen mit politischer Begleitung ist diese oft ein effektiver Türöffner für Gespräche mit wichtigen Entscheidungsträgern, die sonst nicht ohne weiteres zur Verfügung stünden. Natürlich bringt nicht jede Reise sofort einen Geschäftsabschluss, aber sie ist meist ein wichtiger erster Baustein auf dem Weg dorthin, wie uns Teilnehmer auch immer wieder bestätigen. Ein weiterer Aspekt, der selten im Fokus steht, aber auch einen großen Mehrwert bietet, ist die Vernetzung mit anderen sächsischen Teilnehmern.
Unterstützung für sächsische Unternehmen gibt es auch im Rahmen der Branchenarbeit. Wie läuft das genau?
Bei der Branchenarbeit liegt unser Fokus auf den sächsischen Kernbranchen, wie dem Maschinenbau, der Mikroelektronik, der Fahrzeugtechnik, Life Sciences sowie weiteren innovativen Zukunftstechnologien und -anwendungen, etwa der Automatisierung und Robotik, KI oder dem Wasserstoff. Wir versuchen hier im Rahmen verschiedener Formate und Projekte, den Technologietransfer zu begleiten und die Vernetzung der verschiedenen Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft für den sprichwörtlichen „Blick über den Tellerrand“ zu unterstützen. Eine große Rolle spielt dabei auch die branchenübergreifende Zusammenarbeit. Hier steckt aus unserer Sicht enormes Potenzial. Zumal immer mehr Unternehmen die Vorteile einer solchen Partnerschaft erkennen, um innovative Lösungen zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen. Genannt sei beispielsweise der Einsatz von Robotik und Automatisierung in der Gesundheitsbranche oder Landwirtschaft.
Die WFS kümmert sich auch darum, dass Investoren nach Sachsen kommen. Das prominenteste Beispiel war im vergangenen Jahr der taiwanische Chiphersteller TSMC, der in Dresden seine erste europäische Fabrik baut. Im August war der Spatenstich. Wie läuft das Projekt?
Die sächsische Staatsregierung, die zuständigen Behörden, die Stadt Dresden sowie wir als Wirtschaftsförderung Sachsen kooperieren eng mit dem Investor, damit alles nach Plan läuft. Der Spatenstich war der erste wichtige große Meilenstein. Dass dieser im August – also bereits gut ein Jahr nach der Bekanntgabe der Investitionsentscheidung – erfolgte, zeigt, dass wir hier in Sachsen solche Großprojekte termingerecht realisieren können.
Welche Erwartungen und Ziele sind mit dieser Ansiedlung verbunden?
Dieses Projekt wird große Ausstrahlung auf den gesamten Wirtschaftsstandort Sachsen haben, weit über Dresden hinaus. Deshalb arbeiten wir jetzt parallel zum Bau der Fab gemeinsam mit verschiedensten Partnern daran, die hier bestehenden sächsischen Wertschöpfungsketten zu stärken, weiterzuentwickeln und mit weiteren regionalen und internationalen Zulieferern und Dienstleistern systematisch auszubauen. Dabei ist das Wachstum der Region „Silicon Saxony“ eine Riesenchance für Zulieferer aller Größen und aller Art – von Materialien über Maschinen und Ausrüstungen bis hin zu Software und Dienstleistungen. Egal ob aus Deutschland, Europa, den USA oder Asien – die Tür steht weit offen für alle. Die WFS steht für entsprechende Anfragen als Ansprechpartner zur Verfügung. Gemeinsam mit der sächsischen Staatsregierung verfolgen wir zudem das Ziel, dass Sachsen der „Taiwan-Hub“ für taiwanische Unternehmen in Deutschland und Europa wird. Wir würden uns sehr freuen, wenn zahlreiche taiwanische Firmen sowohl aus der Mikroelektronik als auch aus anderen Branchen hier ihren neuen europäischen Standort aufbauen.
Das Thema Fachkräfte spielt in allen Branchen eine immer größere Rolle. Wie bringt sich die WFS da ein?
Dieses Thema ist eine der größten Herausforderungen für die weitere erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung. Das zu bewältigen wird neben der Hebung aller einheimischen Potentiale nur mit gezielter Gewinnung von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland gelingen. Die sächsische Staatsregierung hat dafür eine Fachkräftestrategie beschlossen und das SMWA hat uns beauftragt, unsere langjährigen außenwirtschaftlichen Kompetenzen und Erfahrungen auch bei der Gewinnung internationaler Fach- und Arbeitskräfte einzubringen. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe, die uns alle in den nächsten Jahren stark fordern wird und bei der wir natürlich auch eng mit vielen anderen Partnern hier in Sachsen und im Ausland zusammenarbeiten werden.
Gibt es schon erste Erfahrungen und mögliche Projekte?
Erste Projekte in Indien im März und in Usbekistan im Mai haben die dortigen Potenziale und auch die Wege gezeigt, wie man das voranbringen kann. Mitte August haben wir in einer Kick-off-Veranstaltung Vertretern von Branchennetzwerken und Recruitern das Team und die Angebote der WFS sowie die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit vorgestellt. Ein weiteres Pilotprojekt war dann Mitte September der Auftritt auf der Messe Pharmed & Healthcare in Vietnam. Im Oktober wollen wir in Mexiko erste Gespräche führen und im November ist ein einwöchiger Herbstcampus in Westsachsen geplant, um usbekische Schüler für eine Ausbildung in Sachsen zu begeistern. Dieses Projekt resultiert aus unserer Usbekistan-Reise im Mai dieses Jahres, wo wir erfolgreich erste Kontakte mit Schul- und Ausbildungseinrichtungen geknüpft haben.
Wirtschaftsförderung
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