Leipzig. Bei VW ist im Tarifstreit ein Kompromiss gefunden worden, der insbesondere für Sachsen harte Einschnitte mit sich bringt, wie Dirk Vogel vom sächsischen Netzwerk der Automobilzulieferer (AMZ) im Interview sagt.
Herr Vogel, die Einschnitte bei Volkswagen, auf die sich Unternehmen und die Gewerkschaft IG Metall geeinigt haben, gelten als historisch. Was bedeuten sie für Sachsen?
Nach Aussagen der IG Metall muss Zwickau die Produktion von ID-Modellen und des Cupra born von Seat an Wolfsburg abgeben. Ab 2027 wird dann nur noch auf einer Linie gefertigt. Damit sinkt die Kapazität des Werkes von geplanten 330.000 Fahrzeugen auf dauerhaft rund 165.000 bis 180.000 Fahrzeuge im Jahr. In welcher Größenordnung das zum Beschäftigungsabbau im Werk führt, wird sich zeigen.
Verlust von mindestens 1500 Jobs droht bis 2027
Bei den Zulieferern in der Region befürchte ich einen Personalabbau von mindestens 1500 Arbeitskräften bis 2027. Dabei bleibt es nicht, denn es ist ferner davon auszugehen, dass ein Teil der Zulieferer ihre Fertigung aus der Region abziehen und nach Tschechien oder Polen verlagern wird. Und das aus mehreren Gründen.
Weil die Rahmenbedingungen im osteuropäischen Ausland besser sind?
Ja, zu nennen sind etwa die günstigeren Personal- und Energiekosten. Für die meisten der Sequenzzulieferer, die bisher ans Band liefern, wird mit der Kapazitätsverringerung bei VW Zwickau die Fertigung vor Ort unrentabel. Für den Umstieg auf die E-Mobilität hat Volkswagen von den Zulieferern Investitionen in Fertigungsanlagen für 330.000 Fahrzeuge pro Jahr gefordert. Diese Anlagen werden nun nicht mehr benötigt. Die langfristige Re-Finanzierung dieser Investitionen, aber auch die Kosten der Unterhaltung der zu großen Hallen wird nicht mehr möglich sein. Die meisten Sequenzzulieferer sind ebenfalls Konzerntöchter und haben damit die gleiche Problematik wie Volkswagen. Die Verlagerung ins Ausland wird zu einem weiteren Personalabbau in der Region führen. Und auch dabei wird es nicht bleiben.

Was befürchten Sie weiter?
Die im Sparprogramm neu formulierte Beschäftigungssicherung bis 2030 wird dazu führen, dass VW Produktion ins Werk holt, die bisher bei Zulieferern erfolgte. In den vergangenen Jahren ist das bereits bei der Fertigung der Vorder- und Hinterachsen so geschehen. In der Folge werden Zulieferer schließen, weil sich für sie die Restfertigung dann nicht mehr rechnet. Diese Restfertigung wird ins nahe Ausland oder an andere Standorte, in der Regel außerhalb Sachsens, verlagert. Ein weiterer Arbeitsplatzabbau ist die Folge. Insgesamt sind die Auswirkungen verheerend.
Es ist nur eine Frage der Zeit in der aktuellen Transformation, dann steht Zwickau ganz ohne Fahrzeuge da. – Dirk Vogel, Geschäftsführer des Netzwerkes Automobilzulieferer Sachsen
Was bedeutet es, dass im Zwickauer Werk weiter elektrisch angetriebene Audi-Modelle gebaut werden?
Dass Zwickau gleich zwei Modellfamilien verliert, darf als massive Niederlage der Verhandlungsführer der Region verstanden werden. Der Standort wird damit ein reiner Audi-Standort. Das Problem ist, dass Audi ebenso ein Auslastungsproblem hat wie Volkswagen, wenn auch im Augenblick nicht so groß. Die Frage ist also, wann wird Audi den Q4 E-tron an seinen Stammsitz nach Ingolstadt holen, wie es VW gerade mit der ID-Familie macht? Es ist nur eine Frage der Zeit in der aktuellen Transformation, dann steht Zwickau ganz ohne Fahrzeuge da.
Sie machen die Transformation für das Dilemma verantwortlich?
Keineswegs. In Zwickau wurden früh die Weichen in Richtung Transformation gestellt. Nur will man jetzt vom „Vorreiter der E-Mobilität“, wie man im Konzern den ostdeutschen Standort lange bezeichnet hat, nicht mehr viel wissen. Das ist das Schicksal eines Konzernstandortes außerhalb Niedersachsens und Bayerns, eines Standortes im Osten. Die Ursache für all das ist die völlig vermasselte Transformation zur E-Mobilität durch die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung – einer Regierung, die sich nach wilden Ideen gerade aus dem Staub macht.
Kritik an Abschaffung der E-Auto-Kaufprämie und an Energiepreisen
Ihre Kritik zielt auf die abgeschaffte Kaufprämie für E-Fahrzeuge?
Diese hat anfangs zu einer hohen Auslastung in Zwickau geführt. Über Nacht wurde sie abgeschafft, was Gift war für die E-Mobilität und ganz besonders für ein Werk, das ausschließlich auf die Fertigung von E-Pkw umgebaut wurde. Hinzu kommen die hohen Energiepreise – auch eine Folge der Energiewende, denn die Regionen mit dem höchsten Ausbau an erneuerbaren Energien zahlen bisher die höchsten Energiepreise, da sie ja den Netzausbau regional finanzieren müssen. Änderungen sind im Gespräch, aber die kommen zu spät. Sachsen hat übrigens mit einer Investitionshilfe die Transformation im VW-Werk begleitet, ist an diesem Dilemma nicht schuld. Es zeigt sich allerdings, dass Konzerne eben zuerst an sich selbst denken. Die Region sollte dies künftig ebenfalls stärker tun.