Geht es nach Sachsens Handwerk, dann wird es keinen Mindestlohn für Lehrlinge geben. Gegen die Pläne der Bundesregierung, eine solche Untergrenze ab 2020 per Gesetz bundeseinheitlich zu regeln, hat der hiesige Handwerkstag jetzt deutliche Vorbehalte geltend gemacht. Ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungskraft von Betrieben in den Branchen und Regionen drohe er vor allem ausbildende Kleinunternehmer zu überfordern, sagte Präsident Roland Ermer in Dresden.
„Wir befürchten, dass durch eine wachsende Zahl nicht mehr ausbildungsfähiger Betriebe eine neue Abwanderungswelle junger Leute von Ost nach West ausgelöst wird“, so der Präsident der Dachorganisation von 56700 Betrieben im Freistaat mit mehr als 300000 Beschäftigten. Es dürfe „nicht zu einer Ost-West-Konfrontation auf dem Ausbildungsmarkt kommen“, warnt er und ergänzt: „Wir haben schon mal eine ganze Generation an den Westen verloren.“ Auch sei das Ganze ein Thema der Tarifpartner und nicht des Staats.
Der Handwerkstag sieht sich durch Ergebnisse einer Studie des Bonner Bundesinstitut für Berufsbildung bestätigt. Seinen Modellrechnungen zufolge dürften „Handwerksbetriebe, kleine Betriebe mit bis zu neun Beschäftigten und Betriebe in Ostdeutschland“ durch die zentral festgelegte Mindestausbildungsvergütung „besonders herausgefordert“ sein.
Auch ausbildende Kleinst- und Kleinunternehmen hätten Interesse, der Berufsbildung wieder zu mehr Attraktivität zu verhelfen, und sie seien nicht gegen angemessene Ausbildungsvergütung – „ausdrücklich kein Lohn“, wie Ermer betont. Dass auch knapp 30 Jahre nach dem Mauerfall die Entgelte auseinanderklaffen, sei der Produktivitätslücke zwischen West- und kleinteilig strukturierter Ost-Wirtschaft geschuldet. Sollte die Untergrenze kommen, erwartet Sachsens Handwerk eine steuerliche Begünstigung von Ausbildungsbetrieben – und zuerst ein Azubi-Ticket für den öffentlichen Verkehr.
Von Michael Rothe
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