In der Lausitz steht das Zusammengehen zweier Volksbanken bevor. Wie die Görlitzer Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien am Freitag mitteilte, beabsichtigt das Institut, mit der VR Bank Lausitz in Cottbus zu fusionieren.
Seit einem Jahr sprechen die Vorstände miteinander, im Dezember stimmten die Aufsichtsräte einstimmig zu, am Donnerstag wurden die Mitarbeiter informiert, im Juni sollen die Vertreterversammlungen schließlich das endgültige grüne Licht geben. Dann wäre das Zusammengehen rückwirkend zum 31. Dezember 2023 perfekt.
Die neue Volksbank Lausitz wird eine Bilanzsumme von 1,4 Milliarden Euro haben, 22 Geschäftsstellen, die sich von Görlitz bis zum südlichen Rand des Spreewalds erstrecken, und rund 200 Mitarbeiter. Der Sitz der gemeinsamen Bank wird in Cottbus sein, formal übernimmt die Görlitzer Bank das Cottbuser Kreditinstitut. Görlitz bleibt aber neben Cottbus gleichwertiger Verwaltungsstandort der gemeinsamen Bank, Mitarbeiter können dort arbeiten, wo es für sie am günstigsten ist.
Die Cottbuser Volksbank war 2003 durch eine Fusion entstanden. Die Görlitzer Volksbank Raiffeisenbank beabsichtigte zuletzt vor fünf Jahren, mit der Volksbank Löbau-Zittau zusammenzugehen. Doch scheiterte diese Verschmelzung dann doch noch während der Verhandlungen.
Nun, so sagt der Görlitzer Vorstand Sven Fiedler, seien beide Partner bereits weiter als damals, und obwohl die Cottbuser Bank von den Bilanzzahlen etwas größer ist als die Görlitzer geschieht das Zusammengehen auf Augenhöhe. Denn die beiden Institute seien sehr ähnlich: sie nutzen dasselbe Rechenzentrum, gehören demselben Volksbanken-verband an, haben dieselben Partner wie Versicherungen beispielsweise und müssen noch nicht mal die EDV verändern.
„Wir brauchen jeden Mitarbeiter“
Wie Fiedler und Ziemianski gegenüber der SZ erklären, ist es auch nicht Ziel der Fusion, Mitarbeiter abzubauen. Ganz im Gegenteil, der Fachkräftemangel hat auch das Bankengewerbe erreicht. „Wir brauchen jeden einzelnen Mitarbeiter“, sagt Ziemianski. Die Fusion soll vielmehr dazu führen, dass auch die Mitarbeiter größere Entwicklungs- und Aufstiegschancen erhalten, Arbeit besser und Zuständigkeiten auf mehr Schultern verteilt werden können, Angebote für Homeoffice bleiben erhalten.
Insgesamt soll der Verwaltungsaufwand pro Mitarbeiter zwar sinken, aber nicht dadurch, dass Stellen eingespart werden. Sven Fiedler will auch in der neuen Bank die Politik des Görlitzer Instituts fortführen, in die Attraktivität der Arbeitsplätze investieren. Die Hälfte der Auszeichnungen erhielt die Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien im vergangenen Jahr für genau diese Vorzüge.
Das Zusammengehen der beiden Banken ist vor allem von zwei anderen Trends getrieben, die aber teilweise miteinander zusammenhängen. Das eine sind die Anforderungen der Finanzaufsicht. Die Bank-Fachleute sprechen hier von „Regulierung“. Nach der Finanzkrise sind diese Anforderungen verschärft worden, damit Banken künftig nicht mehr pleitegehen in Europa und wenn doch, dann nicht der Staat für sie einspringen muss. So gibt es Vorschriften, wie viel Eigenkapital eine Bank für die Kredite vorhalten oder wie auch die Beratung der Kunden protokolliert werden muss.
Das bindet Personal und Geld, was für kleine Kredithäuser immer schwerer allein zu stemmen ist. Sie stoßen damit an Grenzen, benötigen bei großen Krediten Partner aus dem Volksbanken-Verbund, was wiederum die Entscheidungen verzögern kann. Und das zu einem Zeitpunkt, wo die Volksbanken sich durchaus zusätzliche Geschäfte von der Entwicklung in der Lausitz versprechen.
Energie-Genossenschaft für die ganze neue Bank
Schon bislang stellte die Görlitzer Bank fest, dass ihre Kunden aus dem Mittelstand oder Hauseigentümer kräftig investierten. Allein im vergangenen Jahr lag das Plus im Kreditgeschäft der Görlitzer Bank bei zwölf Prozent, auch die Kundeneinlagen stiegen. René Ziemianski ist deswegen zuversichtlich, dass sich die Lausitz in den kommenden Jahren auch durch die zusätzlichen öffentlichen Investitionen in die Forschung und in die Infrastruktur gut entwickeln wird. Eine leistungsfähigere Volksbank kann da für die Kunden von Vorteil sein.
Über Kreditwünsche könnte schneller und flexibler entschieden werden. Die Einführung von digitalen Produkten ist ebenso kostengünstiger bei einer größeren Zahl von Kunden. Und beide Banken weiten ihre jeweiligen Angebote auf das gesamte Geschäftsgebiet aus. So verfügt die Cottbuser Volksbank über eine Genossenschaft, deren Mitglieder an der Erzeugung Erneuerbarer Energien beteiligt werden. Die Görlitzer Bank wiederum hat vor drei Jahren eine Stiftung gegründet, um nachhaltige Projekte zu unterstützen.
Bank will von Lausitz-Identität profitieren und daran mitwirken
Jenseits aller unternehmerischen Entscheidung ist die Fusion aus Sicht der Vorstände auch gedanklich zuletzt durch die Strukturpolitik vorbereitet worden. In den vergangenen zwei, drei Jahren, so beobachtete es Sven Fiedler, hätte sich die Region viel stärker als Lausitz identifiziert. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die alternative Anbindung an Dresden eher auf einen Anschluss ohne große Gestaltungsmöglichkeit hinauslaufen würde. Die Volksbank Dresden-Bautzen hat eine Bilanzsumme von 2,6 Milliarden Euro, ist also fünfmal so groß wie das Görlitzer Haus. Auch unterscheiden sich die Interessen der eher ländlichen Lausitz von denen der Metropolregion Dresden. Und vielleicht entschließen sich zu einem späteren Zeitpunkt auch noch die Volksbanken Löbau-Zittau und Spree-Neiße, der neuen Bank beizutreten.
Zuletzt behalten auch alle vier Vorstände ihre Ämter. Nur Görlitz verliert den Sitz seiner einzigen Bank. Einbußen im städtischen Haushalt durch eine niedrigere Gewerbesteuer aber, so baut Sven Fiedler vor, soll es nicht geben. Denn an der Zahl der Mitarbeiter vor Ort – entscheidend auch für die Steuerberechnung – ändert sich nichts.