Elektroautos hätten eine schlechte Ökobilanz und würden den Klimaschutz nur wenig voranbringen. Der Grund sei die Batterie, für deren Produktion viel Energie benötigt wird. Wenn sie dann noch mit Kohlestrom geladen werden würde, wäre nichts gewonnen. So der Vorwurf, den sich Autobauer und Elektroauto-Enthusiasten oft anhören müssen. Volkswagen will das ändern. Elektromobilitätsvorstand Thomas Ulbrich kündigte am Donnerstag in Zwickau an, dass der Konzern mit dem ID. erstmals ein Fahrzeug auf den Markt bringen will, das bilanziell über die gesamte Liefer- und Fertigungskette CO2-neutral produziert wird. Gefertigt wird der ID. ab kommenden Jahr im Zwickauer Werk. „Ich garantiere den Kunden, die ein Fahrzeug aus Zwickau bekommen, dass sie am Tag der Übergabe ein CO2-neutrale Fahrzeug erhalten werden“, sagte Ulbrich, der auch Chef von VW Sachsen ist.
Umbau bei laufender Produktion
Im Herstellungsprozess soll die Entstehung von Kohlendioxid (CO2) so weit wie möglich vermieden oder reduziert und die nicht vermeidbaren Emissionen durch Klimaschutzmaßnahmen ausgeglichen werden. Die Maßnahmen umfassen auch die energieintensive Produktion von Batteriezellen. VW hat langfristige Lieferverträge unter anderem mit CATL, die in Thüringen ein Batteriezellenwerk bauen, SamsungAnzeige: Entdecke die Vielfalt von otto.de [powered by kontextR] und mit LG Chem geschlossen. LG Chem errichtet derzeit in Polen ein Werk. Sachsens Nachbarland setzt bekanntermaßen auf Braunkohlestrom. Doch dieses Problem ist gelöst. Sowohl LG Chem als auch die anderen Lieferanten hätten die Zusage gemacht, mit Lieferbeginn auf Ökostrom umzustellen. „Unsere Zellen werden aus Polen und Ungarn kommen – für die erste Zeit“, betonte Ulbrich. Das sei kein Problem, auch in Polen könne man grünen Strom beziehen. So laufe das VW-Werk in Poznan mit Ökostrom, sagte der Automanager. Ob Volkswagen sich an einer europäischen Batteriezellenproduktion beteiligen wird, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier an den Start bringen will, ließ er offen. Er bestätigte jedoch, in die Gespräche eingebunden zu sein. Noch hätten sich die Konsortien nicht zusammengefunden. Es sei durchaus möglich, dass über Gemeinschaftsunternehmen auch asiatische Firmen Einzug halten könnten. „Die Produktionswelt heutzutage ist so global und vernetzt, dass das denkbar wäre“, so Ulbrich.
Im Werk Zwickau wurde die externe Stromversorgung bereits 2017 auf 100 Prozent Ökostrom umgestellt. Verbleibende Emissionen aus einem eigenen Blockheizkraftwerk sollen ab Produktionsanlauf des ID. durch zertifizierte Klimaprojekte nach offiziell anerkannten Standards ausgeglichen werden. „Wir wollen mit unseren Elektroautos einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Entscheidend ist, dass E-Autos sowohl nachhaltig gebaut als auch genutzt werden“, betonte Ulbrich. Der ID. soll ein Vorbild in Sachen nachhaltige Mobilität sein, so das Ziel.
Der 1,2 Milliarden Euro teure Umbau des sächsischen Standorts zum größten E-Auto-Werk des Konzerns hat bereits begonnen. Dort sollen ab 2021 bei Vollauslastung 330 000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band laufen – mehr als an jedem anderen Standort. Für das erste volle Produktionsjahr 2020 kalkuliert Ulbrich mit 100 000 Fahrzeugen, die in Zwickau gebaut werden sollen. Was es bedeutet, im laufenden Betrieb auf die Fertigung von Elekroautos umzustellen, zeigte Ulbrich am Donnerstag bei einem Rundgang. Bis zum Produktionsstart des ID. im November 2019 wird die erste von zwei Fertigungslinien Schritt für Schritt umgebaut, während parallel auf der zweiten Linie noch die Verbrennermodelle Golf und Golf Variant vom Band laufen. Solch ein Umbau ist bislang einmalig in Europa. Die zweite Linie wird bis Ende 2020 nach dem gleichen Muster umgestellt. Die maximale Produktionskapazität steigt dann von heute 1 350 auf 1 500 Fahrzeuge pro Tag. Das soll ab 2021 erreicht werden.
Mitarbeiter werden fitgemacht
Die 7 700 Beschäftigten werden derzeit mit einer großen Weiterbildungsoffensive auf die neue Technologie vorbereitet. Alle durchlaufen Informationsveranstaltungen zur E-Mobilität. 3 000 Mitarbeiter absolvieren das Trainingscenter E-Mobilität, in dem sie detailliert auf die neuen Produktionsanforderungen geschult werden. 1 500 Mitarbeiter machen ihren Hochvoltführerschein. Künftig werden sie bei der Montage direkt am Fahrzeug mit intelligenten Industrie-4.0-Robotern zusammenarbeiten und fahrerlose Transportsysteme steuern, die Bauteile vollkommen autonom an die Montagelinie bringen. Insgesamt kommen 1 700 Roboter zum Einsatz. In der Montage werde sich der Mechanisierungsgrad verdreifachen. „Auch dann werden wir von einer menschenleeren Fabrik noch weit entfernt sein“, versicherte Ulbrich. Zwickau soll eine digitale, flexible, hocheffiziente Vorzeigefabrik werden. Dann bleibe die Beschäftigung weitgehend stabil, verspricht Ulbrich. Bis 2025 ist eine Beschäftigungsgarantie vertraglich vereinbart.
Von Nora Miethke
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