Straßenlaternen, die nebenbei den Feinstaub in der Luft messen. Eine Handy-App, die Joggern sagt, wann sie besser nicht vor die Tür gehen. Litfaßsäulen, die in U-Bahn-Stationen die Luft reinigen. Wenn man Holger Födisch nach seinen Plänen für die Zukunft fragt, sprudeln die Ideen nur so aus ihm heraus. „Manches wird sicher Blödsinn sein. Aber manches wird auch kommen.“ Und seine Firma Dr. Födisch Umweltmesstechnik aus Markranstädt bei Leipzig, die ihr Geld bisher vor allem mit Staubmessern für Kraftwerke, Müllverbrennungsanlagen und Industrie verdient, soll dann ganz vorne mitmischen.
Schon die Tatsache, dass es die Firma überhaupt gibt, ist den pfiffigen Ideen des Tüftlers an der Spitze verdanken. Denn das erste eigene Produkt, mit dem der Ingenieur 1992 auf den Markt kam, hatte er zu DDR-Zeiten selbst entwickelt – als Abfallprodukt seiner Doktorarbeit. Dabei ging es darin gar nicht um Staubmessgeräte – sondern um die Verbesserung von Elektrofiltern in Braunkohlekraftwerken. „Und dafür brauchte ich ein Staubmessgerät. Doch das gab es in der DDR nicht zu kaufen. Also hab ich selbst eins entwickelt.“
Als Födisch dann vier Jahre nach Abschluss der Doktorarbeit von der Treuhand den Betrieb in Markranstädt übernahm, holte er den Eigenbau aus Studienzeiten aus der Schublade – und brachte 1992 den Partikelflussmesser PFM 92 auf den Markt. „Damit fing alles an.“ Noch heute ist der triboelektrische Staubmesser das meistverkaufte Gerät der Firma. „Davon bauen wir 1000 Stück pro Jahr.“ Das aktuelle Modell, 2014 eingeführt, heißt PFM 14. Doch auch das Ur-Modell PFM 92 wird nach wie vor gebaut.
Umsatz macht die Firma aber inzwischen vor allem mit den deutlich anspruchsvolleren Staubkonzentrationsmessgeräten: Zwar wurden davon zuletzt nur 300 Stück pro Jahr verkauft – aber zu deutlich höheren Preisen. Während der Staubmesser PFM, der vor allem in Kraftwerks- und Fabrikschornsteinen Alarm schlägt, wenn der Filter ein Leck hat, schon für 1500 bis 2000 Euro zu haben ist, kosten die zwei Meter hohen Analyseschränke mehr als das Zehnfache. Das dritte Hauptprodukt sind inzwischen Gasanalysegeräte, die etwa in Chemiewerken zum Einsatz kommen. „Und produziert wird alles hier in Markranstädt.“
Dabei hatte Födisch 1991 von der Treuhand nicht viel mehr als ein paar marode Gebäude übernommen. Das Gebäude am Rande von Markranstädt war in den 1930ern als Schwelerei errichtet worden. In der DDR wurde daraus dann ein Versuchsstand des VEB Entstaubungstechnik. Hier wurden neue Filter für die Industrieschlote der DDR entwickelt, Prototypen gebaut und dann auch erprobt. Und bei genau diesem VEB hatte Födisch 1987 angeheuert. Zwei Jahre später wurde er dann 1989, noch kurz vor der Wende, Betriebsleiter in Markranstädt – mit gerade einmal 29 Jahren. Viele der damals 18 Mitarbeiter kannte der gebürtige Wolfener da bereits: 1981/82 war er als Student zum Praktikum hier gewesen. „Damals haben mich die Leute noch Bier holen geschickt – und jetzt war ich plötzlich ihr Chef.“ Krumm genommen habe er das aber niemandem.
Dann kam die Wende – und die Treuhand suchte einen Käufer für den Betrieb. „Doch diesen Schrotthaufen wollte niemand haben.“ Also entschied sich Födisch, den Betrieb zusammen mit drei Kollegen selbst zu kaufen – mit ihm als Mehrheitseigner. „Das war alles nur Schrott, keine Aufträge – und dafür sollten wir noch 300.000 D-Mark bezahlen. Völlig idiotisch.“ Doch es klappte. 1994 kam der erste Großauftrag. „Das war für uns der Durchbruch.“
Den einstigen „Schrotthaufen“ in Markranstädt hat Födisch längst in einen schmucken Vorzeigebetrieb verwandelt – mit Solarzellen auf den Dächern und eigener Sporthalle für die Mitarbeiter. 85 Mitarbeiter hat er allein in Markranstädt, zusammen mit allen Tochterfirmen sind es sogar über 200. Der Umsatz der Gruppe liegt inzwischen bei 35 Millionen Euro. „Und die Rendite ist außergewöhnlich gut.“
Der wichtigste Markt ist dabei längst China. Schon 2005 hatte Födisch in Hangzhou ein kleines Büro aufgemacht – das zunächst vor sich hin dümpelte. Bis 2015. Dann verordnete die Regierung in Peking eine schlagartige Reduzierung der Emissionen. „Da sind unsere Umsätze durch die Decke gegangen.“ Plötzliche suchten die Chinesen händeringend nach passender Staubmesstechnik. „Und wir hatten in China schon einen Fuß in der Tür.“ 2016 machte er dort schon 14 Millionen Euro Umsatz. „Das war de Hälfte unseres Jahresumsatzes.“
Und in Zukunft? Langfristig werde der Trend zu viel kleineren Messgeräten gehen, die immer und überall die Schadstoffe messen – und in Echtzeit abrufbereit halten. „Smart-City“, nennt das der Firmenchef – und zeigt stolz auf die beiden Straßenlaternen vor dem Hauptgebäude. Die spenden nicht nur Licht, sondern messen ganze nebenbei die Luftschadstoffe. „Das ist die Zukunft.“
Zum Beweis zückt Födisch sein Tablet. Zehn Messstellen hat er bereits auf eigene Kosten aufgestellt. „Bei mir zuhause sind die Werte aber gerade hoch“, sagte er erschrocken beim Blick aufs Tablet. „Da sollte man heute besser nicht rausgehen.“ Genau das würde er gern allen Bürgern als Service anbieten. „Wenn man das flächendeckend aufbaut, könnte jeder in Echtzeit sehen, wie bei ihm vor Ort die Schadstoffwerte sind. Und Behörden könnten gezielt warnen.“ Bisher gebe es zwar von den Kommunen noch keine große Nachfrage danach. Doch das werde sich ändern. „Und wir sind dann darauf vorbereitet.“
Von Frank Johannsen
Foto. Peter Endig