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Warum dicke Luft dumm macht

Das Leipziger Start-Up Corant hat ein Luft-Analysegerät entwickelt, das vor dem Müdewerden und vor Gesundheitsschäden warnt.

Lesedauer: 3 Minuten

Hier riecht es nach Arbeit. Das Spinlab, die Leipziger Innovationsschmiede, ist in einem alten Backsteinbau untergebracht. Die Maschinen sind weg, ihr Geruch ist geblieben. Hier ist auch das sechsköpfige Team der Corant GmbH zu Hause. Mit AirQ hat die Firma einen neuartigen Luftanalysator entwickelt. Der kann neben dem Sauerstoff-, Kohlendioxid- und Kohlenmonoxidgehalt auch Feinstäube, Stickoxide, Schwefeloxide messen, Ozon oder flüchtige organische Verbindungen wie Methan ebenso. 

Ein Dutzend Verbindungen lassen sich mithilfe des Sensors, der aussieht wie ein kleiner Lautsprecher, ermitteln. Er wird am besten im Regal oder auf dem Tisch platziert. „In Kopfhöhe eines Erwachsenen, dort ist schließlich auch die Luft, die wir einatmen“, sagt Mario Körösi, der Geschäftsführer der Corant GmbH.

Der Ideengeber für den Luftsensor ist Daniel Lehmann. Der promovierte Physiker lebt gerne bewusst, schaut bei dem, was er isst, genau hin, treibt regelmäßig Sport und will auch wissen, was er Tag für Tag so einatmet. Vergleichbare Produkte gibt es nicht, und so begann Lehmann mit der Entwicklung. 

Mit Sensoren kennt er sich aus. Bereits 2012 hat die Corant GmbH an Messinstrumenten gearbeitet, mit deren Hilfe Temperaturverläufe bei Schmelzprozessen in Stahlwerken erfasst werden können. Das auf dem Chemnitzer Campus begonnene Projekt ging weniger schnell voran als gedacht. Das lag zum einen an der Krise der Stahlbranche, ausgelöst durch die erstarkende asiatische Konkurrenz. Das lag aber auch an Problemen mit dem für die Sonden verwendeten Saphirglas, das einfach zu teuer in der Beschaffung war. Also wurde das Projekt vorerst auf Eis gelegt.

Der AirQ-Sensor funktioniert ähnlich wie ein Rauchmelder. Als solcher kann er auch genutzt werden, ohne jedoch eine offizielle Zulassung zu erhalten. „Unser Gerät braucht eine dauerhafte Stromversorgung und kann deshalb nicht an der Raumdecke angebracht werden. Das verlangt der Gesetzgeber aber für Rauchmelder “, erklärt Mario Körösi. 

Die Luft, die den AirQ durchströmt, wird kontinuierlich von einer Diode mit einem Infrarotlicht durchleuchtet. Ändert sich die Luftqualität, werfen die Schwebeteilchen und Moleküle einen Schatten. Bei einem Brandmelder würde dann Alarm ausgelöst. Bei dem AirQ zeigt der Graph in der dazugehörigen App einen Ausschlag. „Wir unterscheiden dabei drei verschiedene Korngrößen, bis zu einem, bis zu 2,4 und bis zu zehn Mikrometer“, erklärt Alexander Stinka, der Dritte im Team, der für die Software zuständig ist. Sie erst macht den AirQ zu einem neuen Produkt, das schlechte Luft nicht einfach nur anzeigt, sondern die schädlichen Bestandteile auch kategorisiert. Selbst leicht flüchtige Aerosole lassen sich so identifizieren.

Die Einsatzmöglichkeiten für die Geräte sind riesig. Da wären zum einen die vielen Büros, in denen – glaubt man den Messergebnissen des Start-ups – oft dicke Luft herrscht. Wenn zwei Leute in einem 25 Quadratmeter großen Raum arbeiten, verschlechtert sich ohne Frischluftzufuhr die Luftqualität binnen einer Stunde derart, dass die Leistungsfähigkeit um zehn bis 20 Prozent sinkt. „Es dürfte für Arbeitgeber interessant sein, die Luftqualität am Arbeitsplatz zu verbessern“, sagt Mario Körösi. Bisher spielt die Luft lediglich im Rahmen von Arbeitsschutzvorschriften in bestimmten Branchen eine große Rolle. Künftig soll das Thema aber auch Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements werden. „Wir sehen uns dabei als Pioniere“, so Körösi. Als dreifacher Vater weiß er aber auch, dass es oftmals im Kindergarten oder in Klassenräumen regelrecht stinkt, weil viel zu wenig gelüftet wird.

Frische Luft zeichnet sich durch einen Kohlenstoffdioxid-Gehalt von nicht viel mehr als 400 parts per Million(ppm) aus. Bei Messungen in Schulräumen ist dieser Wert auf über 2.500 ppm angestiegen. „Unter den Bedingungen ist Lernen nicht mehr möglich, ganz zu schweigen von einer soliden Leistung beispielsweise bei Abiturprüfungen“, sagt Mario Körösi. Die Luftqualität wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Hierzu hat das AirQ-Team eigene Luftqualitätsindizes für die Luftgesundheit und -leistungsfähigkeit festgelegt. Die Werte basieren auf Empfehlungen des Umweltbundesamtes, der WHO und verschiedenen Studien.

Das Team von Corant testet den AirQ deshalb derzeit in Schulen genauso wie in Unternehmen. Ein Gerät reicht aus, um eine Fläche von 30 bis 50 Quadratmetern zu überwachen. Aktuell liegt der geplante Verkaufspreis für Endkunden bei 400 Euro. Benötigt der Kunde keine Überwachung des Sauerstoff- und Kohlendioxid-Gehalts seiner Atmenluft, liegt der Preis bei 250 Euro. Alle derzeit verkauften Geräte werden in Handarbeit gefertigt. Das ist zeit- und kostenintensiv. Einen industriellen Partner für die Serienfertigung gibt es bereits. Wann dieser mit der Produktion starten kann, liegt an der Crowd. Auf mindestens 200 verbindliche Vorbestellungen für den AirQ hofft Mario Körösi bei der Crowdfunding-Aktion, die in den kommenden Tagen beginnen wird. Weitere 3.000 Voranfragen gibt es bereits. Das Interesse ist groß und das Vertrauen in das Produkt offenbar auch. So hat unter anderem der Technologiegründerfonds Sachsen einen sechsstelligen Betrag in das Unternehmen investiert.

Obwohl der AirQ schon jetzt viele begeistert, das Team will sein Produkt weiterentwickeln. Die von Alexander Stinka programmierte App soll nicht nur die Luftbestandteile anzeigen, sondern konkrete Tipps geben, wie die Qualität der Atemluft wieder verbessert werden kann. Eine Funktion erfüllt der AirQ allerdings eher zufällig. Er dient als Alarmanlage. „Wenn Sie im Urlaub sind und Ihnen die App plötzlich einen sprunghaften Anstieg der Kohlendioxidwerte anzeigt, können Sie sicher sein, dass jemand im Haus oder in der Wohnung ist“, so Mario Körösi. Die Sensoren sind sensibel, sensibler als viele Menschen.

Die Idee, mit Zimmerpflanzen die Luftqualität in Räumen zu verbessern, ist übrigens nicht ganz abwegig. Um allerdings messbare Effekte zu erzeugen, müsste man viele Büros in kleine Dschungel verwandeln. Das Öffnen des Fensters bringt schneller den gewünschten Effekt.

 

Von Ines Mallek-Klein

Foto: © Thomas Kretschel

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