Von Georg Moeritz
Dresden. Sachsens Baufirmen und Einzelhändler werden vorsichtiger: Diese Branchen streichen Arbeitsplätze. Die unsichere Wirtschaftslage bremse den Arbeitsmarkt, sagte am Dienstag in Chemnitz Klaus-Peter Hansen, Chef der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit. Zum Stand Mitte Juli sind nach Hansens Statistik 131.675 Menschen in Sachsen arbeitslos gemeldet. Das sind 13.149 mehr als ein Jahr zuvor. Allein innerhalb des vergangenen Monats stieg die Zahl der Arbeitslosen um 3.748.
Saison-Effekt: Große Ferien bremsen dieses Jahr zeitig
Hansen weiß aus Erfahrung, dass ein Teil dieses Anstiegs zu dieser Jahreszeit üblich ist. Auch bei guter Konjunktur werden in den Sommermonaten weniger Menschen eingestellt, schon weil auch Unternehmer und Personalchefs Urlaub machen. Zugleich laufen aber befristete Arbeitsverträge, Ausbildungen und Schulungen aus, sodass sich zum Beispiel manche Jugendliche vorübergehend arbeitslos melden.Im Juli haben sich mehr als 9.000 Sachsen arbeitslos gemeldet, die vorher beschäftigt waren, dazu rund 7.600 nach einer Aus- oder Weiterbildung. Zur gleichen Zeit fanden aber auch mehr als 7.100 arbeitslose Sachsen eine Stelle, und fast 5.000 begannen eine Schulung.Der „Ferienmodus“ traf Sachsen in diesem Jahr besonders früh und heftig. Die Zahl der Arbeitslosen ist nun 11,1 Prozent höher als vor einem Jahr. Kein anderes Bundesland meldete eine so starke Steigerung, Thüringen lag mit 10,5 Prozent Zuwachs auf Platz 2. Laut Arbeitsagentur lag es daran, dass Sachsen und Thüringen in diesem Jahr zeitig Ferien haben. Voriges Jahr hätten andere Bundesländer im Juli hohe Zahlen wegen früher Sommerferien gemeldet, dort „müsste sich das dann nächsten Monat durchschlagen“.
Ukrainer: Mehr als 7.500 haben jetzt Arbeit in Sachsen
Zunehmend können sich Ukrainer nach Abschluss ihrer Integrationskurse arbeitslos melden. Rund 11.700 zählen nun zu den Arbeitslosen in Sachsen. Auch ohne sie wäre die Zahl der Arbeitslosen gestiegen. Laut Arbeitsagentur stimmt es nicht, dass Sachsen mehr Geflüchtete aufgenommen hat als andere Regionen. Außerdem sind nicht alle erwerbslos: Seit Kriegsbeginn haben rund 5.000 Menschen aus der Ukraine in Sachsen eine Beschäftigung aufgenommen. Nach jüngsten Zahlen aus der Beschäftigungsstatistik vom Mai sind in Sachsen 6.300 Menschen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft sozialversichert beschäftigt, außerdem 1.300 in Minijobs.
Aussichten: Arbeitslosenquote in Sachsen über 6 Prozent
Behördenchef Hansen erwartet vorerst keine sinkenden Arbeitslosenzahlen. „Die Lage bleibt angespannt“, sagte er und verwies auf die Verunsicherung vieler Arbeitgeber. Bis Ende des Jahres werde die Arbeitsagentur „wenige positive Nachrichten“ zu verkünden haben, die Arbeitslosenquote in Sachsen werde über sechs Prozent bleiben. Im Juli stieg sie von 6,0 auf 6,2 Prozent. Mit Blick auf den Winter sagte Hansen, die „Unsicherheiten“ seien noch nicht abgewendet. Die allgemeine Wirtschaftslage schlage von Monat zu Monat stärker auf den Arbeitsmarkt durch. „Die Prognose bleibt kritisch“, sagte Hansen.
Beschäftigung: Einige Branchen mit Rekord
Von auffälligen Entlassungen in Sachsens Wirtschaft kann trotz der schwachen Konjunktur keine Rede sein. Die Beschäftigung ist weiterhin hoch. Die jüngste Statistik vom Mai zeigt sogar einen Rekord: 1.643.600 Menschen waren in Sachsen sozialversichert beschäftigt. Das waren noch einmal 1.900 mehr als ein Jahr zuvor. Die Beschäftigung stieg innerhalb eines Jahres beispielsweise in den Branchen Sozialwesen, Information und Kommunikation sowie Metall- und Elektroindustrie. Aber Handel, Zeitarbeit und Baugewerbe strichen in dieser Zeit Tausende Stellen.
Arbeits-Angebot: Fast 40.000 Stellen sind frei
In den Computern der Arbeitsagenturen und Jobcenter stehen rund 39.700 freie Stellen. Das ist viel, allerdings bemerkt Hansen seit Monaten einen Rückgang: „Wir hatten mal 46.000“. Im Juli meldeten sächsische Arbeitgeber rund 7.000 Stellenangebote, das liegt laut Hansen weit unter dem Durchschnitt. Kurzarbeitergeld erhielten nach jüngsten Zahlen im April etwa 9.000 Beschäftigte in Sachsen. Rund 400 Unternehmen zeigten von Mai bis Juli Kurzarbeit wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit an.
Deutschland-Zahlen: 2,6 Millionen Menschen ohne Arbeit
In Deutschland insgesamt ist die Arbeitslosenquote wie in Sachsen im Juli um 0,2 Prozentpunkte gestiegen. Die Quote 6,2 in Sachsen ist aber höher als der deutsche Durchschnitt 5,7 Prozent. In Deutschland insgesamt sind laut Bundesagentur-Chefin Andrea Nahles nun 2,617 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet.
Vorschläge aus Sachsen
Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) sagte in Dresden, das Bürgergeld ermögliche eine verbesserte Förderung von Weiterbildung und Qualifizierung. Er begrüße diese Neuausrichtung, denn der Fachkräftemangel nehme zu. Dulig sagte, der Bund müsse den Jobcentern ausreichend Geld für Weiterbildung und Umschulungen zur Verfügung stellen. Einem Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit müsse früh entgegengewirkt werden. Laut Statistik sind 46.674 Sachsen mehr als ein Jahr ohne Arbeit – das sind 1.765 mehr als vor einem Jahr, obwohl ein Teil der Langzeitarbeitslosen ins Rentenalter kam und nicht mehr mitzählt.
Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Sachsen, forderte politische Maßnahmen, die die Konjunktur stützen. Dazu gehöre auch ein Industriestrompreis, also verbilligte Energie für Fabriken mit hohem Bedarf. Kolbe forderte Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) auf, seinen Widerstand dagegen aufzugeben. Zudem sprach die Gewerkschafterin von „populistischem Getöse“ in CDU-Kreisen gegen das Bürgergeld. Stattdessen benötigten die Menschen einen starken Sozialstaat und eine Politik, die in die Zukunft investiert.