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Warum es in Sachsen keinen Bildungsurlaub gibt

Der sogenannte Bildungsurlaub ist in fast ganz Deutschland möglich - außer in Sachsen und Bayern. Tausende Unterschriften wollen das jetzt ändern. Doch was sagen die Gegner dazu?

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht Menschen im Park
Der Ruf nach Bildungsurlaub in Sachsen wird lauter. Doch die Gegner bleiben hartnäckig. © dpa

Von Luisa Zenker

Mehr als 37.000 Bürger und Bürgerinnen haben den Volksantrag bereits unterschrieben – sie fordern fünf bezahlte freie Tage im Jahr für die persönliche Weiterbildung. Ein Gesetz, dass es in fast allen anderen Bundesländern schon gibt. Doch CDU und Unternehmen bleiben kritisch.

Was fordert die Unterschriftenaktion?

Fünf Tage Bildungsurlaub für jeden Arbeitnehmer pro Jahr, das verlangt die aktuell laufende sächsische Unterschriftenaktion „Zeit für Sachsen“. Bedeutet, während die Beschäftigten eine selbst ausgesuchte Weiterbildung besuchen, wird der Lohn vom Arbeitgeber weitergezahlt. Nur für die Seminarkosten muss jeder selbst aufkommen. Die Beschäftigten können sich dann einen der vielen staatlich anerkannten Kurse aussuchen, darunter Sprachkurse in Madrid, Yogastunden gegen Stress oder Pogrammierseminare – alles ohne Extraurlaub einzureichen.

Was spricht gegen Bildungsurlaub in Sachsen?

Die Industrie- und Handelskammer Dresden (IHK) hält nicht viel von einem gesetzlich verpflichtenden Bildungsurlaub. „Das wäre nicht nur ein weiterer Eingriff in die unternehmerische Freiheit, es zöge auch weitere Bürokratie nach sich“, schreibt IHK-Sprecher Lars Fiehler, der die Interessen von 90.000 Unternehmen vertritt. Er nennt drei Kritikpunkte. Erstens, die kleinteilige Wirtschaft in Sachsen. 94 Prozent der sächsischen Unternehmen haben weniger als 10 Mitarbeiter. „Das bedeutet, ist ein Mitarbeiter krank, einer im Urlaub und einer nimmt Bildungsurlaub, fehlt schnell ein Drittel der Belegschaft.“ Andere Bundesländer haben deshalb eine Mitarbeitergrenze definiert. Das Gesetz gilt dann nur für Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern. Etwa 80 Prozent der sächsischen Beschäftigten arbeiten aber in größeren Betrieben.

„Weitere fünf Tage bezahlten Bildungsurlaub draufzusatteln, würde die angespannte Ertragssituation vieler Unternehmen weiter verschärfen“, nennt Fiehler als zweiten Kritikpunkt. „Es stellt sich außerdem die Frage, warum Sachsen ein Gesetz übernehmen sollte, welches nachweislich nicht geeignet scheint, die damit verbundenen Ziele zu erreichen“, so Fiehler. Denn das Gesetz gibt in einigen Bundesländern seit den 1970ern. Doch lediglich 3,5 Prozent der Berechtigten nutzen es. Der Freistaat sollte ihm zufolge an den bekannten Weiterbildungen festhalten.

Was erwidern die Befürworter?

Dass nur ein geringer Prozentanteil den Bildungsurlaub nutzt, macht Lara Körber vor allem an zwei Gründen fest: „Zum einen wissen viele nicht, dass es Bildungsurlaub überhaupt gibt. Zum anderen trauen viele sich nicht bei ihren Vorgesetzten, danach zu fragen.“ Deshalb hat sie 2020 die Aufklärungsplattform „Bildungsurlauber.de“ gegründet, dort werden Kurse aus allen Bundesländern aufgeführt – das macht mehr als 18.000 Seminare – von Fotokursen, über Demokratieunterricht bis hin zu Trainer-Ausbildungen.

„Vielen Menschen fehlt die Zeit für Weiterbildung – Bildungsurlaub schenkt nun Zeit per Gesetz, um selbstverantwortlich in sich zu investieren“, erklärt Lara Körber. „Deshalb führt Bildungsurlaub unter anderem dazu, dass Menschen weniger krank sind und motivierter zur Arbeit kommen. Viele nutzen ihren Bildungsurlaub auch zur Weiterbildung im Ehrenamt, davon profitieren wir als Gesellschaft.“ Um zudem kleinere Betriebe zu unterstützen, könnte ein Ausgleichsfonds geschaffen werden, schlägt Gerald Eisenblätter vor, er ist Landesvorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft Bildung. Auch die SPD unterstützt den Volksantrag.

Es gibt doch schon andere Weiterbildungen, warum braucht es noch den Bildungsurlaub?

Die Gründerin der Plattform Bildungsurlauber.de Lara Körber stimmt der IHK zu, dass es durchaus bereits gute Weiterbildungsmöglichkeiten gebe. „Bildungsurlaub erlaubt aber größere Freiheiten.“ Er sei eben nicht vom Arbeitgeber abhängig, sondern jeder könne selbst darüber entscheiden, welches Seminar er oder sie belegen möchte.

Gerald Eisenblätter (SPD) fügt hinzu: „Wichtig ist, dass die Menschen nicht mehr ihre Freizeit für ihre Qualifizierung opfern müssen – gerade wenn man sich für das Ehrenamt im Sportverein oder der Freiwilligen Feuerwehr fortbildet.“ Genau deshalb steht auch der Sportbund hinter dem Volksantrag. Die Grünen sehen es zudem als Standortnachteil im Wettbewerb um Fachkräfte, dass Sachsen keinen Bildungsurlaub hat, auch sie unterstützen die Unterschriftenaktion. Christin Melcher, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, sieht darin zudem die Möglichkeit, Schritt zu halten, mit Digitalisierung und Strukturwandel.

Warum gibt es in Sachsen keinen Bildungsurlaub?

„Der Schlüssel liegt bei den Konservativen“, sagt Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Sachsen. SPD, Linke und Grüne kämpfen bereits seit Jahren für den Bildungsurlaub, sind aber bisher am Widerstand der CDU gescheitert. Auch auf aktuelle Anfrage von Saechsische.de antwortet der handwerkspolitische Sprecher der CDU Kay Ritter: „Wir sehen keine Vorteile für Sachsens Mittelstand, Handwerker und Unternehmer, wenn Mitarbeiter fünf Tage pro Jahr fehlen.“ Er rechnet vor, dass 61 Millionen Arbeitsstunden ausbleiben würden, wenn allein ein Drittel der sächsischen Arbeitnehmer Bildungsurlaub nutzen würden. Gleichzeitig räumt Ritter ein, dass es einen Bedarf für eine staatlich reglementierte Bildungszeit gibt – und zwar bei ehrenamtlichen Trainern, Schiedsrichtern und der Freiwilligen Feuerwehr.

Wie reagieren die Unternehmen auf die Unterschriftenaktion?

In einer Umfrage von rund 1.700 sächsischen haben sich sieben Prozent für einen gesetzlichen Bildungsurlaub ausgesprochen, so die IHK. Die Stadtverwaltungen in Dresden und Leipzig bieten dagegen bereits Bildungsurlaub an. Auch Dax-Konzerne wie Siemens Energy erlauben ihren Angestellten in allen Bundesländern Extraurlaub für Weiterbildungen. „Weil sie verstanden haben, was die Beschäftigten zufrieden hält“, erklärt Lara Körber.

Nur was für Akademiker – wer geht auf Bildungsurlaub?

In den Nachbarbundesländern erfreut sich der Bildungsurlaub immer größerer Beliebtheit. Während zwischen 2004 und 2007 insgesamt nur 2.700 Personen in Sachsen-Anhalt den Bildungsurlaub nutzten, sind es aktuell 3.600 Teilnehmer pro Jahr, heißt es vom zuständigen Ministerium. Dort nimmt man wahr, dass mehr Frauen die Bildungszeit nutzen. Auch in Brandenburg waren zwei Drittel der Nutzer weiblich. In allen Bundesländern genießen Jung und Alt gleichermaßen die Bildungszeit, so Lara Körber, die Bildungsabschlüsse seien unterschiedlich. „Es wird am meisten von Beschäftigten im öffentlichen Dienst wahrgenommen“, ergänzt das Thüringer Ministerium. In allen drei Nachbarbundesländern werden die Unternehmen nicht bezuschusst, was sicherlich dazu beiträgt, dass etwa in Brandenburg die meisten Bildungsurlauber aus Unternehmen mit mehr als 99 Beschäftigten kommen.

Bis wann kann man den Volksantrag unterschreiben und was geschieht danach?

Die Unterschriftenaktion kann jeder Interessierte bis zum 6. Juni in ganz Sachsen unterschreiben. Jedoch ist die Teilnahme nur mit Stift und Papier möglich. Kommen 40.000 Unterschriften zusammen, wird der Antrag beim Landtagspräsidenten eingereicht. Danach stimmen die Abgeordneten im Parlament darüber ab. Wo man unterschreiben kann, ist hier aufgelistet: www.zeit-fuer-sachsen.de

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