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Warum in Dresden bald auch Billigflieger starten

Götz Ahmelmann will an den Flughäfen Dresden und Leipzig für frischen Aufwind sorgen. Im Interview verrät der neue Airport-Chef seine Ziele.

Lesedauer: 6 Minuten

Herr Ahmelmann, in der nächsten Woche sind Sie ein halbes Jahr Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG, zu der auch die Airports in Dresden und Leipzig gehören. Wie war die „Probezeit“?

Eine Probezeit hatte ich nicht wirklich.

Gab es Tage, in denen Sie sich fragten, „Junge, was hast du dir da angetan“?

Nicht eine Sekunde, ich fühle mich pudelwohl. Ich freue mich jeden Tag aufs Neue auf diese vielseitige Aufgabe. Es gibt unheimlich viel Entwicklungspotenzial.

So kann man es auch nennen, wenn zuvor nicht viel zusammengelaufen ist und die Passagierzahlen stagnieren.

Ich sehe die Dinge, die wir in Zukunft machen können. Die Mannschaft ist begeisterungsfähig und stolz auf ihre Flughäfen.

Sie sind als Ex-Manager für Lufthansa und zuletzt für Air Berlin im Herbst auf die andere Seite gewechselt. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Ich war bei der Lufthansa ja mal verantwortlich für die Schnittstelle zu Fraport, dem Betreiber des Frankfurter Airports. Daher wusste ich in etwa, wie Flughäfen ticken. Nur die öffentliche Aufmerksamkeit ist noch einen Tick stärker, als erwartet.

Waren Sie sauer, dass Sie nur mit halboffenen Armen empfangen wurden?

Wie kommen Sie darauf?

Beim Votum des Aufsichtsrats gab’s ein Patt. Nur die doppelte Stimme des Vorsitzenden hat Ihnen den Job gesichert.

Ich habe davon nicht abgeleitet, ob ich willkommen bin. Ich wurde in Leipzig und Dresden mit großer Unterstützung empfangen – von der Politik und der Wirtschaft. Es war kein Thema.

Hatten Sie schon Erfolgserlebnisse?

Ich bin besonders stolz, dass wir in Dresden für touristische Ziele, die von der Germania-Pleite betroffen waren, in kürzester Zeit Ersatz beschaffen konnten. In nur 72 Stunden hatten wir mit Sundair einen neuen Partner an Bord. Kurz darauf folgten mit Corendon und Lauda weitere Airlines, welche die fünf, sechs wichtigsten Strecken abdecken. Das war eine tolle Leistung und die zeigt, wo wir hin wollen.

Wohin denn?

Wir wollen schneller werden und das Geschäft entwickeln.

Der Dresdner Flughafen hat eine hohe Priorität in der Landesregierung. Gibt es für Sie Zielvorgaben im Vertrag?

Die Vorgabe lautet: lebendiger, attraktiver, effizienter. Das heißt, den Verkehr zu entwickeln, die Airports als Aushängeschilder und Eingangstore für Gäste zu verschönern, interne Prozesse zu beschleunigen, Kooperationen zu verstärken sowie kostengünstiger zu arbeiten. Ich habe von den Eignern – die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie die Städte Dresden, Leipzig, Halle – das klare Commitment: Wir wollen beide Flughäfen erhalten, sie weiterentwickeln. Leg los, und mach das Beste daraus!

Es gibt immer mal – nicht zuletzt in Wahljahren – die Frage, ob Sachsen tatsächlich zwei Flughäfen braucht.

Für mich stellt sich diese Frage nicht mal theoretisch. Der Wegfall von Germania und die Tatsache, dass sofort Airlines einsprangen, zeigt, dass es Nachfrage und Bedarf für beide gibt. Leipzig-Halle ist der zweitgrößte deutsche Frachtflughafen, und in Dresden landet von der Cessna bis zum A380 alles. Wir werden bei aller Kooperation auch immer den besonderen Charakter beider Standorte erhalten. Es geht dabei aber definitiv nicht um Abbau.

Wie passt da die für 2022 angekündigte Fernsteuerung des Dresdner Airports durch Lotsen der Deutschen Flugsicherung in Leipzig?

Fernsteuerung klingt nach Fremdbestimmung. Aber perspektivisch führt das sicher dazu, dass die Kosten sinken und der Flugverkehr weiterentwickelt wird. Ich habe da keine Bedenken. Für mich ist es eine Chance, den Flugverkehr effizienter zu machen.

In Saarbrücken fällt ein baufälliger Tower weg. Der in Dresden ist aber keine 15 Jahre alt. was passiert mit ihm?

Noch ist ja etwas Zeit. Uns fällt bestimmt etwas Spannendes ein.

Spannend klingt auch, was Sundair mit seinen vier Flugzeugen in Dresden vor hat. Wie viel Potenzial steckt tatsächlich im neuen Hoffnungsträger?

Die Airline ist eine sehr solide Gesellschaft. Sie wird stark unterstützt von Schauinsland-Reisen. Wir freuen uns sehr, dass Sundair nicht nur den Sommer abdeckt, sondern im Winter auch auf die Kanaren fliegt, die sonst im Flugplan gefehlt hätten.

Dresden ist ein gebranntes Kind. Viele gefeierte Heilsbringer sind vom Himmel verschwunden: Cirrus, Bonair, OLT Express, Air Berlin, zuletzt Germania.

Sundair hat zum Glück nicht die Fantasie, in kürzester Zeit die Flotte zu verdoppeln oder Ähnliches. Sie gehen mit Augenmaß ran. Das bestärkt mich in der Hoffnung, dass es Hand und Fuß hat – und anhält.

Das Loch durch die Germania-Pleite wird zwar kleiner, aber es bleibt.

Natürlich. Germania hatte in Dresden drei Maschinen stationiert. Dort haben vier, fünf Strecken 80 Prozent der Passagierzahlen ausgemacht: Mallorca, Hurghada, die griechischen Inseln, die Kanaren. Sie haben wir zurück. An anderen Zielen wie Faro in Portugal müssen wir noch arbeiten.

Wie wollen Sie weitere Airlines in Dresden gewinnen – und vor allem halten?

Wir müssen den Newcomern zeigen, dass das hier ein guter Markt ist, dass die Menschen ihr Produkt annehmen und die Bodencrew in Klotzsche die beste der Welt ist. Wir unterstützen sie beim Einstieg und rühren die Werbetrommel.

Mehr nicht?

Nicht mehr und nicht weniger. Subvention ist verboten. Geld spielt keine Rolle, es braucht andere Argumente. Dresden und Leipzig zählen zu den Top-10 der Kurzreiseziele in Deutschland. Dresden ist ein hervorragender innovativer Wirtschaftsstandort – auch der Luft- und Raumfahrt rund um Elbe Flugzeugwerke und IMA. Das müssen wir den Airlines vermitteln, sie holen und halten. Das schaffen wir aber nur, wenn jene, die über vermeintlich schlechte Anbindung meckern, auch selbst fliegen.

Das ist wie mit der Henne und dem Ei: Was braucht es zuerst? Wer in Dresden abheben will, muss viel mehr bezahlen als Passagiere in Hamburg, Frankfurt oder München zu gleichen Zielen.

Natürlich braucht es attraktive Angebote, und das erreicht man durch mehrere Anbieter. Wir sagen nicht Henne oder Ei, sondern wollen es gleichzeitig lösen. Dresden und Leipzig sind die meistunterschätzten Flughäfen. Wenn ich sehe, was sich bei Bevölkerungsentwicklung, Unternehmensansiedlungen und Arbeitslosigkeit getan hat, dann ist dort unheimlich viel passiert. Das wollen wir den Airlines vermitteln und gleichzeitig Leute zu den Flughäfen holen.

Wie jüngst in Berlin mit Ihrer umstrittenen Werbekampagne „Fliegen ohne wenn und aBER“?

Die Kampagne zielte auf den unfertigen Hauptstadtflughafen, war aber mit einem Augenzwinkern gemeint. Wir haben hochattraktive Flughäfen, wo man schnell von Bahn- und Bordsteigkante zur Maschine kommt und stressfrei fliegen kann. Die Botschaft sollte bei den Berlinern ankommen, von denen schon heute welche in Leipzig und Dresden abheben. Der Zeitverlust durch die Anfahrt ist durch die kurzen Wege im Terminal schnell aufgeholt.

Sind Dresden und Leipzig gerüstet, falls der BER im Herbst 2020 eröffnet wird?

Ich glaube gar nicht, dass sich für uns so viel ändern wird. Wenn der BER aufmacht, wird er bereits überlastet sein, und wir sind das Überlaufbecken. Wir werden weiter mit unseren Vorteilen werben, auch in Polen und Tschechien und beispielsweise mit Busunternehmen sprechen, die Reisende von dort nach Dresden bringen könnten. Denkbar sind Gemeinschaftsaktionen mit Tourismusagenturen in den Niederlanden, in Russland, Skandinavien und Italien. Wir können noch lauter trommeln, was wir hier haben. Da waren wir bisher bei der Selbstvermarktung zu bescheiden.

Dresden hatte 2018 weniger Passagiere als 2000. Und dieses Jahr hinkt der Airport weitere fast sieben Prozent hinterher. Haben Sie nicht Sorge, schon zum Auftakt massiv unter Druck zu geraten?

Wir setzen uns selbst unter Druck. Wir wollen die Flughäfen lebendiger, attraktiver, effizienter machen. Gerade das Lebendiger steht im Vordergrund. Wir wollen unsere Infrastruktur auslasten und nicht die Infrastruktur dem Verkehr anpassen. Sicher wird es kein leichtes Jahr werden, nicht nur für uns. In der gesamten Branche ist eine Konsolidierung zu beobachten.

Bislang dominiert in Leipzig der Charter- und in Dresden der Linienverkehr. Wollen Sie daran etwas ändern?

Darauf hat der Konzern kaum Einfluss. Wir bieten beides im Paket an, und die Airlines entscheiden eigenständig – mal so und mal anders. Leipzig entwickelt sich gut im Touristikgeschäft, Dresden ist traditionell stark bei Geschäftsreisenden. Wir wollen dort neben dem Liniengeschäft die Ansiedlung von Firmen der Luft- und Raumfahrt befördern, auch durch gezieltes Grundstücksangebot für innovative Unternehmen.

Wann wird die Anzeigetafel in Dresden nicht mehr ausreichen, um alle Flüge eines Tages unterzubringen?

Wir werden nicht die Größe der Anzeige an den Verkehr anpassen, sondern umgekehrt. Ja wir haben Ziele. Aber für mich ist nicht nur die Menge relevant.

Dresden nennt sich seit 2008 „International“ und hat mit Moskau, Basel, Zürich, Amsterdam noch vier Städteziele.

Wir wollen vor allem zu großen europäischen Metropolen wie London, Paris, Brüssel, Mailand oder Rom umsteigefreie Direktverbindungen haben. Da ist sowohl in Dresden als auch in Leipzig viel Potenzial.

Wie wollen Sie das heben?

Zum einen sprechen wir Netzwerke-Airlines an, die Umsteigeverbindungen in die Welt anbieten. Mit der Lufthansa-Gruppe, KLM, Aeroflot, Turkish Airlines haben wir bereits einen guten Zugang. Wenn man mehr Direktflüge in Europas Metropolen will, muss man mit Lowcostern reden, und das wollen wir.

Das ist ein neuer Zungenschlag in der Strategie für Dresden. Dort gelten Ryanair & Co wegen angeblich unverschämter Forderungen bislang als tabu.

Gerade haben wir die Strecke Dresden-London ankündigen können, die Ryanair ab Oktober dreimal wöchentlich anbietet. Bereits ab Sommer haben wir mit der ungarischen Wizz Air eine Verbindung Leipzig/Halle–Kiew etabliert. Ab Juni startet zudem Lauda ab Dresden täglich nach Palma de Mallorca, und wir reden weiter mit jedem, zu uns zu kommen.

War es ein Fehler des bisherigen Managements, Billigflieger auszublenden?

Es steht mir nicht zu, die Arbeit der Vergangenheit zu bewerten. Fakt ist: Der Tourismus ist der Wachstumssektor. Wenn wir Verkehr ranholen wollen, dann müssen wir dort mitmischen.

An diesem Mittwoch öffnet der neue Duty-free-Shop im Dresdner Terminal.

Auf den bin ich stolz, denn es ist kein Laden von der Stange, sondern einer mit Lokalkolorit und vielen sächsischen Produkten.

Auch ein Signal nach draußen?

Klar. Wir fühlen uns als Teil der Region und nicht als einer von vielen Airports. Ich spüre seitens der Politik, der Unternehmen, Kammern, Verbände und des Tourismusmarketings viel Unterstützung – aber auch eine große Erwartungshaltung. Wir werden es nur gemeinsam schaffen, jeder muss sich als ein Teil der Infrastruktur begreifen. Wir werden unsere Hausaufgaben machen und Airlines herholen. Es braucht aber die Anstrengung aller, dass dann auch genügend Menschen in den Fliegern sitzen.

 

Das Gespräch führte Michael Rothe.

Foto: ©  Ronald Bonß

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