Er wollte mit dem Auto anreisen. Doch dann entschied sich Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl doch für den Flieger, hat er doch fast auf den Tag genau vor 50 Jahren seinen ersten Flug als Pilot über Nürnberg absolviert. „Es ist eine gewerbliche Landung mehr für den Airport“, sagt der 71-Jährige. Die kann der Dresdner Flughafen gut gebrauchen, der nach der Germania-Pleite längst noch nicht wieder alle altbekannten Urlaubsziele ansteuern kann. Vor allem für die Kanaren wird noch ein Charter gesucht.
Hans Rudolf Wöhrl war eigentlich gekommen, um sein Buch „Wie meine Träume fliegen lernten“ vorzustellen. Das ist 2017 erschienen und in den zurückliegenden Monaten ist viel passiert in der Luftfahrt weltweit. Viele der gut 70 Gäste wollten von dem Luftfahrtexperten deshalb wissen, wie er die Zukunft des Dresdner Flughafens beurteilt. Wöhrl, der sich im Streit mit dem Bruder vor 15 Jahren aus der gleichnamigen Modekette zurückgezogen hat, sieht Dresden auf dem richtigen Weg. Der Flughafen sei, anders als Leipzig, für Linienflüge und damit Businesskunden interessant. Die Anbindung an das Drehkreuz London, die ab dem Winterflugplan durch Ryanair kommen wird, sei ein wichtiger Schritt. Weiteres Ziel müssten sein, regelmäßige Verbindungen nach Paris und Mailand zu attraktiven Konditionen aufzubauen. Auch der neu eröffnete Mega-Airport in Istanbul sollte zeitnah von Dresden angesteuert werden, um die Auslastung zu steigern, so Wöhrl. Die Chancen stehen gut, denn das Wichtigste für die Passagiere sei nicht die Größe des Flugzeugs, sondern die Zeitersparnis durch das Fliegen.
Insgesamt sieht Wöhrl die Entwicklung der Luftfahrtbranche aber kritisch. 1974, als er die regionale Fluggesellschaft Nürnberger Flugdienst gründete, war es erklärtes Ziel, die Markmacht von Lufthansa zu brechen. Hans Rudolf Wöhrl gelang das mit Linienflügen zwischen Nürnberg und Paris in kleinen Maschinen. „Wir konnten damals wirtschaftlich arbeiten, auch dank der Tarife, die Lufthansa ausgehandelt hatte.“, so Wöhrl. Die Airline mit dem Kranich, von Wöhrl „Lufti“ genannt, zählt heute noch zu seinen Hauptgegnern, zumal sie nach der Pleite von Air Berlin und Germania als der Gewinner dasteht, hat sie doch Flugzeuge und lukrative Streckenverbindungen übernehmen können. „Die Monopolisten sind zurück“, so Wöhrl. Und der Verlierer ist aus seiner Sicht der Kunde , der sich mittelfristig auf steigende Preise und weniger Service einstellen muss.
Meetingverbot für das Bodenpersonal
Das nicht alle Sparmaßnahmen erfolgreich sind, hat Wöhrl selbst erlebt. Mit der DBA, einer deutschen Tochter von British Airways, hat er 2003 eine hochdefizitäre Fluggesellschaft übernommen. Wöhrl kaufte sie für einen Euro. Den musste er sich bei der Dolmetscherin auch noch leihen, als es vor dem Schweizer Notar zu Unterschrift kam. „Ich hatte nur einen Zehn-Euroschein dabei“, erinnert sich Wöhrl. Er optimierte das Streckennetz und unterbot die Lufthansa im höchsten Tarif um die Hälfte. Das machte die DBA attraktiv, vor allem für Geschäftsreisende. Sie freuten sich über das Zeitschriftenangebot, das sich Wöhrl von den Verlagen bezahlen ließ. Er rechnete den Bordverkauf nach und stellte fest. Er ist wegen ,des hohen Abrechnungsaufwandes deutlich teuer, als der früher üblich Service mit Freigetränken und kleinen Mahlzeiten. Für das Bodenpersonal sprach Wöhrl ein Meetingverbot aus. Er sammelte die Schlüssel aller Meetingräume ein und verwahrte sie in seinem Schreibtisch. Die Zahl der Konferenzen ging fortan gegen Null.
So schnell und effizient gelang Wöhrl der Umbau der LTU, die er ein Jahr später übernahm, nicht. Beide Fluggesellschaften wurden 2006 an Air Berlin verkauft und brachten Wöhrl den Ruf eines Unternehmers ein, der billig kauft, saniert und dann teuer weiter verkauft. Nicht alle lieben ihn für seinen Geschäftssinn. Die Belegschaft von LTU verabschiedete ihn 2006 mit einem schrillen Pfeifkonzert. Doch Wöhrl ist keiner, der in solchen Situationen die Sinnfrage stellt. Er macht einfach weiter.
Als Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft Air Berlin 2017 in finanzielle Schwierigkeiten kam, wollte Wöhrl sich an der Rettung beteiligen. Auch im Februar diesen Jahres, als Germania Insolvenz anmeldete, war Wöhrl zur Stelle. Der Deal platzte in letzter Sekunde, weil ein weiterer Geldgeber sein Angebot kurzfristig zurückzog. 25 Millionen Euro wären nach Wöhrls Schätzung nötig gewesen, um Germania zu retten. Und es hätte eine klügere Kommunikationsstrategie gebraucht, sagt Wöhrl, der heute aufgrund seiner 71 Lebensjahre selbst keine Linienflüge mehr machen darf. Seine letzte Tour in einer großen Maschine ging nach Neuseeland. Aber es muss ja nicht immer Linie sein.
Von Ines Mallek-Klein
Foto: © Ronald Bonss