Was Grünen-Chefin Ricarda Lang in Dresdner Betrieben erlebt

Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang hat die Chipfabrik von Bosch in Dresden besucht – und einen sächsischen Handwerksmeister, der ihr kritische Fragen zur Energiewende stellt.

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Man sieht die Politikerin Ricarda Lang in einer Fabrik.
Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang hört bei Elektro-Obermeister Andreas Haase (rechts) von Parteienfrust und Bedenken zur Energiewende. © Foto: SZ/Veit Hengst

Von Georg Moeritz

Dresden. Der Betrieb von Elektromeister Andreas Haase im Dresdner Norden brummt, die 24 Mitarbeiter haben gut zu tun. Als die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang am Dienstag die Regale mit den Kabeln und die Ladesäulen für Elektroautos besichtigt, beugen sich gerade drei Monteure über Pläne für die neue Steuerung der Energieversorgung im Dresdner Residenzschloss. Doch trotz Staatsaufträgen hält sich Haase, zugleich Obermeister der Elektroinnung Dresden, nicht mit Kritik an der Regierung zurück.

„Es geht in Deutschland seit Jahren rückwärts“, sagt Haase zur Spitzenpolitikerin, deren Partei an der Bundesregierung beteiligt ist. Der Parteienstreit erzeuge Frust. Außerdem ist der Elektro-Obermeister skeptisch zu vielen Details der Energiewende, auch wenn er nach langer Gegnerschaft doch noch Solartechnik für zu Hause und dann auch für seinen Betrieb angeschafft hat.

Zum Besuch der Spitzenpolitikerin blendet Haase einige Grafiken auf einen Bildschirm ein: Sie zeigen, wie unregelmäßig der Strom aus Solar- und Windkraft fließt. „Die Spannungsqualität und die Netzfrequenz in Deutschland sind grottig“, sagt Haase.

Lang: Der Markt für grünen Strom ist riesig

Die Schwäbin Lang hat anfangs etwas Schwierigkeiten, den sächsischen Handwerksmeister zu verstehen und muss nachfragen. Sie zeigt Verständnis für den Ärger über den Parteienzank: „Unser Anspruch ist, dass diese Streitereien aufhören müssen“, sagt sie. Regierungspolitiker hätten Verantwortung, Sicherheit zu geben.

Beim Thema Energiewende aber gibt Lang, unterstützt von einem Begleiter, dem Dresdner Elektriker Kontra: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien sei zentral, dazu müssten Speicher kommen und bezahlbare Preise. Jetzt sei eine Übergangsphase.

Lang pariert auch Haases Frage, ob sie wirklich Interessenten für Stahl kenne, der mit grünem Strom erzeugt worden sei. Ja, sagt Lang, die gerade auf Deutschlandreise ist, den Leag-Braunkohlestandort in Schwarze Pumpe besucht hat und in den nächsten Tagen weiter nach Nürnberg und Mannheim fährt. Der Salzgitter-Konzern und viele Baubetriebe wollen laut Lang eine Ökobilanz mit grünem Strom vorzeigen. „Der Markt ist riesig“, sagt die Grünen-Chefin.

Elektriker empfiehlt Nachtspeicherheizung

Haase regt an, wieder Nachtspeicherheizungen zu nutzen. Sie könnten schließlich auch Energiespeichern. Aber von dieser Methode werde kaum gesprochen, es fehle wohl der „grüne Anstrich“. Aus dem „Team Lang“ heißt es dazu, genau solche Technologien würden künftig wieder wichtig. Im Strommarkt der Zukunft könne es unterschiedliche Preise zu unterschiedlichen Zeiten geben, sodass es sich lohne, den Energieverbrauch etwas zu verschieben.

Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden, Andreas Brzezinski, gibt der Politikerin ebenfalls seine Eindrücke mit: Den Menschen sei schon klar, dass die Ressourcen der Erde nicht länger „verballert“ werden dürfen. Doch die Politik müsse eine Vision vorgeben, beispielsweise für das Leben im Jahr 2035. Es reiche nicht, zu sagen, man solle nicht mehr Autofahren, Wärmepumpen nutzen und kein Fleisch essen. Nötig sei vielmehr ein Gesamtbild, zu dem auch Spaß gehöre. Brzezinski überreicht Lang ein rotes Handtuch mit Handwerkslogo: Das sei zum Schweiß abwischen. „Wir wollen Ergebnisse sehen von der Ampel!“, fordert Brzezinski.

Bosch Dresden: Fleecejacken im Winter bei Gasmangel

Lang will von den Handwerkern noch wissen, ob sie ausreichend Nachwuchs finden – die sind für dieses Jahr zufrieden. Haase weist aber darauf hin, dass seine Gesellen nach der Ausbildung möglichst bei ihm bleiben sollen – und nicht in den öffentlichen Dienst oder in die Industrie abwandern sollen.

Dass die Dresdner Industrie gerade wächst, erfährt Lang in der Mikrochipfabrik von Bosch mit derzeit 480 Beschäftigten. Standortleiter Christian Koitzsch zeigt den Gästen aus Berlin, nachdem sie Überschuhe und Haarnetze übergestreift haben, dass im Werk noch Platz ist und nach und nach Maschinen dazukommen.

Im Foyer der Mikrochipfabrik von Bosch in Dresden zeigt Projektleiter Robert Lindemann der Politikerin Ricarda Lang, wie sich die „erweiterte Realität“ einer Datenbrille nutzen lässt.© SZ/Georg Moeritz

Die Grünen-Politikerin erfährt, dass dort mit viel Reinstwasser gearbeitet wird, aber auch mit Arsen und Bor. Sie fragt nach den Folgen des Erdgasmangels im vorigen Winter. Koitzsch berichtet von Kälte im Büro, weil die Temperatur gesenkt wurde: „Wir haben Fleecejacken ausgegeben.“ Und die Techniker fanden doch noch Stellen, an denen sich in der Fabrik Gas sparen ließ. „Die Krise war auch eine Chance.“

CDU Sachsen besucht Handwerkskammer Dresden

Vor vier Wochen hatte Langs Parteifreund Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister, Sachsen besucht. Er war ebenfalls in einer Mikrochipfabrik und beim Handwerk – im Betrieb des sächsischen Handwerkspräsidenten Jörg Dittrich in Ottendorf-Okrilla.

Das Präsidium des sächsischen CDU-Landesverbands war diesen Montag zu Gast im Veranstaltungszentrum Njumii der Dresdner Handwerkskammer. Handwerkstag-Präsident Dittrich sagte dort laut Pressemitteilung, Sachsen brauche für eine gute Berufsausbildung modern ausgestattete Berufsschulen und Wohnheime. Zudem müsse die gesteuerte Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte „initiiert“ werden. Kleine Unternehmen benötigten dafür Fördergeld. Die Auftragslage der Bauwirtschaft müsse stabilisiert werden.

Sachsens CDU-Vorsitzender Michael Kretschmer sagte bei dem Besuch, mit dem Fachkräftepakt und der Verdopplung des Meisterbonus habe Sachsen bereits wichtige Maßnahmen ergriffen. Die Bundesregierung müsse Handwerksbetriebe bei Abgaben und Bürokratie entlasten. Die Strompreise müssten sinken – nicht nur für einige große Industriebetriebe, sondern für alle.


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