Von Michael Rothe
Berlin/Dresden. Wasserstoff soll nach Plänen der Ampel-Regierung künftig nicht nur in Industrie und Verkehr, sondern auch beim Beheizen von Wohnräumen genutzt werden. Beim Heizen soll ihm allerdings „eine nachgeordnete Rolle“ zukommen, wie aus einem Entwurf für die neue nationale Wasserstoffstrategie hervorgeht, auf den sich die Koalitionsparteien geeinigt haben. Ob Privathaushalte mit Wasserstoff heizen dürfen oder nicht, war einer der Streitpunkte in der Koalition beim Ausarbeiten des Gebäudeenergiegesetzes. Nach dpa-Informationen soll sich das Kabinett noch im Juli mit den Plänen befassen. Vertreter der Branche und aus der Politik können noch bis zum 28. Juli Stellung nehmen.
Damit Wasserstoff eine tragende Rolle spielen kann, muss er über weite Strecken transportiert werden können. Wie das geplante bundesweite Wasserstoff-Kernnetz aussehen könnte, stellten die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) am Mittwoch vor. „Ziel ist es, so viel wie möglich umzustellen und nicht neu zu bauen“, sagte FNB-Chefin Barbara Fischer. Mehr als die Hälfte der Leitungen, durch die künftig Wasserstoff geleitet werden soll, werden derzeit als Gasleitungen genutzt.
Der Umstellung dienen auch Projekte der Leipziger Ontras Gastransport GmbH und der Kasseler Gascade Gastransport GmbH, Betreiber von Gasleitungen in ganz Ostdeutschland. Ein Teil von ihnen soll auch dazu genutzt werden, die Versorgung in Richtung Tschechien sicherzustellen.
Dresden, Chemnitz und Lausitz fehlen
Laut den FNB soll das Netz Leitungen mit einer Gesamtlänge von 11.200 Kilometern umfassen. Die Kosten dafür werden auf einen niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt. Es werde lange Verbindungen vom Norden in den Süden Deutschlands sowie von Osten nach Westen geben, sagt Fischer. Wichtig sei es vor allem, große Industriestandorte anzubinden, die ohne Wasserstoff nicht klimafreundlich betrieben werden könnten – etwa Stahl- und Chemiewerke. Das Kernnetz soll zunächst wichtige Wasserstoff-Infrastruktur umfassen, die bis 2032 in Betrieb geht. In der 2. Stufe soll bis Ende 2023 eine umfassende Netzentwicklungsplanung im Energiewirtschaftsgesetz verankert werden. Erst dann dürfte klar sein, was die Pläne für Privathaushalte bedeuten.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) ist erfreut, dass die Planungen „auch zwei Leitungen auf sächsischem Gebiet vorsehen und damit die Versorgung wichtiger Industriestandorte im Freistaat berücksichtigen“. Diese Pipelines werden im Raum Leipzig verlaufen und mit weiteren geplanten Leitungen ab 2027 die Industrie in der Region sowie im Landkreis Meißen versorgen. Damit habe die Intervention, Sachsen und Ostdeutschland nicht bei der Investition in die Wasserstoffinfrastruktur zu vergessen, Erfolg gehabt. „Mittelfristig wird ganz Sachsen vom Wasserstoff-Kernnetz profitieren“, sagt Dulig.
Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) hält indes eine Ausdehnung des Netzes für nötig. „So fehlen in den Planungen Chemnitz, Dresden und die Lausitz mit wichtigen energieintensiven Betrieben beziehungsweise künftigen wasserstofffähigen Kraftwerken“, sagt er. Das werde der Freistaat in seiner Stellungnahme erneut vorbringen. (mit dpa)