Görlitz. Wenn in Görlitz von Auszeichnungen und Superlativen die Rede ist, liegt meist die Filmproduktion nicht fern. Doch in dieser Erfolgsgeschichte spielt Görliwood eine Statistenrolle. Die Kulisse ist ein Eckhaus am Untermarkt, aus dessen Obergeschoss-Fenster Jackie Chan einst hechtete, als er „In 80 Tagen um die Welt“ reiste. Doch nicht nur Fans des Slapstick-Kung-Fu-Streifens könnten sich an einem Besuch des historischen Gebäudes erfreuen. Auch jene, die in einem der besten Hotels des Landes übernachten möchten.
Das Emmerich Hotel reihte sich Ende des vergangenen Jahres bereits zum zweiten Mal nach 2020 in die illustre Liste der 101 besten Hotels Deutschlands ein. Und wurde darin in einem Atemzug mit legendären und höchstpreisigen Hotels wie dem Hamburger „Vier Jahreszeiten“ oder dem Berliner Hotel Adlon genannt.
Veröffentlicht wurde die Rangliste 2024 bereits zum vierten Mal vom Schweizer „Institute for Service & Leadership Excellence“, gegründet vom ehemaligen Grand Hotelier und heutigen Unternehmer Carsten K. Rath. Behilflich bei der Erstellung des Rankings war ein Kuratorium – unter anderem bestehend aus Vertretern des Wirtschaftsmagazins Capital, des Handelsblatts, verschiedener Hotel-, Tourismus- und Wirtschaftsunternehmen sowie der IU Internationalen Hochschule.
Görlitzer Hotel weiß um die Bedeutung der Auszeichnung
Beim ersten Mal hätten sie die Auszeichnung gar nicht so ernst genommen, erinnert sich Restaurantchef und Hotel-Teilhaber Bas Dankers: „Wir wussten gar nicht richtig, was dahintersteckt, da sie damals noch neu war. Mittlerweile wissen wir, was das für einen großen Wert hat“, sagt der aus Amsterdam stammende Dankers, der seit Januar 2020 das hoteleigene Restaurant „Horschel“ betreibt.

Benannt ist es nach Benigna Horschel, der Geliebten von Georg Emmerich, der im Mittelalter Bürgermeister der Stadt Görlitz war. In seinem Wohnhaus an der damaligen Handelsstraße Via Regia befindet sich heute das namentlich ihm gewidmete Hotel. Eines mit besonderer Historie also und zudem ein mehrfach ausgezeichnetes. Nicht zuletzt, weil der Architekt des Erfolges ein wortwörtlicher ist.
Architekt und Hotelbesitzer in Personalunion erleichtert vieles
Christian Weise war ursprünglich im Rahmen seiner eigentlichen Profession mit dem maroden Emmerich-Haus beauftragt worden. „Damals war es eine komplette Ruine“, sagt Weise, der an der Bauhaus-Universität in Weimar Architektur studiert hat. Man habe „vom Boden bis zum Dach“ durch das Haus hindurchgucken können. Dennoch entschloss er sich, das Gebäude zu erwerben und zu sanieren. 2014 eröffnete der Architekt, was für ihn lange ein Traum war: sein eigenes Hotel.
„Dass wir nun deutschlandweit zu den besten 101 Hotels gehören, gibt uns natürlich Anerkennung und Recht, dass wir mit unserem Konstrukt erfolgreich sind“, sagt Weise. Sein „Doppelleben“ als Architekt und Hotelier kommt dem Hotel dabei zugute. „Wir haben alles im Haus“, sagt Bas Dankers, der nicht nur Weises Geschäftspartner, sondern auch mit dessen Tochter Charlott liiert ist. „Nicht nur was die Architektur angeht, sondern auch das Fingerspitzengefühl für die Inneneinrichtung“.
Die 15 Zimmer des Hotels seien mit den freiliegenden Steinwänden und den sorgfältig kuratierten Designermöbeln sehr persönlich eingerichtet. Ein Pluspunkt bei den Gästen. „Dass man das alles selbst macht und einen Betreiber hat, der auch noch Architekt ist, dürfte auch deutschlandweit ein Alleinstellungsmerkmal sein“, sagt Dankers.
Selbst Anfang des Jahres kann „Emmerich“ auf Stammkunden zählen
Mit dem Erfolg des Emmerich Hotels möchte der gebürtige Görlitzer Weise auch den Tourismus in seiner Heimat weiter ankurbeln. Je besser die Qualität seines, aber auch aller anderen Hotels werde, desto größer werde der Wert für Gäste, nach Görlitz zu kommen, sagt er. Seine Görlitzer Hotelier-Kollegen teilen laut Weise diesen Anspruch.
Als Konkurrenten sehe man sich gegenseitig indes nicht. „Das ist in jeder Branche ein falscher Ansatz“, sagt Weise. Stattdessen begegne man sich auf Augenhöhe, verweise sogar Gäste auf die umliegenden Mitbewerber: „Man muss damit rechnen, dass jeder Gast unterschiedliche Bedürfnisse hat, die woanders vielleicht besser passen.“
Dass Christian Weise, Bas Dankers und die zahlreichen Mitarbeiter die Geschmäcker ihrer internationalen Gäste im Emmerich Hotel und im „Horschel“ offenbar treffen, scheint ob der besonderen Ehrung auf der Top-101-Liste unstrittig zu sein. Und die Gäste sind im Gegenzug treu, viele kämen über die Jahre immer wieder. Auch in den touristisch eher kargen Wintermonaten zu Anfang des Jahres könne Weise auf Buchungen zählen, beispielsweise durch Geschäftskunden, die beruflich in Görlitz zu tun haben.
In der Saison hingegen sei es teils gar nicht so einfach, eines der begehrten 15 Zimmer zu ergattern. „Durch die geringe Zimmeranzahl und unseren Ruf müssen wir in der Saison mehr wegschicken, als wir bei uns übernachten lassen können“, sagt Weise. Die erneute Auszeichnung dürfte der Nachfrage keinen Abbruch tun.
SZ