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Wie Bautzen die Amis abhängt

Die städtische Firma BBB hatte vor 20 Jahren schon digitale Karten. Da war an ähnliche Google-Dienste noch nicht zu denken.

Lesedauer: 3 Minuten

Ein neues Stromkabel soll unter die Erde. Dafür müssen Bagger einen Schacht beißen. Doch Vorsicht: Können sie dabei vielleicht versehentlich eine Telefon- oder Gasleitung durchtrennen? Oder ein Abwasserrohr beschädigen?

Um das herauszufinden, kann das Stromversorgungsunternehmen natürlich alle Firmen befragen, die hier schon einmal Leitungen verlegt haben könnten. Aber es kann dauern, bis alle Antworten eintrudeln. Viel schneller geht es mit den Geonetz-Datendiensten der Beteiligungs- und Betriebsgesellschaft Bautzen (BBB). Diese Dienste holen mit wenigen Klicks eine Karte der geplanten Baustelle auf den Bildschirm, dazu alle Informationen über dort schon verlegte Leitungen. Und die Frau oder der Mann an der Tastatur kann gleich in die Karte einarbeiten, was hier warum und wann gebaut werden soll. Die Informationen werden online archiviert. Auf dem Bildschirm steht auch, wie viel Geld die BBB für diesen Service bekommt.

Anschub vor 20 Jahren

Sich die künftige Baustelle anschauen, das geht natürlich auch auf dem digitalen Globus des US-amerikanischen Internetkonzerns Google. Noch dazu gewähren die Kalifornier diesen Blick kostenlos. Aber er zeigt eben beispielsweise nicht, welche Rohre und Leitungen unter der Erde liegen. Die Bautzener haben das schon hingekriegt, da war an Google Earth noch gar nicht zu denken. Als die Amerikaner 2001 mit ihrer ersten Version online gingen, waren die Bautzener längst mit ihrem Geonetz im Internet unterwegs.

Den Anschub dafür gab vor genau 20 Jahren das sächsische Wirtschaftsministerium. Es startete 1999 eine Ausschreibung für solche Datendienste, und Bautzens städtische Gesellschaft bewarb sich. Anfang April 2000 ging der Zuwendungsbescheid in Bautzen ein, und das Geonetz konnte an den Start gehen. Das ganze Projekt kostete damals 1,5 Millionen Mark. Jeweils 375.000 Mark davon übernahmen das Wirtschaftsministerium in Dresden und die Deutsche Telekom. 

Für die andere Hälfte der Gesamtkosten legten die hiesigen Projektpartner zusammen. Das waren neben der kommunalen Gesellschaft der Landkreis und die Stadt Bautzen sowie die Gemeinde Sohland (Spree), deren Bürgermeister damals Michael Harig hieß – der heutige Landrat. Um das Ganze technisch umzusetzen, holten sich die Geonetz-Partner außer einigen Ingenieurgesellschaften auch die Hochschule Zittau/Görlitz mit ins Boot. Die später viel gepriesene Zusammenarbeit von Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft – in Bautzen funktionierte sie schon vor zwei Jahrzehnten.

Datendienst hat 65 Kunden

Um für ihre Dienstleistung zu werben, fuhren die Spreestädter unter anderem auf große Messen wie in Hannover. Mit Erfolg: Mittlerweile nutzen 65 Kunden die Geonetz-Datendienste der BBB. Dazu gehören unter anderem die BBB-Tochtergesellschaft Energie- und Wasserwerke Bautzen, aber auch die Stadtwerke in Weißwasser, Riesa sowie in thüringischen Kommunen. 

Größter Kunde ist die Enso Energie Sachsen Ost AG. Enso-Sprecherin Gerlind Ostmann verweist auf die 15-jährige enge Partnerschaft zwischen beiden Unternehmen. Um mehr als 20.000 Anfragen über Leitungen zu beantworten, nutzt die Enso Geodaten von dem Bautzener Anbieter.

Das Geonetz macht nicht nur verlegte Leitungen sichtbar, sondern beispielsweise auch Verkehrswege, Grünanlagen und vieles mehr. BBB-Geschäftsführer Volker Bartko nannte jetzt ein ganz simples Beispiel: „Wer speziell einen Spielplatz mit einer Rutsche sucht, findet ihn hier ganz schnell.“ Aber in der Regel geht es nicht um Spielplätze, weiß Volker Bartko: „Unsere Kunden können mit der Nutzung dieser Dienste auf eigene, teure Investitionen verzichten, was vor allem für kleinere Gemeinden von Vorteil ist.“

Weg von Briefen und Karten

Das ließ jetzt auch den sächsischen Wirtschafts-Staatssekretär Stefan Brangs (SPD) aufhorchen. Als Beauftragter der sächsischen Staatsregierung für Digitales hat er ein Auge auf den Ausbau des Breitband-Internets im Freistaat, und dazu werden natürlich ganz viele Informationen über vorhandene Leitungen und neue Trassen gebraucht. Wenn er sich demnächst wieder mit den Breitband-Beauftragten der Landkreise trifft, will er den Wissensvorsprung der Bautzener nicht für sich behalten. „Wir müssen wegkommen von Briefen und Karten, das kostet alles nur Zeit“, sagte Brangs in Bautzen. Er nahm einen Vorschlag von Dietmar Bothmer mit, der als Professor der Hochschule Zittau/Görlitz das BBB-Geonetz fachlich begleitet. Bothmer regte an, Workshops zur Digitalisierung zu organisieren und dabei auf Bautzener Erfahrungen zurückzugreifen.

 

Von Tilo Berger  

Foto: © Uwe Soeder

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