Zittau/Görlitz. Für die Zeit nach der Kohle will die Oberlausitz einen gewaltigen Sprung in die Zukunft machen – mit der Halbleiterindustrie. Und diese Zukunft soll schon jetzt beginnen. In Dresden entsteht gerade eine Chipfabrik des taiwanesischen Weltmarktführers TSMC. Deren Strahlkraft soll auch bis in die Oberlausitz reichen.
Die Region erhofft sich die Ansiedlung von Zulieferbetrieben, die Hochschule Zittau/Görlitz die Ausbildung akademischer Fachkräfte für die Halbleiterindustrie. Wie diese Zukunft zu gestalten ist, dazu trafen sich jetzt hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Politik unter anderem aus Taiwan und Japan zu einer Konferenz an der Hochschule in Zittau.
Ohne Halbleiter fährt kein Auto und kein Zug. Es fliegt kein Flugzeug. Und Tinder würde auch nicht funktionieren. – Thomas Kralinski, Wirtschaftsstaatssekretär
Mit-Initiator der Konferenz war Landrat Stephan Meyer (CDU). Er hat in den letzten Jahren enge Kontakte zu Taiwans Botschafter Professor Jhy-Wey Shieh geknüpft, der den Landkreis in diesem Jahr schon dreimal besucht hat. „Ich bin sehr stolz, diese Konferenz hier in Zittau zu haben“, sagte Meyer.
Die Eröffnung der TSMC-Fabrik 2027 eröffne der Region viele Vorteile – wirtschaftlich, wissenschaftlich und auch gesellschaftlich. „Diese Fabrik schafft zukunftssichere Jobs – nicht nur für Akademiker. Und sie bringt junge Leute in die Region“, sagte er. 2000 Arbeitsplätze entstehen in der Fabrik direkt.
15.000 neue Arbeitsplätze in den nächsten zehn Jahren
Hochschulrektor Professor Alexander Kratzsch schätzt, dass durch die Zulieferindustrie in den nächsten zehn Jahren 15.000 weitere Arbeitsplätze entstehen werden. Sein Wunsch ist, dass sich genau solche Zulieferbetriebe in neu entstehenden Gewerbegebieten niederlassen könnten – etwa in Zittau oder Löbau.
Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Kralinski (SPD) veranschaulichte bei der Konferenz die Bedeutung von Halbleitern in allen Lebensbereichen: „Ohne Halbleiter fährt kein Auto und kein Zug. Es fliegt kein Flugzeug. Und Tinder würde auch nicht funktionieren.“ Damit hatte er die Lacher des Auditoriums auf seiner Seite. Die Internet-Dating-Plattform „Tinder“ ist populär für die Anbahnung sexueller Kontakte. Sachsen stehe bereits heute für die Halbleiterindustrie wie keine andere Region Europas, sei „der größte Halbleiter-Cluster Europas“, so Kralinski.
Lieferunabhängigkeit durch Produktion in Dresden
Wie abhängig die gesamte Industrie von Halbleitern und globalen Lieferketten sei, betonte auch Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm). „Wir wissen, was passiert, wenn ein Containerschiff im Suezkanal feststeckt. Und wir erinnern uns, dass ein großer Automobil-Hersteller seine Produktion teilweise eingestellt hat, weil es an Chips fehlte.“ So hatte etwa BMW 2021 die Produktion in mehreren Werken aus diesem Grund gestoppt oder erheblich gedrosselt.
Chip-Produktion in Deutschland schafft auch Liefersicherheit. Christian Koitzsch ist Chef des entstehenden Dresdner Werks. Er schätzte auf der Konferenz, dass die Nachfrage nach Chips der höchsten Leistungsklasse in Europa bis 2030 um 92 Prozent steigen werde.
Welche wirtschaftliche Magnetwirkung so ein großes Chipwerk entfaltet, veranschaulichte Japans stellvertretender Botschafter Kunihiko Kawazu. Er berichtete von der Eröffnung eines TSMC-Werks im japanischen Kumamoto. „Viele Unternehmen haben sich deshalb in der Nähe der Fabrik angesiedelt“, sagte er und appellierte: „Wir müssen Wirtschaftsprojekte ab heute auf den Weg bringen. Diese Konferenz wird dazu führen.“
Manchmal kommen wir mit dem Schiff – wir nennen es friendship. – Professor Jhy-Wey Shieh, Botschafter Taiwans
Der taiwanesische Konzern TSMC verfolgt mit der Errichtung von Chipfabriken außerhalb des eigenen Landes auch Überlebens-Interessen. Der Inselstaat gilt der ungleich größeren Volksrepublik China als abtrünniger Staat, steht unter ständiger Bedrohung.
„Am Tag der Grundsteinlegung in Dresden wurde Taiwan von 15 chinesischen Kampfjets angegriffen“, erzählte Botschafter Professor Jhy-Wey Shieh bei der Konferenz und betonte: „Demokratie kann nur überleben, wenn wir Vertrauen in uns selbst haben.“ Taiwan könne nicht groß sein ohne internationale Zusammenarbeit und Partnerschaften. Mit Wortwitz sagte er: „Wir kommen nicht nur mit dem Flugzeug nach Europa. Manchmal kommen wir auch mit dem Schiff. Wir nennen es friendship (Freundschaft).“
SZ