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Wohin mit ausgedienten Rotorblättern von Windrädern? Diese Firma hat eine Lösung

Tausende alte Windanlagen werden in den nächsten Jahren abgebaut. Vieles davon lässt sich recyceln. Aber das hat seinen Preis. Die wenigsten sind bereit, den zu zahlen.

Lesedauer: 3 Minuten

Andreas Dunte

Aschersleben. Die Firma Novo-Tech in Aschersleben stellt seit vielen Jahren aus Holzresten unter anderem Terrassendielen her. 2021 hat Firmengründer Holger Sasse das Unternehmen in Sachsen-Anhalt um die Tochter Novo-Tech Circular erweitert. Auch diese Firma fertigt unter anderem Terrassenbretter – das Neue daran: Novo-Tech Circular verwendet hierzu auch geschredderte Rotorflügel von Windkraftanlagen.

Die Idee dazu kam dem gebürtigen Sachsen-Anhalter, als er bei einem Spaziergang mit seinem Hund alte Windflügel auf dem Feld liegen sah. „Das sind High-Performance-Materialien, viel zu schade zum Draußen-Rumliegen“, sagte er sich. „Das sind wertvolle Kohlenstoffe.“ Warum das Material nicht auch zur Produktion von Terrassendielen verwenden?

„Das sind wertvolle Kohlenstoffe“: Novo-Tech schreddert die Überbleibsel – und kann sie so wiederverwerten. Quelle: NOVO-TECH

Rotorblätter sind schwer zu recyceln

Eine derartige Verwertung gab es zuvor noch nicht. „In der Branche wird gern betont, dass sich Windräder zu einem hohen Prozentsatz recyceln lassen“, so Holger Sasse. Tatsächlich werden die Betontürme zerkleinert und können so als Fundament im Straßen- oder Hausbau eingesetzt werden. Ebenfalls gut verwerten lassen sich Stahl, Kupfer und Aluminium.

Ganz anders sieht es bei den Rotorblättern aus, die hauptsächlich aus faserverstärkten Kunststoffen (GFK) bestehen und schwierig zu recyceln sind. Eine gängige Form der Entsorgung ist es, die Rotorblätter in Zementwerken als Ersatzbrennstoff einzusetzen. Mitunter werden sie auch nur ins Ausland gefahren und dort deponiert. Leider gibt es auch Fälle, da sie einfach nur wild in der Natur entsorgt oder sogar vergraben werden.

Verband warnt vor Müllproblem

Schon vor Jahren warnte der Entsorgungswirtschaftsverband BDE vor einem Müllproblem, das auf das Land zukommt. Bei den Flügeln handele es sich um Wertstoffe, die zurück in den Kreislauf gehören, anstatt sie einfach nur zu verbrennen, so der BDE. Zumal bei der Verbrennung Schadstoffe freigesetzt werden.

Die Flügel bestehen wie gesagt aus Glasfaser- und Kohlefasermatten. Im Inneren sind Waben und andere Verstrebungen – zumeist aus Holz oder Plastik.

Mit Harz wird alles in eine stabile Form gegossen. Bislang waren nach dem Aushärten des Harzes alle Komponenten miteinander untrennbar verbunden.

Hersteller suchen neue Materialien

Mittlerweile gibt es verschiedene Methoden, das Harz von den Fasern zu trennen. Derzeit laufen dazu die Forschungen. Zudem arbeiten verschiedene Hersteller von Windkraftanlagen an neuen Materialien mit recycelbaren Blättern. Siemens Gamesa beispielsweise hat als Bindemittel ein Harz entwickelt, das sich mithilfe einer milden Säure relativ einfach auflösen lässt. Die Materialien lassen sich somit wieder trennen und können recycelt werden.

Bis diese Windräder wieder abgebaut werden, vergehen Jahrzehnte. Lösungen für die jetzt anfallenden Flügel müssen her. Laut Umweltbundesamt fallen ab 2030 jährlich rund 20.000 Tonnen Rotorblätter an. Danach sollen es bis zu 50.000 Tonnen pro Jahr sein.

Flügel kann nur zur Hälfte wiederverwertet werden

Durch Repowering, also die Erneuerung zahlreicher Windanlagen, bestehe momentan kein Mangel an Nachschub, sagt Holger Sasse. Was den Novo-Tech-Chef ärgert, sind die Betreiber derartiger Anlagen. „Die stoffliche Weiterverarbeitung der zu entsorgenden Flügel ist für uns ein teurer Prozess“, sagt er.

„Denn nur 50 Prozent eines Flügels können wiederverwertet werden.“ Nach der Demontage der Anlagen nimmt Novo-Tech Proben und analysiert die Inhaltsstoffe im firmeneigenen Labor. „Ein notwendiger Schritt, denn leider gibt es zu den alten Flügeln keine Produktdatenblätter“, sagt der Ingenieur. Das Unternehmen hat sich der Kreislaufwirtschaftsidee Cradle-To-Cradle verschrieben. Diese Regel schließt die Weiterverarbeitung zahlreicher Stoffe – 460 an der Zahl – aus, da sie gesundheitsschädigend sind. So ist die Stützkonstruktion aus PVC. Auch Karbon ist verarbeitet worden. Nur die Teile der Flügel, die frei von diesen Stoffen sind, werden bei Novo-Tech Circular verarbeitet.

Viele Betreiber lassen Flügel lieber verbrennen

Das ist ein teurer Prozess, so Holger Sasse. „Das Verrückte ist. Es rufen mich Windmüller an und fragen, was Novo-Tech bereit ist, für die Abnahme der Flügel zu zahlen.“

Wenn er ihnen am Telefon sagt, dass sie es sind, die für die Abnahme zahlen müssen, etwa 1500 Euro pro Tonne, verstummen sie und legen lieber auf. „Für mich ist das unverständlich: Die Betreiber haben jahrelang mit ihren Windanlagen gutes Geld verdient. Bei der Entsorgung gehen sie aber lieber den billigeren Weg und lassen die Flügel verbrennen.“

Das stellt Novo-Tech vor Schwierigkeiten: Denn wirtschaftlich sollten recycelte Produkte billiger oder zumindest gleich teuer sein wie Neuware, sonst greift der Kunde nicht zu, sagt der Firmenchef.

Weil Novo-Tech neben ausgedienten Flügeln vor allem andere Altkunststoffe für die Terrassendielen-Harzart verwendet, kann der Visionär das Produkt billiger als die ebenfalls in Aschersleben produzierte Bretter-Holzart auf den Markt bringen.

Unternehmen stellt auch Bahnschwellen aus Resten her

Außer Terrassenbrettern fertigt die Ascherslebener Firma aus Holzresten und recyceltem Kunstharz der ausgemusterten Windkraft-Rotorblätter auch anderes wie den Unterbau von Solarpaneelen und Bahnschwellen.

Allein in Deutschland würden derzeit Jahr für Jahr 600.000 Bahnschwellen aus Holz gefertigt. Statt aus Eichenholz könnten sie ebenso gut aus recyceltem Holz-Kunststoff-Gemisch bestehen. Und wenn sie ausgedient haben, nimmt Novo-Tech die Schwellen, aber auch die Unterkonstruktion für Solarpaneele und Terrassenbretter wieder zurück. „Wir recyceln sie und bauen daraus Neues. Das ist Kreislaufwirtschaft.“

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