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Zwickaus IG Metall-Chef über den VW-Kompromiss: „Zu bejubeln ist da nichts“

Den gefundenen Kompromiss bei Volkswagen wolle er nicht schönreden, sagt der Zwickauer IG Metall-Chef Thomas Knabel. Insbesondere, weil der Kompromiss die Halbierung der Produktion im Zwickauer Werk vorsieht. Die Einigung weise dennoch in die Zukunft.

Lesedauer: 3 Minuten

Andreas Dunte

Leipzig. Thomas Knabel wählt seine Worte bewusst. Zu viel schon sei über den bei Volkswagen gefundenen Kompromiss im Tarifstreit geredet worden. Und zu schnell könne man falsch verstanden werden, sagt der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Zwickau.

Er wolle die Einigung nicht schönreden. „Zu bejubeln ist da nichts.“ Aber immerhin sei die Werksschließung vom Tisch. „Die mögliche Schließung des Werkes Zwickau war keine Nebelbombe, sondern ein konkretes Bedrohungsszenario, das hätte eintreten können.“

Dass es nicht so gekommen ist, sei ein Erfolg. Ebenso, dass es bis 2030 keine betriebsbedingten Kündigungen gibt. Um diesen Kompromiss sei hart gekämpft worden.

Konkret sieht die Einigung vor, dass das Werk in Zwickau, das konzernweit als erstes komplett auf die Fertigung von rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen umgestellt worden ist, ab 2027 nur noch zwei Audi-Modelle baut. Die bislang in Zwickau produzierten VW-Modelle ID.3, ID.4 und der Cupra Born (Seat) sollen in die Werke nach Wolfsburg und Emden wechseln.

Thomas Knabel, Chef der IG Metall Zwickau, auf einer Kundgebung.
Thomas Knabel, Chef der IG Metall Zwickau, auf einer Kundgebung.
Quelle: IG Metall

Damit wird in Zwickau künftig nur noch auf einer statt auf zwei Linien produziert. Die Fertigung des ID.3 in der Gläsernen Manufaktur in Dresden soll schon Ende dieses Jahres eingestellt werden.

Auf die Frage, ob die Halbierung der Produktion langfristig auch eine Halbierung der Belegschaftszahlen zur Folge hat, schüttelt der Gewerkschafter den Kopf. „Nein, so wird das nicht sein. Dafür gibt es mehrere Gründe.“

Fertigung für Luxus-Karossen bleibt in Zwickau

So habe man erreicht, dass auch künftig die Karossen für Bentley und Lamborghini in Zwickau gefertigt werden. Ursprünglich sollte die Fertigung nach Ungarn verlagert werden, so der Gewerkschafter. Er rechnet in diesem Bereich mindestens mit einer Verdoppelung der Mitarbeiterzahl in den nächsten Jahren. Aktuell arbeiteten in dem Bereich 460 Beschäftigte.

Als weiteren Punkt führt er den Aufbau eines völlig neuen Bereichs für das Altfahrzeugrecycling an. Dabei geht es um die Wiederverwertung von Autoteilen, insbesondere auch von Batterien aus E-Fahrzeugen. Der VW-Konzern verspricht hier die Schaffung von rund 1000 neuen Jobs in Zwickau.

„SSP ist die Voraussetzung für neue Modelle in Zwickau“

Der wichtigste Punkt sei aber die Fortführung der Audi-Produktion: „Wir haben etwas erreicht, das bisher in der Öffentlichkeit wenig Beachtung gefunden hat“, sagt er fast schon kämpferisch.

In Zwickau würden nicht nur die aktuellen Audis Q4 e-tron und Audi Q4 e-tron Sportback gebaut, sondern auch künftige Audis auf der SSP-Plattform, der neuen Plattform für E-Fahrzeuge. Die aktuelle Plattform, auf der im Werk die Modelle von Audi, VW und Seat vom Band laufen, ist der Modulare Elektrobaukasten (MEB). Der Konzern ist dabei, diese Plattform durch den Nachfolger SSP zu ersetzen. Ab 2028 soll der Umstieg erfolgen.

Wir werden auf neue Modelle drängen. Sachsen muss Produktionsstandort von VW bleiben. – Thomas Knabel, Gewerkschafter

SSP sei die Voraussetzung, „bei künftigen Planungsrunden für neue Modelle überhaupt mitspielen zu können“. Die Umstellung auf die neue Plattform sei für die Zukunft des Werks von unschätzbarer Bedeutung. „Denn damit können wir in Zwickau auch künftig E-Fahrzeuge von Volkswagen fertigen. Und auf neue Modelle werden wir drängen. Sachsen muss Produktionsstandort von VW bleiben.“ Entschieden sei hier aber nichts, räumt Knabel ein.

Deshalb antwortet er auf die Frage, wie viele Beschäftigte nach dem Wegfall der zweiten Produktionslinie noch im Zwickauer Werk arbeiten werden, ausweichend. „Das kann heute keiner genau vorhersagen. Das hängt von vielen Faktoren ab.“

Klar sei aber, dass die Beschäftigtenzahl (aktuell rund 9600) am Standort sinken wird, sinken muss. Denn der Erhalt aller VW-Werke ist mit dem Verlust von konzernweit rund 35.000 Beschäftigten verknüpft. So sieht es der Kompromiss vor.

„Fakt ist aber auch: Keiner muss befürchten, dass ihm betriebsbedingt gekündigt wird“, sagt der Gewerkschafter weiter. Es gebe Altersteilzeitprogramme und auch Abfindungsregelungen – für die, die freiwillig ausscheiden wollen, sofern das Unternehmen auf sie verzichten kann.

In welcher Größenordnung das alles „über die Bühne geht“, hänge davon ab, wie sich der Markt für E-Autos entwickelt – weltweit, aber auch in Deutschland. „Deshalb haben wir konkrete Forderungen an die Politik nach staatlicher Förderung dieser Zukunftstechnik.“

Der Blick richte sich da klar nach Berlin auf die neue Regierung. Aber auch von der Landespolitik erwarten die Arbeitnehmervertreter mehr Unterstützung. Knabel: „Die Autoindustrie in Wolfsburg hat eine Lobby, ebenso die in München und die in Stuttgart. In Sachsen vermissen wir sie. Das muss sich ändern. Jeder vierte Industriearbeitsplatz im Freistaat hängt an der Automobilindustrie.“

SZ

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