Noch ehe die Kenia-Koalition am Freitag den Entwurf ihres Regierungsprogramms vorstellt, sickern Einzelheiten durch. Nachdem die SZ am Mittwoch berichtet hatte, dass sich CDU, Grüne und SPD einig sind, dass Sachsen ein neues Vergabegesetz für öffentliche Aufträge braucht, gibt es nun auch Angaben zur Höhe des dort angestrebten Mindestlohns.
Wie die SZ aus Verhandlungskreisen erfuhr, lehnt sich die angepeilte Entgeltuntergrenze an den Tarifvertrag der Länder für den öffentlichen Dienst an. Demnach soll für Bewerber um öffentliche Aufträge die bundeseinheitliche unterste Entgeltgruppe vorgeschrieben werden. Die Gruppe E1 gilt für einfachste Tätigkeiten wie Essensausgabe, Reinigung in Außenbereichen, Spülhilfe und sieht einen Monatsbruttolohn von derzeit 1.897,44 Euro vor, was 10,91 Euro pro Stunde entspricht. Dieser Betrag soll zum 1. Januar um 3,2 Prozent auf dann 11,26 Euro steigen.
Der gesetzliche Mindestlohn beträgt derzeit 9,19 Euro. Diese Untergrenze soll zum Jahreswechsel auf 9,35 Euro klettern. So hatte es die Bundesregierung auf Empfehlung einer Kommission beschlossen.
Brandenburg, wo auch gerade eine Kenia-Koalition antritt, erhöht den Vergabe-Mindestlohn im Januar von 10,50 auf 10,68 Euro. Und das dortige Regierungsprogramm sieht gar 13 Euro als Zielmarke vor.
Neue Standards für öffentliche Aufträge
Obwohl Sachsens Regierung in spe mit ihrem Vorhaben weit darunter liegt, läuten in der Wirtschaft, vor allem beim Handwerk, die Alarmglocken. „Ich halte diesen Mindestlohn für töricht und unnötig“, sagt Roland Ermer, Präsident von Sachsens Handwerkstag, Dachorganisation der Kammern und Verbände. Viele Gewerke könnten dann bei öffentlichen Aufträgen nicht mehr mitbieten. Er sieht vor allem Gebäudereiniger betroffen, die ihren Beschäftigten derzeit oft nur die vorgeschriebenen 10,05 Euro zahlen. Auch Bäcker, die etwa Krankenhäuser beliefern, bekämen Probleme, so Ermer, selbst Bäckermeister in Bernsdorf bei Hoyerswerda.
Unabhängig vom Mindestlohn kritisiert der Präsident das angedachte Gesetz als „ideologiegetrieben“. Er warnt davor, „vergabefremde Dinge“ wie Ausbildung, Frauenquote, Nachweis der Materialherkunft vorzuschreiben. Sachsen habe seit der schwarz-gelben Novelle 2013 ein bürokratiearmes, liberales, transparentes Gesetz, das man „keinem politischen Deal opfern“ dürfe, so Ermer. Kommunen und Landkreise fänden immer schwerer Firmen für ihre Aufträge. Das Desinteresse werde weiter zunehmen, der Wettbewerb leiden, und für den Staat werde es teurer, prophezeit Sachsens Oberhandwerker. Allerdings: Fast alle Bundesländer haben Vergabegesetze mit sozialen und ökologischen Standards.
Von Michael Rothe
Foto: © Roland Weihrauch/dpa