Von Nina Schirmer
Radebeul. Es sind vor allem die Frauen, die sich in der Dessous- und Bademodenboutique auf der Bahnhofstraße 12 gerne einkleiden. Aber auch Männer schauen bei "Susan W." vorbei, entweder weil sie nach einem Geschenk für ihre Liebste suchen oder für sich selbst auch mal etwas ausgefallenere Unterwäsche. Das "W." steht für Wagner, dem Mädchennamen von Geschäftsinhaberin Susan Gommlich.
Weil ihre Eltern zwei Mädchen haben, die mit der Hochzeit beide andere Namen annahmen, entschied sich die gebürtige Radebeulerin, wenigstens mit ihrer Boutique an den alten Familiennamen zu erinnern. Das ist inzwischen 25 Jahre her, am 29. Juni feiert Susan Gommlich Geschäftsjubiläum.
Ausbildung im DDR-Kaufhaus
Gelernt hat sie zu DDR-Zeiten im Vier-Jahreszeiten-Kaufhaus in Radebeul-Ost. Zur Fachverkäuferin für Textilien wurde sie dort Ende der 80er-Jahre ausgebildet. "Im Kaufhaus habe ich wirklich alles, was Damen- und Herrenbekleidung betrifft, von der Pike auf gelernt", sagt sie.
Doch dann kommt die Wende und alles ändert sich. Anfang der 90er-Jahre schließt das Kaufhaus und die meisten Mitarbeiter werden arbeitslos. Susan Gommlich hingegen hat Glück. Weil sie die Jüngste in der Belegschaft ist, wird sie als eine von nur zwei Mitarbeitern vom neuen Besitzer übernommen, der in dem Gebäude ein Fotogeschäft eröffnet. Bei Fotoexpress entwickelt sie nun für die Kunden Bilder.
Doch sie sehnt sich zurück zu ihrer Leidenschaft, den Textilien. "Ich war jung, Klamotten interessierten mich da einfach mehr", erzählt Susan Gommlich. Als in Moritzburg die Passage gebaut wird, macht sie ihren Traum vom eigenen Geschäft war. Das Lädchen ist allerdings nur 23 Quadratmeter groß.
"Das ist der Grund, warum ich mich auf kleine Sachen wie Unterwäsche spezialisiert habe." 2004 eröffnet die Geschäftsfrau einen zweiten Laden auf der Bahnhofstraße in Radebeul. Elf Jahre lang laufen beiden Geschäfte parallel. "Ich habe in dieser Zeit fast jeden Tag gearbeitet", erinnert sich Susan Gommlich. 2015 entschließt sich die Mutter von inzwischen zwei Kindern, nur noch das Geschäft auf der Radebeuler Bahnhofstraße zu behalten, auch um mehr Zeit für die Familie zu haben.
Viele erzählen persönliche Geschichten
Über die vielen Jahre hat die Verkäuferin viele persönliche Geschichten gehört. Die Kunden ziehen in ihrer Umkleidekabine nicht nur die Kleidung aus, so manch einer macht sich auch im übertragenen Sinne nackig und erzählt beim Unterwäschekauf aus seinem Leben.
Manchmal sind das tragische, manchmal auch schöne Schicksalsschläge, von denen die Inhaberin zu hören bekommt. Noch gut erinnert sie sich zum Beispiel an eine Frau, deren Mann schon vor längerer Zeit verstorben war und die sich plötzlich noch einmal schicke Unterwäsche zulegte, weil sie wieder jemanden kennengelernt hatte. "Auch Rentnerinnen legen darauf noch Wert ", sagt die 51-Jährige.

Einsatz für die Bahnhofstraße
Susan Gommlich gehört auch zu den Händlern, die sich dafür einsetzen, dass es auf der Bahnhofstraße voran geht. Sie hat am Händler-Leitbild für die Einkaufsstraße mitgearbeitet, das in die Sanierungspläne einfließen soll. Dafür saßen die Geschäftsinhaber meist schon morgens um 7.30 Uhr noch vor Ladenöffnung zusammen. "Es ist wichtig für uns alle und es geht nur gemeinsam", sagt sie. Doch aus Sicht vieler Händler zieht sich alles zu lange hin. "Es ist manchmal schwer, noch geduldig zu sein", drückt es Susan Gommlich vorsichtig aus.
Als Einzelhändlerin mit kleiner Boutique ist die Inhaberin umso mehr auf ihre Stammkunden angewiesen. Die wissen die individuelle Beratung zu schätzen und nehmen sich dafür Zeit. Die Auswahl des richtigen BHs kann schon mal über eine Stunde dauern. "Die Kundinnen legen heute noch mehr Wert darauf, dass es richtig passt, gerade bei speziellen Größen. Das ist in den letzten Jahren mehr ins Bewusstsein gerückt."
Die persönliche Beratung ist der Trumpf, den die kleinen Geschäftsinhaber gegen den mächtigen Onlinehandel in der Hand haben. Susan Gommlich hat sich vor einigen Jahren noch ein weiteres Angebot überlegt: Auch nach Ladenschluss darf in ihrer Boutique eingekauft werden. Bis zu sechs Frauen können sich zum "Freundinnenshopping" anmelden, bekommen einen Begrüßungssekt und kleinen Snack und stöbern im Wäscheangebot, inklusive Empfehlung und Vermessung durch die Expertin.
Corona-Krise glimpflich fürs Geschäft ausgegangen
Dass sie ihr Geschäft ausgerechnet im Jubiläumsjahr zum ersten Mal für längere Zeit schließen musste - wegen der Corona-Pandemie - war natürlich nicht geplant. Insgesamt sei die Situation für sie aber noch recht glimpflich abgelaufen, sagt die Geschäftsinhaberin, die die Zwangspause unter anderem zum Umdekorieren nutzte. Umso größer war die Freude, als nach der Wiedereröffnung viele Kunden kamen.
Den Schritt in die Selbstständigkeit hat Susan Gommlich nie bereut, sagt sie. Auch die Leidenschaft für Textilien ist geblieben. "Am meisten liebe ich es, Nachtwäsche zu verkaufen", kommt sie auch nach 25 Jahren noch ins Schwärmen.