Einige Wände sind noch knallig bunt. Aber ansonsten erinnert in der Konsulstraße 23 in Görlitz nicht mehr viel daran, dass hier die Lernförderschule „A.S. Makarenko“ ihren Sitz hatte, danach das Wohnheim für Schüler des Berufsschulzentrums und von 2016 bis 2020 schließlich die Waldorfschule.
Stattdessen ist das Haus mitsamt des riesigen Seitenflügels derzeit eine Großbaustelle, fünf Gewerke sind gleichzeitig tätig. Die einen mauern einen Fahrstuhlschacht, denn künftig soll das gesamte Gebäude über den Hof barrierefrei erschlossen werden. Andere arbeiten an Haustechnik, schnellen Datenleitungen, Klimaanlage und vielem mehr. „Wir haben mächtig zu tun, denn unser Mieter will schon zum 1. Juli einziehen“, sagt Bauleiter Lars Wiesner von der städtischen Tochtergesellschaft Kommwohnen. Ihr gehört das riesige Gebäude. „In den Umbau investieren wir rund zwei Millionen Euro“, sagt Wiesner.
Künftiger Mieter ist die seit 1. Januar 2008 in Görlitz ansässige Softwaretest-Firma Expleo Technology GmbH. Die ersten zehn Jahre firmierte sie als SQS, seit 1. Januar 2018 – dem Tag der Übernahme durch ein französisches Unternehmen – gehört sie zur Expleo-Gruppe. Sie ist derzeit in Görlitz an zwei Standorten zu finden. Der Großteil der rund 200 Mitarbeiter sitzt auf der Brückenstraße, gleich neben dem Tivoli, die anderen auf der Jakobstraße.
Doch Expleo muss aus der Brückenstraße ausziehen. Der Freistaat kauft das Gebäude und hat Eigenbedarf angemeldet – für die Hochschule Zittau/Görlitz, die sich vergrößern will. Das ist nicht ganz neu. „Wir sind seit anderthalb Jahren im Dialog mit dem Freistaat und der Stadt“, sagt Expleo-Geschäftsführer Ralph Gillessen. Er spricht von einem „partnerschaftlichen Dialog“, bei dem es gelungen sei, den neuen Standort auf der Konsulstraße zu finden. Görlitz zu verlassen, habe nie zur Diskussion gestanden, erklärt Gillessen: „Wir hatten auch immer den Eindruck, dass uns Land und Stadt unterstützen.“

Sein Unternehmen ist in der Software-Qualitätssicherung tätig. Lange Zeit war der Görlitzer Expleo-Standort – einer von neun in Deutschland – vor allem in der Qualitätssicherung für große Banken und Versicherungen tätig. Doch in den vergangenen zwei, drei Jahren sind neue Bereiche hinzugekommen, vor allem die Industrie und die Automobilbranche. „Wir arbeiten am Standort Görlitz für alle namhaften großen deutschen Automobilhersteller und für die Hälfte der Top-10-Banken und Versicherungen“, sagt der Geschäftsführer.
Hochschule war und ist wichtig
2008 sei die Hochschule, an der auch Informatiker ausgebildet werden, ein wichtiger Grund gewesen, sich in Görlitz anzusiedeln. Bis heute ist diese wichtig. Aber sie reicht nicht mehr aus, um den gesamten Fachkräftebedarf zu decken. „Wir wollen in diesem Jahr in Görlitz von 200 auf 300 Mitarbeiter wachsen“, sagt Gillessen.
Er glaubt, dass dieses Ziel tatsächlich zu erreichen ist. Allerdings nur dank neuer Wege wie Homeoffice und dem sogenannten „Remote Working“, bei dem die Mitarbeiter von überall aus arbeiten können. Doch die 100 neuen Leute sollen nicht etwa in München oder Hamburg gefunden werden, sondern eher im 50- bis 60-Kilometer-Umkreis von Görlitz. Gefragt sind dabei auch Menschen, die von zu Hause aus arbeiten wollen, bei Bedarf aber auch schnell mal in die Firma kommen können.

Das Geld ist nicht das Wichtigste
Vor allem mit drei Faktoren könne Expleo neue Mitarbeiter finden, glaubt der Chef: Mit der Sicherheit des Arbeitsplatzes, mit einer großen Vielfalt an Aufgabengebieten und mit vielen Aus- und Weiterbildungsangeboten. Bezahlung spiele natürlich auch eine Rolle, aber die anderen Aspekte würden im Vordergrund stehen.
Im neuen Firmensitz auf der Konsulstraße entstehen zunächst einmal 160 Arbeitsplätze – im Keller, Parterre sowie im ersten und zweiten Stock von Haupt- und Seitengebäude. Alles zusammen sind das rund 2.000 Quadratmeter, erklärt Lars Wiesner. Expleo habe einen Mietvertrag über fünf Jahre mit Option auf Verlängerung um weitere fünf Jahre abgeschlossen.
In einem zweiten Schritt könnten später noch der dritte und vierte Stock des Haupthauses hergerichtet werden. Somit wäre eine Erweiterung auf 220 Arbeitsplätze möglich. „Den Fahrstuhl bauen wir natürlich jetzt schon bis ganz nach oben“, sagt Wiesner. Ansonsten passiert dort oben jetzt aber erst einmal noch nicht viel. Ganz unten dagegen wird auch die frühere Turnhalle umgebaut – zum Schulungs- und Pausenraum. „Das Parkett bleibt drinnen, es wird aufgearbeitet“, sagt Wiesner.
Der Hof wird zum Pausenhof, dort können Fahrräder abgestellt und E-Bikes aufgeladen werden. Auch eine Ladesäule für E-Autos ist geplant. Ansonsten aber ist der Hof für Autos tabu. Die parken stattdessen auf zwei Nachbargrundstücken, wo laut Wiesner Platz für insgesamt 115 Autos ist. 90 davon will Expleo im ersten Schritt anmieten, sagt Gillessen. Für die Firma ist das ein deutlicher Gewinn. „In der Brückenstraße haben wir 42 Stellplätze“, so Gillessen. Aber das sei nicht die einzige Verbesserung: „Die neuen Räume sind anders gestaltet, sie ermöglichen ein angenehmeres, offeneres Arbeiten.“ Zudem lassen sich die Räume besser nach Projekten abtrennen. Das wird künftig nötiger denn je sein. „Bei uns sollen noch weitere Aufgabenfelder dazukommen“, kündigt Gillessen an.