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Von wegen faul und arbeitsscheu: Wie Siemens Energy Auszubildende der Generation Z begeistert

In Görlitz und Umgebung starten zahlreiche Nachwuchskräfte. Das Görlitzer Turbinenwerk baut auf innovative Ausbildungsprogramme für Nachwuchskräfte, Borbet und die Stadtwerke Weißwasser ebenfalls. Doch welche Konzepte überzeugen?

Lesedauer: 4 Minuten

Marc Hörcher

Görlitz/Weißwasser. Die Aktien stehen gut für Siemens Energy − im wörtlichen Sinne an der Börse und im übertragenen Sinne, im Ausbildungsbereich. Die Auftragslage für das Turbinenwerk in Görlitz hat sich wieder erholt − acht Jahre, nachdem die Schließung des Görlitzer Standorts verhindert wurde und rund vier Jahre nach einem massiven Stellenabbau bei Siemens Energy insgesamt. Es ist dem Unternehmen gelungen, sich wieder an den Energiemarkt anzupassen.

Rund 2500 Auszubildende und dual Studierende beschäftigt der Konzern zum neuen Ausbildungsjahr laut eigenen Angaben. Wer bei Siemens Energy ins Berufsleben startet, wird in einem von sechs Schulungscentern in einem von 33 Berufen ausgebildet, eines dieser Schulungscenter befindet sich am Standort Görlitz, an dem Industriedampfturbinen gefertigt werden und rund 700 Mitarbeiter tätig sind.

Im Görlitzer Schulungszentrum von Siemens Energy werden die Auszubildenden zu Industriemechanikern, Zerspannungsmechanikern, Maschinenbauern sowie Energie- und Umwelttechnikern ausgebildet.
Im Görlitzer Schulungszentrum von Siemens Energy werden die Auszubildenden zu Industriemechanikern, Zerspannungsmechanikern, Maschinenbauern sowie Energie- und Umwelttechnikern ausgebildet.
Quelle: PR / Siemens Energy

Dort beginnen die jungen Leute ihren Weg zum Industriemechaniker, Zerspanungsmechaniker, Maschinenbauer oder Energie- und Umwelttechniker. 40 dieser Azubis starten Anfang September in der Neißestadt, rund die Hälfte davon soll nach Bestehen ihrer Ausbildung in Görlitz übernommen werden, die andere Hälfte in Dresden und Erfurt.

Darüber freuen sich Christian Goebel und sein Kollege Ferdinand Pinzer, die beiden sind Teamleiter im Ausbildungsbereich. Man könnte auch sagen Chef-Trainer, wenngleich die wirtschaftsenglischen Jobbezeichnungen, die die beiden auf ihren Visitenkarten führen, anders lauten.

Forscher aus Harvard helfen bei neuem Ausbildungskonzept

Siemens Energy ist ein ehemaliger Geschäftsbereich der Siemens AG, der 2020 im Zuge einer Ausgliederung aus dem Mutterkonzern ein eigenständiges Unternehmen wurde. Goebel, Pinzer und ihre Kollegen wollten die Ausgliederung als Chance begreifen. „Wir haben uns damit beschäftigt, was die Generationen Z und Alpha auszeichnet und welche Erwartungen die jungen Menschen nach ihrem Schulabschluss an eine gute Ausbildung haben“, sagt Goebel. Die Antwort auf die Frage haben sie sich nicht leicht gemacht, Marktforschung betrieben, mit Forschern von der US-amerikanischen Elite-Uni Harvard gesprochen sowie mit anderen Unternehmen − und schließlich das neue Ausbildungskonzept entwickelt.

Moderne Technik kommt bei der Ausbildung zum Einsatz, bis hin zum virtuellen Schweißgerät.
Moderne Technik kommt bei der Ausbildung zum Einsatz, bis hin zum virtuellen Schweißgerät.
Quelle: PR / Siemens Energy

Bei diesem neuen Konzept begreifen sich die jungen Menschen und ihr Ausbilder als Mannschaft. In der ersten Woche wird gemeinsam ein Team-Name ausgesucht, individuell entschieden, wer wen duzt oder siezt. Wichtig sei das Prinzip der Augenhöhe, erläutern die beiden Trainer. Bei den Einstellungen achte Siemens Energy kaum noch auf Schulnoten. Sie wollen ihren Lernenden keinen Frontalunterricht bieten, dafür individuelle Lernorte, mehr Freiheit, was Lernzeiten angeht − und eine Spielekonsole im Ausbildungscenter für die Pause.

Bei den jungen Leuten komme das an, berichten die Ausbildungstrainer. Doch sehen sie keine Gefahr, dass die jungen Menschen diese „neue Lockerheit“ ausnutzen? Einzelne solcher Fälle gebe es natürlich, berichtet Goebel. Dann führe man Gespräche, nach dem Motto: „Meinst du, das ist fair gegenüber den anderen im Team?“ Insgesamt sei aber das Gegenteil der Fall: „Durch den Team-Gedanken gehen unsere Azubis mit der richtigen Haltung an die Sache ran, schlagen proaktiv neue Dinge vor“ − ganz entgegen dem in den Medien vielfach diskutierten Klischee, diese Generation sei faul und arbeitsunwillig. Es komme nur darauf an, die Generation richtig zu motivieren. Das wirke: Mit dem neuen Ausbildungskonzept sei es Siemens Energy gelungen, die Abbrecher-Quote zu reduzieren, im vergangenen Jahr habe sie in Görlitz bei null gelegen.

Nachwuchsförderung bleibt ein fester Bestandteil beim Leichtmetallradhersteller aus Kodersdorf. Am 4. August sind fünf Auszubildende in das Berufsleben gestartet. – Borbet GmbH, Pressemitteilung

Auch insgesamt interessieren sich im Landkreis Görlitz wieder mehr junge Menschen für eine Berufsausbildung, ergibt die Statistik der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden. Dieser zufolge wurden zum Stichtag 31. Juli 2025 insgesamt 416 neue Ausbildungsverträge geschlossen. Das sind 40 mehr als im Vorjahreszeitrum (376 neue Verträge). „Es handelt sich dabei ausschließlich um Ausbildungsverträge bei IHK-Betrieben. Hinzu kommen das Handwerk und weitere Berufe“, sagt IHK-Pressesprecher Lars Fiehler.

Beim Felgenhersteller Borbet in Kodersdorf starten fünf neue Auszubildende.
Beim Felgenhersteller Borbet in Kodersdorf starten fünf neue Auszubildende.
Quelle: PR / Borbet

Auch Borbet in Kodersdorf begrüßt zum Ausbildungsstart fünf neue Teammitglieder. Der Felgenhersteller war zuletzt vor allem durch Warnstreiks seiner Mitarbeiter in die Schlagzeilen geraten. Der Betriebsrat machte sich stark für eine gerechte Entlohnung, einigte sich schließlich mit der Gewerkschaft IG Metall. Nachdem das Unternehmen das überstanden hat, geht es nun also an die Nachwuchsförderung. Diese „bleibt ein fester Bestandteil beim Leichtmetallradhersteller aus Kodersdorf. Am 4. August sind fünf Auszubildende in das Berufsleben gestartet: ein Fachinformatiker für Systemintegration, zwei Elektroniker für Betriebstechnik, ein Industriemechaniker und ein Mechatroniker“, teilt das Unternehmen mit.

Spezielles Begrüßungsprogramm zum Wohlfühlen

Personalreferentin Katrin Witzmann und die Ausbildungsverantwortlichen bieten den Neuankömmlingen ein spezielles Programm, das dafür sorgen soll, dass die jungen Leute sich im Unternehmen zurechtfinden und wohlfühlen − „Onboarding-Programm“ genannt. Nach Kennenlernen und Werksführung ging es gleich an das erste gemeinsame Praxisprojekt für die Azubis, den Bau einer Sitzbank.

Wie Auszubildende in den Betrieb eingegliedert werden können, nachdem sie fertig gelernt haben, machen derweil die Stadtwerke Weißwasser vor. Dort gibt es dieser Tage einen Generationenwechsel mit neuen Gesichtern und neuen Ideen. Yasmin Wagner und Richard Penk schlossen ihre Ausbildungen zur Industriekauffrau und zum Elektriker für Automechanik erfolgreich ab. „Beide bringen ihre neu gewonnenen Kenntnisse nun direkt im Unternehmen ein und stärken das Team mit frischen Impulsen“, informiert Stadtwerke-Pressesprecherin Bettina Brandt.

Neue und altgediente Auszubildende bei den Stadtwerken Weißwasser: Yasmin Wagner (von links) übergibt den Staffelstab an William Kasper und  Leonie Jahnel.
Neue und altgediente Auszubildende bei den Stadtwerken Weißwasser: Yasmin Wagner (von links) übergibt den Staffelstab an William Kasper und Leonie Jahnel.
Quelle: Stadtwerke Weißwasser / PR

Zum neuen Ausbildungsbeginn wechselt der Staffelstab auch dieses Jahr in die Hände der nächsten Generation. Leonie Jahnel startet als angehende Industriekauffrau und William Kasper als angehender Mechatroniker in ihr neues Berufsleben.

„Die erste Woche meiner Ausbildung war aufregend und hat meine Erwartungen übertroffen. Besonders beeindruckt hat mich die Vielfalt der Aufgaben und die Besichtigung der technischen Anlagen“, sagt Leonie Jahnel. Ähnlich wie Siemens Energy setzen die Stadtwerke Weißwasser auf Unterricht in einem eigenen Schulungscampus.

Yasmin Wagner freut sich ebenfalls auf ihren Start ins Berufsleben: „Ich freue mich, nach meiner Ausbildung weiterhin Teil der Stadtwerke Weißwasser zu sein. Die abwechslungsreichen Aufgaben und das gute Miteinander ermöglichen mir, mich weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen.“

SZ

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