Nora Miethke
Freiberg. Ohne Gallium funktioniert kein Smartphone. Wer hochfrequente Signale verstärken will, braucht die Galliumarsenid-Wafer vom Unternehmen Freiberg Compound Materials (FCM) aus der sächsischen Bergbaustadt. Im Bereich der drahtlosen Kommunikation liegt der Marktanteil bei 70 Prozent. FCM beliefert die Hersteller von neuester Mobilfunktechnik und Optoelektronik in Taiwan, Japan, Südostasien und den USA.
Die Erfolgsgeschichte von FCM – das Unternehmen mit derzeit 380 Beschäftigten ist einer von vier Hidden Champions in Sachsen, also Weltmarktführer auf seinem Gebiet – ist in Gefahr. Denn die Produktion ist auf Gallium angewiesen. Doch beim Hauptrohstoff ist man fast völlig von chinesischen Quellen abhängig. Das wird zum Problem. Das Reich der Mitte hat im Juli 2023 die Ausfuhr von Gallium und Germanium beschränkt. Die Folge: Knappheit und steigende Preise. Ein Kilogramm Gallium kostet derzeit 1.000 Euro, Tendenz steigend. Das könnte sich letztendlich auch auf die Handy-Preise für die Endkunden auswirken.
Wir erwarten Aussagen zur Skalierbarkeit und zur Wirtschaftlichkeit des Verfahrens im industriellen Umfeld. – Dr. Stefan Eichler, Cheftechnologe von Freiberger Compound Materials
FCM-Geschäftsführer Michael Harz will Engpässen vorbeugen. Dabei setzt er unter anderem auf die Rückgewinnung galliumhaltiger Produktionsabfälle. Seine Ingenieure haben zusammen mit den Wissenschaftlern des Helmholtz-Instituts für Ressourcentechnologie (HIF) in Freiberg, das zum Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) gehört, ein biotechnologisches Verfahren entwickelt. Damit werden die Abwässer von FCM aufbereitet, um das blaugraue Metall zu recyceln. Die Pilotanlage ist jetzt offiziell in Freiberg gestartet, teilte das HZDR am Dienstag mit.
Das Problem: Große Verluste bei Verarbeitung des Rohstoffs
Bei der industriellen Verarbeitung geht ein beträchtlicher Teil des Rohstoffs verloren, wenn Ätz- oder Polierprozesse Material abtragen, erklärt das HZDR. Die Rückstände seien teilweise stark verdünnt oder das Gemisch chemisch komplex, sodass eine Rückgewinnung auf klassisch chemischem Weg schwer umsetzbar ist. Hier setze die Forschung an, heißt es.
Das HIF verknüpft Biotechnologie mit Ressourcentechnologie. Um Gallium aus Industrieabwässern zurückzugewinnen, hätte sich sogenannte Siderophore als geeignet erwiesen. Als Siderophore – griechisch „Eisenträger“ – wird eine Gruppe von rund 500 niedermolekularen Verbindungen bezeichnet. In der Natur werden sie von zahlreichen Bakterien, Pilzen und Pflanzenwurzeln gebildet, um Eisen aus der Umgebung aufnehmen zu können. Diese metallbindende Eigenschaft wird jetzt genutzt. „Mit einem patentierten Verfahren lösen wir das Gallium wieder von den Siderophoren, um beides erneut einsetzen zu können“, erläutert der federführende HIF-Wissenschaftler Dr. Rohan Jain.

Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
Forscher sehen großes Einsparpotenzial
Nach Angaben des HZDR wurde das Verfahren erfolgreich im Labormaßstab mit zehn Litern Durchsatz pro Tag getestet. Inzwischen bewältige die Pilotanlage bereits 100 Liter pro Tag. Schon bald sollen es 1.000 bis 2.000 Liter pro Tag sein. „Wir erwarten Aussagen zur Skalierbarkeit und zur Wirtschaftlichkeit des Verfahrens im industriellen Umfeld“, sagt FCM-Cheftechnologe Dr. Stefan Eichler.
Bei Herstellungsfirmen der Hightech-Branche würden typischerweise zwischen 10.000 und 300.000 Liter Abwasser pro Tag anfallen. Im Bergbau sogar 20 Millionen Liter oder mehr. Allein im deutschen Hochtechnologie-Sektor ließen sich laut Eichler zwei bis fünf Tonnen Gallium pro Jahr durch Recycling aus Abwasser einsparen und damit die Abhängigkeit von Importen reduzieren.
Forschungsanlage nur der erste Schritt – Ausgründung geplant
Rohan Jain und sein Team erhalten ab dem 1. Oktober für rund ein Jahr eine Ausgründungsförderung von Helmholtz Enterprise in Höhe von 230.000 Euro. Das Spin-off Programm der Helmholtz-Gemeinschaft finanziert den Aufbau des Gründungsteams sowie die Umsetzung des Gründungsprojekts. „Mein Team und ich sind besonders dankbar, die Hochskalierung der Technologie und die vorkommerzielle Phase mit einem erfahrenen Industriepartner wie der Freiberger Compound Materials durchführen zu können“, freut sich Jain.
SZ