Dresden. Es war Sozialministerin Petra Köpping, die Nadine Schmieder-Galfe 2017 den sächsischen Gründerinnenpreis überreichte. „Frau Schmieder-Galfe beweist, dass Frauen im Bereich Life Science, einer noch immer männlich dominierten Branche, durchaus erfolgreich gründen können“, hatte die Sozialdemokratin damals gesagt. Die Biotechnologin sei mit ihrem Dresdner Start-up ein Vorbild für andere Nachwuchsunternehmerinnen.
Acht Jahre ist das her. Schmieder-Galfe hat seitdem zwei Start-ups im Biotechnologie-Bereich intensiv aufgebaut. Doch eines davon musste sie nun in die Insolvenz verabschieden. Wie es dazu gekommen ist? Darüber will sie in ihrem lichtdurchfluteten Büro im BioZ sprechen, einem Innovationszentrum für Start-ups und Forschung in der Dresdner Johannstadt. Doch der Reihe nach.
Forschung nicht in der Schublade verschwinden lassen
Der Weg von Schmieder-Galfe begann an der TU Dresden, an der sie Biotechnologie studierte. Dabei bemerkte sie, dass viele Forschungsarbeiten in der Schublade landen, nicht weiterentwickelt wurden, um etwa in Form von neuen Medikamenten oder Therapien zurück in die Gesellschaft zu kommen. Weil sie sich damit nicht abfinden konnte, beschloss sie: „Ich will helfen, Bio-Tech großzumachen.“
Um dafür mehr Grundlagenwissen zu erwerben, absolvierte sie – statt zu promovieren – 2009 einen berufsbegleitenden Master in Wirtschaft und Recht. 2015 erfolgte dann der Schritt in die Wirtschaft, sie gründete mit vier Biophysikern das Unternehmen Zellmechanik Dresden GmbH. Die Ausgründung produziert und vertreibt weltweit ein Forschungsgerät, das die Eigenschaften biologischer Zellen in Sekundenschnelle analysiert. „Es wäre schade, wenn diese Erkenntnisse nur in einem Forschungslabor an der TU Dresden geblieben wären“, sagt sie.
Aus für Dresdner Biotech-Unternehmen Dynabind
Seit 2020 unterstützt Schmieder-Galfe zudem eine zweite TU-Ausgründung, die Dynabind GmbH. Mit einem zehnköpfigen Team arbeitete sie an einer Technologie, die Pharmaunternehmen hilft, schneller und effizienter Medikamente zu entwickeln. „Wir wollten wachsen und auf den US-amerikanischen Markt vordringen“, erinnert sich Schmieder-Galfe an den internationalen Teamgeist. Beide Unternehmen forschten im BioZ der Dresdner Johannstadt.
Es beeinflusst mich nicht negativ, eher im Gegenteil, ich habe bereits Jobanfragen erhalten. – Nadine Schmieder-Galfe
Biorechnologin und Firmengründerin, über das Scheitern
Fünf Jahre später muss Schmieder-Galfe nun mit ihren Kollegen im Büro die Sachen packen, im März 2025 wird klar, dass das Start-up Dynabind dichtmacht. „Es war im ersten Moment eine Katastrophe“, gibt sie zu. „Aber“, setzt sie nach, „im Bio-Tech-Bereich gehört Scheitern dazu. Man muss dann aufstehen. Krone richten. Weitermachen.“
Das Start-up stand kurz vor dem Verkauf
Warum es zu dem Aus kommen konnte? Sie hätten bei Dynabind – anders als beim Start-up Zellmechanik – von Anfang an auf Risikokapital gesetzt, schnell wollten sie Fuß in den USA fassen, denn dort sei die Bio-Tech-Szene größer. „Wir haben aber keinen Wachstumskapitalgeber gefunden.“ Als Grund nennt sie unter anderem, dass Investoren während der Corona-Pandemie sehr viel Geld in Life Science gesteckt hätten, nun seien sie zurückhaltender. Auch die generell schwierige wirtschaftliche Lage sowie die US-Regierung unter Präsident Donald Trump mit ihrer Zoll- und Kürzungspolitik hätten die Pharmabranche verunsichert. „Viele Pharmaunternehmen investieren aktuell sehr wenig“, sagt sie. „Der Fehler war, dass wir nicht schnell genug in den USA waren, zu lange gewartet haben.“
Schlussendlich entschied das Team, die Firma zu verkaufen „Der Deal mit einem großen internationalen Unternehmen war vorbereitet, die Pressemitteilung geschrieben“, sagt Schmieder-Galfe. „Doch dann ist der Deal geplatzt.“ Als Grund nennt sie: Die Kundenstruktur war zu ähnlich. Im Januar geht die 41-Jährige mit gesenktem Kopf zum Insolvenzverwalter.
Kritik an Stadt Dresden: Fokus auf Chipbranche
Kritisch blickt sie dabei auch auf die Stadt Dresden: „Es geht in der Bio-Tech-Szene in Dresden rückwärts, es wird ein starker Fokus auf die Halbleiterbranche gelegt, da fallen andere Bereiche herunter – das nutzt anderen Standorten wie Leipzig.“ Das zeigt sich auch in der Zielsetzung: Bis 2035 will Leipzig zu den Top 3 der deutschen Standorte für Lebenswissenschaften aufsteigen. Ein solches Ziel gibt es in der sächsischen Landeshauptstadt nicht. Dresden habe viel Forschungsgelder in die Biotechnologie gesteckt, doch nun sollten daraus auch Start-ups entwickelt werden, fordert Schmieder-Galfe.
Die Krone hat die Biotechnologin seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder gerichtet. An diesem Spätsommertag sitzt sie mit erhobenem Kopf und guter Laune in den Räumen der Zellmechanik, ihrem zweiten Unternehmen. Dem gehe es gut.
Scheitern noch immer in Deutschland negativ belegt
Ihr zufolge sei Scheitern in Deutschland noch immer mit einem negativen Stigma belegt, dabei merkt sie schon jetzt: „Es beeinflusst mich nicht negativ, eher im Gegenteil, ich habe bereits Jobanfragen erhalten.“ Das einzige, was sich wirklich negativ auswirkt: Das eingezahlte Stammkapital des Gründungsteams von mehreren Tausend Euro ist weg.
„Viele begabte junge Menschen wollen lieber in die Sicherheit von Großunternehmen. Da geht den Start-ups so viel Potenzial verloren.“ Schmieder-Galfe verweist auf Worte aus einem Kinderbuch: „Was ist wichtiger? Der Weg oder das Ziel?“, fragt da der große Panda. Der kleine Drache antwortet: „Die Weggefährten!“ In einem guten Team mit vielen Möglichkeiten zu arbeiten, sei ihr immer wichtiger gewesen.
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