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Besuch in Ostdeutschlands größtem Bordell

Datingportale bedrohen das Geschäftsmodell der Sexclubs - und das seit 2017 geltende Prostituiertengesetz schadet offenbar mehr, als es nutzt.

Lesedauer: 5 Minuten

Sie brachte Donald Trump in Erklärungsnot und vermutlich auch ins Schwitzen. Sie sei die einzige Frau weltweit, schrieben Zeitungen, vor der der amerikanische Präsident Angst habe. Die Rede ist von Stormy Daniels, jener amerikanischen Erotikdarstellerin und Regisseurin, die eine Affäre mit Trump gehabt haben soll. Darüber sprach sie bei ihrem Besuch im Leipziger FKK Saunaclub nicht, stattdessen präsentierte sie den zumeist männlichen Besuchern nackte Haut. Der Gast war prominent genug, Sachsens größtem Bordell, FKK- und Saunaclub deutschlandweit Aufmerksamkeit zu verschaffen, sagt die Frau, die die Idee dazu hatte.

Franziska Mantello ist seit 2015 Geschäftsführerin des Hauses. Ihr Büro wird von Bruno bewacht, einer milchkaffeebraunen französischen Bulldogge, die auf den bunten Kissen ihres Hundebettchens döst. In den Büroschränken stehen die grauen Leitz-Ordner dicht gedrängt, auf dem Tisch steht eine Wasserkaraffe. Einzig der überdimensionale Jahresplaner 2019 mit der barbusigen blonden Dame erinnert daran, dass man hier nicht in der Lohnbuchabteilung eines Heizung-Sanitär-Betriebes, sondern mitten in Sachsens größtem Sexclub sitzt.

Dessen Geschichte besteht durchaus nicht nur aus Höhepunkten. 1994 hat der Frankfurter Bordellbetreiber Willi Schütz das Haus am Wasserturm errichtet. Es liegt an der Torgauer Straße und damit verkehrstechnisch durchaus günstig. Man ist schnell da, aber eben auch genauso schnell wieder weg.

Und die Geschäfte gingen gut. Der Osten, bis 1989 bordellfreie Zone, abgesehen von einigen Damen, die auf der Leipziger Messe ihre Liebesdienste angeboten haben sollen, war neugierig und offenbar auch liebeshungrig. Schlange sollen die Kunden einst vor dem Laufhaus in Leipzig gestanden haben.

Franziska Mantello kennt diese Geschichten nur aus der Erzählung. Sie kam erst 2013 nach Leipzig und half beim Neustart des Clubs nach seiner fast einjährigen Schließung. Das Laufhaus, in dem einst 48 Damen ihre Liebesdienste angeboten haben, wurde etwas verkleinert, parallel entstand ein Wellnessbereich mit Sauna, Whirlpool und Ruheoasen. Die Idee des FKK-Saunaclubs gab es im Westen schon länger, nun wurde das kombinierte Angebot in den Osten exportiert. 

Franziska Mantello, die in einem ähnlichen Club in Gießen gearbeitet hatte, kam nach Leipzig und dekorierte die Zimmer, suchte die Wandfarben aus. Die VIP-Suite, in die man ungesehen direkt von der Tiefgarage per Fahrstuhl gelangt, bekam schwarz-goldene Tapeten, entworfen von Harald Glööckler. 

Das Schöne, das liegt ihr. Die gebürtige Mannheimerin hat Floristin gelernt, aber nie in dem Beruf gearbeitet. Das Jobben in einer Peepshow erschien ihr aufregender, und der Weg in die Prostitution war von da nicht mehr weit. "Ich war jung, ich war naiv, und ich freute mich über das Geld", sagt die Unternehmerin heute. Sie habe, so Franziska Mantello, ihren Job geliebt, vielleicht auch, weil sie in all den Jahren keine Erfahrungen mit übergriffigen Kunden machen musste.

Die gibt es durchaus, wenn auch selten, wie die Einsatzstatistik der Leipziger Polizei belegt. Die Beamten haben in dem Club in den zurückliegenden 16 Monaten zwei Fälle von Körperverletzungen registriert.

Alle Mädchen im FKK Saunaclub arbeiten auf eigene Rechnung und müssen, genauso wie die männlichen Besucher, einen Eintritt von 60 Euro pro Tag beziehungsweise Nacht bezahlen. Für Dauergäste gibt es Rabatte. Dafür können sie sich in dem Wellnessbereich frei bewegen, die Saunen nutzen, im Whirlpool baden oder sich an dem Buffet in der zweiten Etage bedienen. Frühstück gibt es hier bis 15 Uhr, danach folgen Kaffee und Kuchen und ab 18 Uhr gibt es ein warmes Abendangebot – mit mindestens einem Essen für Vegetarier.

Neben dem Restaurant stöhnt es aus dem Sexkino. Der Herr, der sich auf der Leinwand abmüht, tut das noch ohne Publikum. Auf den drei XXL-Liegeflächen herrscht gähnende Leere. Das sei, sagt Franziska Mantello, um elf Uhr morgens normal.

Auch nebenan im Laufhaus, das ebenfalls zur Wasserturm GmbH gehört, beginnt der Tag gerade erst. "Die Mädels schlafen oft bis Mittag und machen sich dann zurecht", so Mantello. Eine eigene Familie, gar eigene Kinder waren für sie nie ein Thema. Stattdessen kümmert sie sich um den Club und um die Mädchen, nicht ohne zu betonen, dass die sich lediglich einmieten. "Ich kenne weder die Preise noch die täglichen Umsätze", so Mantello. Das den Behörden glaubhaft zu vermitteln, sei nicht immer leicht. "Aber wir stellen hier wirklich nur die Infrastruktur zur Verfügung, wie ein kleines Hotel, mehr nicht", betont die Chefin. Verpflichtungen habe sie trotzdem mehr als genug.

Seit 1. Juli 2017 gilt das Prostituiertenschutzgesetz in Deutschland. Ein Versuch der Politik, das Rotlichtgewerbe besser kontrollieren zu können. Glaubt man Franziska Mantello, dann ist dieser Versuch gescheitert. "Die Frauen müssen sich beraten lassen und erhalten für 35 Euro vom zuständigen Gesundheitsamt einen auf ein Jahr befristeten Prostituiertenausweis", so Mantello. Offenbar umgehen aber immer mehr Frauen diese Prozedur und tauchen von legalen Clubs in die Illegalität privater Wohnungen ab. Eine These, die aktuelle Zahlen stützen. Nachdem das Gesetz 2017 in Kraft trat, gingen Experten von rund 10.000 Prostituierten in Sachsen aus. Tatsächlich registriert haben sich bisher nur 722.

So steht es in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Katja Meier. Die Zahlen beruhen auf Stellungnahmen der Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz sowie des Vogtlandkreises. Die Kreise Görlitz und Zwickau hatten keine Meldung gemacht. Und es gibt Widersprüche. So wurden beispielsweise in Chemnitz 191 Bescheinigungen ausgestellt, aber nur 162 Beratungsgespräche durchgeführt, obwohl diese zwingende Voraussetzung für die Arbeitserlaubnis sind. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass einige Damen unter mehreren Alias-Namen arbeiten und für jede ihrer Identitäten einen Pass besitzen.

Die Mehrzahl der Liebesdamen kommt übrigens aus Deutschland. Es gebe aber auch Sexarbeiterinnen aus Ungarn, Bulgarien, der Slowakei und Tschechien. Nur Frauen, die aus Ländern der Europäischen Union kommen, dürfen hier anschaffen. "Eine Amerikanerin, die sich einmieten wollte, mussten wir wieder wegschicken. Sie hatte ein Urlaubs-, aber eben kein Arbeitsvisum", sagt Franziska Mantello. 

Sie lobt die Zusammenarbeit mit den Behörden in Leipzig. Die Polizei war in den letzten 16 Monaten elf Mal im Einsatz, unter anderem um drei Verkehrsunfälle aufzunehmen und zwei zur Fahndung ausgeschriebene Personen zu verhaften. Hinweise, dass der FKK Saunaclub eine Rolle in der Auseinandersetzung zwischen Rockerclubs spiele, gebe es nach jetzigem Kenntnisstand nicht. Auch das Thema Zwangsprostitution spiele in dem Haus keine Rolle, so ein Polizeisprecher.

Aber das Geschäft mit der Lust, es schwächelt offenbar, wie ein Blick in den Bundesanzeiger zeigt. Wies die Wasserturm GmbH für 2016 noch rund 13 000 Euro Gewinn aus, waren es 2017 4000 Euro Miese. Wohl gemerkt: Hier geht es um die Betreiberkosten der Immobilie, nicht um die Umsätze der Damen, die in Leipzig nach dem Düsseldorfer Verfahren mit einer Pauschale für jeden Arbeitstag besteuert werden.

Träume sind erlaubt

"Wir haben 365 Tage im Jahr geöffnet, von morgens um elf bis nachts um drei. Service, Catering und Reinigung, alles läuft rund um die Uhr", erklärt Franziska Mantello die hohen Betreiberkosten. Die Handtücher und Bettlaken, die hier jeden Tag anfallen, werden in der hauseigenen Wäscherei gereinigt. Die Industrietrockner laufen rund um die Uhr und schicken den Duft von Weichspüler durchs ganze Haus.

Dass Laufhäuser im Zeitalter der Digitalisierung ausgedient haben, wo man sich über Datingportale auch für den schnellen Sex verabreden kann, daran glaubt Franziska Mantello nicht. "Bei uns gibt es keine gefälschten Profile, dafür echte Frauen", sagt sie.

An der spärlich beleuchteten Bar kitzelt kalter Zigarettenrauch die Nase. Hier sitzt Natalie, die ihren richtigen Namen nicht verraten möchte, und wartet, ein Glas Wasser vor sich, auf Kundschaft. Nur ein um die Hüfte geschlungenes Handtuch schützt vor allzu neugierigen Blicken. Ein Stammkunde hat seinen Besuch angekündigt. Es bleibt gerade noch Zeit, die Lippen nachzuziehen. Natalie wünscht sich eine noch üppigere Oberweite. Aber wird sie dann noch ihre Kinder stillen können? Zwei, am besten drei möchte sie haben, wenn der Richtige kommt.

Träume sind erlaubt, gerade hier zwischen Lotterbett und Bartresen.

 

Von Ines Mallek-Klein

Foto: © Ronald Bonß

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