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Birkenstock baut Leiharbeiter im Werk in Bernstadt ab

In Bernstadt gibt es Gerüchte, dass Arbeit nach Rumänien verlegt wird. Was daran wahr ist, was sich verändern wird und wie das Unternehmen die Ost-West-Lohnlücke schließen will.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht viele Birkenstock Schuhe
Birkenstock wächst weltweit weiter - und fokussiert sich deshalb auch in den Oberlausitzer Werken neu. Quelle: nikolaischmidt.de (Archiv)

Anja Beutler

Wenn der große deutsche Schuhhersteller Zahlen benennt, sind und waren sie in letzter Zeit häufig mit einem deutlichen Plus versehen: 20 Prozent Wachstum habe man nach wie vor, heißt es von dem Unternehmen, das inzwischen zur französisch-amerikanischen Beteiligungsgesellschaft L Catterton gehört. Umsatz und Gewinn sind auch in diesem – generell eher als krisenhaft wahrgenommenen – Jahr gestiegen. Aktuell bereitet das Unternehmen außerdem den Einstieg in den asiatischen Markt vor.

Unter der Belegschaft in der Oberlausitz machen hingegen eher andere Zahlen eine Runde. Von einer Verlagerung der Arbeit Richtung Rumänien tönt es beispielsweise auf den Fluren des Bernstädter Werkes. Und die auch bei Birkenstock bestehenden Lohnunterschiede zwischen den west- und den ostdeutschen Werken waren jüngst unter anderem Thema in einem Beitrag des MDR-Magazins „Umschau“. Bei Birkenstock in der Oberlausitz, wo der Schuhhersteller seine größten Produktionskapazitäten in Deutschland aufgebaut hat, herrscht mindestens Unsicherheit. Was ist also dran an Befürchtungen und Kritik? Das sagt das Unternehmen dazu:

Werden in der Oberlausitz Stellen abgebaut oder ins Ausland verlagert?

Birkenstock ist in der Oberlausitz mit den Werken in Bernstadt und Görlitz eine Hausnummer: Alles in allem arbeiten rund 3.000 Menschen hier für den Schuhhersteller – 980 davon in Bernstadt. Aus Mitarbeiterkreisen ist zu hören, dass derzeit Arbeit aus Bernstadt in Richtung Rumänien verlagert werde – und damit Arbeitsplätze wegfallen. Das treffe so nicht zu, betont Birkenstock-Sprecher Jochen Gutzy. Korrekt sei, dass man seit Längerem unter anderem mit einem rumänischen Zulieferer arbeite. Dieser gleiche Kapazitätsspitzen aus und unterstütze die eigenen Werke beispielsweise auch, wenn ein hoher Krankenstand zu verzeichnen sei. Weitere Entlastung komme von einem neuen Birkenstock-Standort im portugiesischen Arouca. Dort hat das Unternehmen einen langjährigen Zulieferer direkt übernommen und als eigenen Standort erheblich ausgebaut. Derzeit laufe die Produktion an. Im gleichen Zug wird Birkenstock – auch in Bernstadt – den Anteil der Leiharbeiter zurückfahren und damit die bisherige Zahl von 980 Mitarbeitern reduzieren. Gutzy betont in diesem Zusammenhang, Leiharbeit sei „dem Wesen nach eine zeitlich befristete Arbeitnehmerüberlassung“ – also ein Instrument für Übergänge. Der Anteil der Leiharbeiter liegt in Bernstadt derzeit bei rund elf Prozent. „Die Kernbelegschaft am Standort Bernstadt ist hiervon nicht betroffen, wir bauen fest auf die Zusammenarbeit mit allen festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, hebt Gutzy hervor.

Warum ist eine Verlagerung überhaupt nötig?

Birkenstock wächst stetig – und muss das auch weiter, weil der anvisierte Start auf dem asiatischen Markt noch einmal ganz andere Produktionsmengen erfordern wird. Dennoch will das Unternehmen, das den Spagat zwischen Massenproduktion, Manufakturarbeit und Modewelt leisten muss, möglichst alles in der eigenen Hand behalten – um die Qualität auf hohem Niveau zu halten. Das könne man mit eigenen Werken und eingearbeiteten Mitarbeitern besser – auch deshalb hat der Schuhhersteller aktuell in Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern und eben im portugiesischen Arouca neue Werke eröffnet. Weitere Unterstützung durch bekannte Zulieferer wie eben in Rumänien sei „quantitativ unbedeutend“, betont der Unternehmenssprecher.

Mit dieser Neusortierung der Kräfte sollen zudem die Werke ihre eigentlichen Stärken ausspielen können: „Refokussierung“ nennt man das bei Birkenstock. Bernstadt steht beispielsweise seit jeher für Fertigung der Obermaterialien der einzelnen Modelle, die gestanzt, geprägt, gepresst werden. Auch deshalb ist hier das seit einigen Jahren das konzerneigene Prüflabor für Materialien eingerichtet worden. Zuletzt hat Birkenstock in Bernstadt in eine exklusive Neuheit investiert: Der seit Jahren bestehenden Kooperation mit weltbekannten Designern hat man mit der Premiumlinie 1774 einen Rahmen gegeben. Das Kreativ-Büro von „1774″ sitzt in Paris. Alle Ideen, die dort entwickelt werden, kommen dann nach Bernstadt, wo Profis sich daran machen, die Idee ganz praktisch in eine Produktionsweise umzusetzen. Diese Zusammenhänge seien sicherlich nicht allen Mitarbeitern klar, daher solle es noch Ende dieses Jahres eine Informationsveranstaltung für die Mitarbeiter geben.

Warum zahlt Birkenstock im Osten weniger?

In einem MDR-Beitrag ist Birkenstock als eines der Negativbeispiele bei der sogenannten Ost-West-Lohnlücke genannt worden. In der Tat zahlt der Schuhhersteller nicht überall den gleichen Lohn, sondern „marktgerechte Löhne“, wie es Jochen Gutzy formuliert. Wie und ob sich die Lohnunterschiede konkret in den einzelnen Werken und Bundesländern in Euro und Cent gestalten, teilt das Unternehmen nicht mit, umschreibt dies aber mit dem Vergleich der Werke in St. Katharinen bei Bonn und Görlitz. Demnach habe 2023 der Unterschied zwischen den Gehältern „über alle Entgeltgruppen hinweg bei 5,1 Prozent gelegen. In diesem Jahr habe sich der Abstand auf 4,6 Prozent verkleinert – und werde das weiter tun: 2026 soll der Lohnunterschied zwischen Birkenstock Ost und West „weiter bis auf 2,6 Prozent absinken“. Das sei der Kern eines auf drei Jahre ausgelegten Vertrages zwischen dem Unternehmen und den Betriebsräten an den Standorten. Dennoch geht es unter anderem der Gewerkschaft IG Metall vor Ort nicht schnell genug: Gewerkschafter Krzysztof Iwanowski kritisierte jüngst gegenüber dem MDR, dass Birkenstock seinen Umsatz in den vergangenen zehn Jahren nahezu verfünffacht habe, an die Börse gegangen sei und höhere Preise für die Produkte aufrufe, bei der Lohnangleichung aber noch immer Unterschiede mache.

Spielt bei der Lohnfrage die Nähe zu Polen eine Rolle?

Die Frage drängt sich auf, wenn Birkenstock von marktgerechten Löhnen spricht, bei deren Berechnung Mieten vor Ort genauso eine Rolle spielen, wie das, was andere Unternehmen vor Ort zahlen. Zudem liegt der Anteil der polnischen Mitarbeiter in den Oberlausitzer Birkenstockwerken bei bis zu 75 Prozent. Jochen Gutzy verneint das jedoch ganz klar: Es spiele keine Rolle, in welchem Land die Mitarbeiter leben, man orientiere sich an den Gegebenheiten in Deutschland vor Ort.

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