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Corona-Knick am Oder-Neiße-Radweg: Gehen den Pensionen die Radfahrer aus?

Es sind weniger Radtouristen zwischen Görlitz und Bad Muskau unterwegs. Das spüren Betreiber von Gaststätten und Pensionen – und nennen mehrere Gründe. Bauarbeiter und polnische Gäste gleichen einiges aus.

Lesedauer: 4 Minuten

Steffen Gerhardt

Görlitz/Bad Muskau. Dass in Rothenburg in diesen Monaten so kräftig gebaut wird, zahlt sich für die Pensionen aus. Der Schulneubau, das Bürgerzentrum und die Sport- und Mehrzweckhalle binden zahlreiche Firmen an die östlichste Kleinstadt und damit ihre Beschäftigten.

Das bestätigt Claudia Hieke. Sie ist für die Buchhaltung in der Pension Cubana zuständig. Im Juli hatte die Pension ihre bisher höchste Auslastung in diesem Jahr von 54 Prozent. Ein Sonderfall ist das vergangene Wochenende gewesen. Zum Rothenburger Sommerfest sind alle der 13 Zimmer ausgebucht, sagt sie.

In der Hochsaison sind vorher täglich 100 bis 150 Radler bei uns vorbeigekommen. – Stefanie Röhle, Gastwirtin in Rothenburg

Was die Radfahrer betrifft, die auf dem 630 Kilometer langen Oder-Neiße-Radweg unterwegs sind, ist ihr Anteil, gemessen an allen Gästen, gering. Neben den Handwerkern und Bauarbeitern, die die Zimmer die Woche über belegen, sind es Touristen, die die Region bereisen und Gäste, die aufgrund von Feiern und Veranstaltungen übernachten.

In Rothenburg-Noes führt Stefanie Röhle ihren Gasthof „Neißeaue“ mit Pension. 15 Betten stehen zur Übernachtung bereit. Dass weniger Radtouristen hier einkehren, stellt die Gastronomin in den jüngsten Jahren fest, besonders nach der Corona-Pandemie. „In der Hochsaison sind vorher täglich 100 bis 150 Radler bei uns vorbeigekommen, darunter auch Familien. Jetzt wird es noch die Hälfte sein“, hat sie beobachtet.

Mehr polnische Radfahrer unterwegs

Je höher die Frequenz auf dem Radweg ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Radtouristen anhalten und einkehren. „Dafür sind aber mehr polnische Radfahrer unterwegs, meist in Gruppen zwischen zehn und zwanzig Personen“, stellt Stefanie Röhle fest.

Jüngst kehrte bei ihr eine Radfahrerin ein. Sie war mit dem Zug von Finsterwalde nach Görlitz gefahren und nahm den Rückweg mit dem Fahrrad die Neiße und Oder entlang. Die Frau erzählte, so die Wirtin, dass sie sich sehr allein auf dem Radweg vorkam, ihr kaum Gleichgesinnte begegnet sind. Dennoch fühlte sie sich auf dem Radweg sicher, obwohl sie allein unterwegs war.

Yudilys Diaz Medina führt seit acht Jahren die Pension Cubana in Rothenburg. In diesen Monaten sind es vor allem die Bauarbeiter, die die Woche über die Zimmer belegen.
Yudilys Diaz Medina führt seit acht Jahren die Pension Cubana in Rothenburg. In diesen Monaten sind es vor allem die Bauarbeiter, die die Woche über die Zimmer belegen.
Quelle: Matthias Rietschel

Dass weniger Radtouristen die Neiße entlang radeln, führt Stefan Hofmann auf zu wenige oder fehlende Einkehrmöglichkeiten am Radweg zurück. Das kritisieren seine Gäste. Stefan Hofmann führt zusammen mit vier Angestellten in Klein Priebus die Pension „Zum alten Gasthaus Hänsel“. Sieben Zimmer, ausgestattet mit 16 Betten, bietet die Pension.

Obwohl im Kreis Görlitz noch die beste Infrastruktur vorzufinden ist, stehen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern den Radtouristen noch weniger Möglichkeiten für einen Imbiss zur Verfügung. Das macht so eine touristische Strecke unattraktiv. Die Auswirkungen spürt der Pensionsinhaber. Obwohl er auf der Internetplattform „Bett + Bike“ des ADFC gelistet ist.

Die Buchungen sind im Vergleich zum Vorjahr bei mir um 23 Prozent zurückgegangen. – Stefan Hofmann, Pensionsinhaber in Klein Priebus

Zu wenig Gäste: Kein Mittagessen und kein Biergarten mehr

„Die Buchungen sind im Vergleich zum Vorjahr bei mir um 23 Prozent zurückgegangen“, sagt er. Das hat Auswirkungen auf sein Gasthaus. In diesem erfolgt nur noch die Versorgung der Übernachtungsgäste mit Frühstück und Abendbrot. Ein Tagesgeschäft mit Mittagessen gibt es seit diesem Jahr nicht mehr und auch der Biergarten bleibt geschlossen aufgrund fehlender Gäste, betont der Wirt.

Seit 2003 führt Hofmann die Pension und den Gasthof. Er ist froh darüber, dass das Objekt sein Eigentum ist. „Müsste ich noch Miete zahlen, hätte ich schon längst geschlossen“, erklärt er. Was die Radfahrer betrifft, stellt Stefan Hofmann ein verändertes Verhalten fest. „Seit Corona kommen sie öfters mit dem Auto und haben ihre Räder dabei. Es werden mehr Kurzstrecken, also Tagestouren, gefahren“, lautet seine Erkenntnis.

Polnische Radfahrer sogar aus Kattowitz und Krakau

Auffällig ist ebenso für ihn, dass mehr Polen, oft in Familie, unterwegs sind. Sie reisen bis aus Kattowitz (Katowice) und Krakau (Kraków) mit dem Auto an, um sich hier beispielsweise die Sehenswürdigkeiten westlich der Neiße anzuschauen. Dafür lassen sich weniger Niederländer und Tschechen bei ihm blicken. „Sie waren nur in den ersten Jahren der Pension gekommen.“

Ein fester Faktor ist für den Inhaber seine Stammkundschaft. Sie macht den Hauptanteil seiner Gäste aus. Wie die anderen Pensionsinhaber sorgt sich Stefan Hofmann um die steigenden Kosten in der Bewirtschaftung. Gibt er die Wäsche in die Reinigung, so sind die Preise um die Hälfte gestiegen. Waren lässt er sich nur noch einmal in der Woche von einem Großmarkt in Cottbus aus anliefern, um Fahrtkosten zu sparen. Bisher waren es drei Touren, berichtet er.

Vor Corona hatten wir eine stabile Auslastung von rund 70 Prozent, danach übernachtet nur noch die Hälfte der Gäste bei uns. – Alexander Thomel, Pensionsinhaber in Bad Muskau

Die gleichen Sorgen treiben auch Alexander Thomel um. Zusammen mit seiner Frau führt er die Pension „Parkstübel“ in Bad Muskau. Einzelzimmer, Doppelzimmer und Zweibettzimmer bietet Familie Thomel am Marktplatz.

„Vor Corona hatten wir eine stabile Auslastung von rund 70 Prozent, danach übernachtet nur noch die Hälfte der Gäste bei uns“, sagt Alexander Thomel. Das zeigt sich besonders bei den Radfahrern. Bisher war das Verhältnis 70 zu 30, also 70 Prozent Radler, 30 Prozent übrige Gäste. Nunmehr hat sich das Verhältnis auf 50 zu 50 eingepegelt. Das heißt, es kommen mehr Leute, die sich für den Pückler-Park und die Waldeisenbahn interessieren, besonders Fotografen.

Eine Strecke mit der Bahn

Was dem Radtourismus entlang der Neiße geschadet hat, war die monatelange Sperrung der Eisenbahnstrecke bei Ostritz durch den wiederholten Kabeldiebstahl, schätzt Alexander Thomel ein. „Nicht wenige Radtouristen fahren eine Strecke mit der Bahn und die andere mit dem Rad. Zittau ist oft der Start oder das Ziel.“

Hinzu kommt, dass sich die Deutsche Bahn schwertut im Mitnehmen vor Rädern. Bei Einzelpersonen ist das kaum ein Problem, aber für Gruppen fehlt oft der Platz, hat der Pensionsinhaber aus Gesprächen mit seinen Gästen erfahren.

SZ

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