Von Annett Kschieschan
Leipzig. Die KI kommt nicht. Sie ist längst da. Dort, wo es gelingt, sie optimal in Arbeitsprozesse einzubinden und im besten Fall Innovationen auf den Weg zu bringen, wird die Künstliche Intelligenz auch Motor der wirtschaftlichen Entwicklung sein. Warum nicht in Leipzig? Hier hat die SIB-Niederlassung Leipzig II vor Kurzem die letzte von vier Mietflächen im Löhrs Carré an die Universität Leipzig übergeben, die dort das ScaDS.AI Dresden/Leipzig unterbringen wird. Die etwas unhandliche Abkürzung steht für das Zentrum für skalierbare Datenanalyse und Künstliche Intelligenz, eines von fünf nationalen Kompetenzzentren für Künstliche Intelligenz (KI), das im Rahmen der KI-Strategie der Bundesregierung sowohl vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Freistaat Sachsen gefördert wird.
175 Wissenschaftler aus 21 Nationen
Das neue Zentrum soll den Wirtschaftsstandort Leipzig stärken und gleichsam die KI-Expertise aus ganz Sachsen bündeln. Im ScaDS.AI fließen die Data-Science-Erkenntnisse der TU Dresden, der Universität Leipzig sowie weiterer zehn außeruniversitärer Forschungseinrichtungen zusammen. Konkret in Leipzig arbeiten gegenwärtig 175 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus 21 Nationen zu den Anforderungen von KI-Anwendungen an qualitativ hochwertige Daten und formalisiertes Wissen, um präzise und zuverlässige Vorhersage- sowie Analyseergebnisse zu ermöglichen.
Interdisziplinarität wird dabei großgeschrieben: In die KI-Forschung fließen Erkenntnisse aus Medizin und Umweltwissenschaften, aus Physik, Chemie, Meteorologie, Neurowissenschaften, Mathematik und Informatik ein. Und manche davon dürften mittelfristig auch die Basis neuer Firmengründungen sein. Und weil Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft nur gemeinsam das Beste erreichen können, gehört auch ein Veranstaltungs- und Ausstellungsbereich zum ScaDS.AI. Das „Living Lab“ will Brücke zwischen Wissenschaft und Alltagswelt sein.
Zur Alltagswelt vieler Kinder der Achtziger -und Neunzigerjahre gehörten Träume einer vermeintlich weit entfernten Zukunft: das Lieblingsessen mit einem Klick bestellen und gleich bezahlen, auf genau diesem Weg Tickets für das Konzert der Lieblingsband ordern, von zu Hause aus am PC arbeiten und die Ergebnisse in alle Welt schicken, in ein selbstfahrendes Auto steigen und sich bequem durchs Land chauffieren zu lassen. Das meiste davon ist für uns heute Alltag. Zwar rollen hierzulande noch keine selbst fahrenden Pkw, aber in einen selbst fahrenden Bus kann man im Leipziger Land schon einsteigen. Möglich macht das ein besonderes Strukturwandelprojekt in Rackwitz. Zu ihm gehört der „FahrerLose Automatisierte Shuttlebus“ – kurz FLASH. Staatsministerin Regina Kraushaar nutzte jetzt die Möglichkeit, sich gemeinsam mit Nordsachsens Landrat Kai Emanuel während einer Testfahrt ganz hautnah von den Vorteilen der modernen Verkehrsplanung zu überzeugen.
Der Flash als gutes Beispiel für ganz Deutschland
Denn Flash gilt als Vorzeigeprojekt, das aus dem Leipziger Land in den ganzen Freistaat ausstrahlen könnte. Schon seit 2023 rollt der fahrerlose Bus im Linienverkehr. Und das mit Erfolg. Das Projekt zeige „eindrucksvoll, wie Strukturwandel, Klimaschutz, zukunftsfähiger ÖPNV und Digitalisierung Hand in Hand gehen können. Im Ergebnis entstehe „deutlich mehr Flexibilität in der Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsmittel, die Menschen haben dadurch mehr Komfort und Lebensqualität“, und nicht zuletzt zahle das Projekt auch auf Nachhaltigkeit und sichere Mobilität ein. „Mich überzeugt und beeindruckt das Projekt zutiefst“, so Regina Kraushaar.
Der Bus gehört bundesweit zu den ersten Projekten, die mit den Fördergeldern für den Strukturwandel in den Kohleregionen umgesetzt wurden. Als Verbindung zwischen dem S-Bahnhof Rackwitz und der Schladitzer Bucht stärkt er gleichsam die touristische Infrastruktur im Leipziger Umland. Noch wird Flash durch einen sogenannten Sicherheitsfahrer begleitet, künftig soll er über eine zentrale 5G-Leitstelle ferngesteuert überwacht und gesteuert werden.
Geht sie nun schnell oder langsam, die digitale Transformation, die uns immer mehr KI ins Leben bringt? Das ist vermutlich eine Frage der Perspektive. Fakt ist, dass die Künstliche Intelligenz – ob in der Produktion oder der Koordination von Dienstleistungen, ob im Handwerk oder eben im selbst fahrenden Bus – auch ein Wirtschafts- und Standortfaktor ist.
Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
So sieht etwa Prof. Holger Hoos, Leiter des KI-Centers der RWTH Aachen, viele Chancen in der gegenwärtigen Entwicklung, gerade auch, wenn es um die Fachkräfte von morgen und die grenzübergreifende Zusammenarbeit geht. „Eine europäische Großforschungseinrichtung, in dem Fall auch eine sehr industrienahe, wo Spitzentalente aus aller Welt Arbeitsbedingungen vorfinden, die um nichts dem hinterherstehen, was sie in der amerikanischen Großindustrie haben können. Das wäre, glaube ich, eine sehr geschickte Sache“, so der Wissenschaftler in einem Podcast des Netzwerkes Heise.de, bei dem es unter anderem um die Wettbewerbsfähigkeit Europas auch in Sachen Künstliche Intelligenz geht.
Die Beispiele aus dem Leipziger Land könnten zum Beispiel so auch Vorbild für andere Initiativen sein, und hierzulande könnten Unternehmen wiederum von der Inspiration aus Stockholm, Prag oder Porto profitieren.
In der auch durch viele Start-ups und digital ausgerichtete Initiativen geprägten Leipziger Unternehmerlandschaft stoßen solche Vorstellungen auf offene Ohren. Denn hier weiß man: Die KI ist gekommen, um zu bleiben.