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Dresdner Start-up plant wiederverwertbare Häuser aus gebrauchten Baustoffen

Zwei Architekten aus Dresden wollen mit günstigen und nachhaltigen Würfelsystemen die Baubranche neu erfinden. Auf der Baumesse Haus zeigen beide all das, was bald Standard sein könnte. Sie hauchen altem Material neues Leben ein.

Lesedauer: 3 Minuten

Henry Berndt

Dresden. Wie war das noch mit dem bösen Wolf? Das Schweinchen, das sich ein Haus aus Stroh gebaut hatte, musste sich schnell eine neue Bleibe suchen. Dabei sind Häuser aus Stroh heute längst keine Märchengeschichte mehr und ließen sich auch ganz bestimmt nicht so einfach umpusten, wie Lucas Klinkenbusch betont.

Für den 34-jährigen Architekten aus Dresden gehört Stroh zu den Lieblingsbaustoffen. „Man muss nur einen Bauern fragen, ob er einige Ballen entbehren kann“, sagt er. Und schon könne die Hauswand wachsen – nachhaltig, perfekt gedämmt und weitaus weniger brennbar, als man denken mag.

Weg von den Wegwerfhäusern

Häuser zu bauen, die am Ende ihres Lebens wieder in ihre Bestandteile zerlegt und neu genutzt werden können, das ist die Grundidee, mit der Klinkenbusch und seine Geschäftspartnerin Julia Krafft angetreten sind.

Mit ihrem Start-up Zirkulaar wollen sie nichts weniger als die Baubranche umkrempeln. „Wir bauen heute weitgehend immer noch so wie vor 100 oder 200 Jahren“, sagt Klinkenbusch. „Diese Art und Weise ist aber in vielerlei Hinsicht veraltet.“ Rohstoffe würden genommen, verbaut und irgendwann wieder teuer entsorgt.

Lucas Klinkenbusch und Julia Krafft haben Zirkulaar in Dresden gegründet.
Lucas Klinkenbusch und Julia Krafft haben Zirkulaar in Dresden gegründet.
Quelle: Zirkulaar

Klinkenbusch und Krafft wollen das ändern. An der TU Dresden forschten sie jahrelang am nachhaltigen Bauen, experimentierten mit Lehm, Holz und Stroh und beschlossen 2022, die Theorie in die Praxis umzusetzen. „Wir hätten auch wissenschaftliche Karrieren anstreben können, aber wir wollten was machen und zeigen, was jetzt schon möglich ist.“

Über den Umweg eines eigenen Vereins gründeten die beiden ihr Unternehmen Zirkulaar. Drei Jahre lang finanzierten sie sich vor allem über Fördergelder, konnten sich über ein Wirtschaftsstipendium unter anderem in einem siebenmonatigen BWL-Kurs fit machen.

Seit rund einem Jahr sind sie jetzt auf dem Markt und gerade dabei, ihn für sich zu erschließen. Ein eigenes Büro haben sie nicht, mieten sich stattdessen im Gemeinschaftsbüro Impact Hub an der Centrum-Galerie ein. Kostenersparnis trifft maximale Flexibilität für den Start.

Klinkenbusch kommt die Treppe herunter und bringt einen Holzwürfel mit. Der Würfel ist etwa 50 Zentimeter breit und könnte zusammen mit weiteren Exemplaren jederzeit zu modernen Regalen oder Trennwänden kombiniert werden. Wer würde dann noch glauben, dass dieses Holz bereits ein erstes Leben als Schalbrett für Beton auf einer Baustelle gehabt hat?

Echtholz in Eiche für jedermann

Über Kleinanzeigenportale und ihr wachsendes Netzwerk sind die Architekten immer auf der Suche nach gebrauchten Baustoffen. Inzwischen beschäftigen sie sogar eine Materialjägerin. „Auf diese Weise können sich Privatleute Echtholzfußböden aus Eiche in ihre Zimmer legen, die sie sich sonst nie leisten könnten“, schwärmt Klinkenbusch. Bis zu 75 Prozent der Materialkosten ließen sich sparen.

Zu DDR-Zeiten sei dieser Ansatz noch völlig normal gewesen. Nichts wurde weggeworfen, alles gesammelt und umgenutzt. „Deswegen arbeiten wir heute auch gern mit Handwerkern zusammen, die diese Zeit noch erlebt haben.“

Dienstleister statt Stararchitekt

Interessierte Häuslebauer können sich von den beiden Architekten ein maßgeschneidertes Projekt planen lassen, sie aber auch auf Stundenbasis als Berater hinzuziehen. „Wir sehen uns als Dienstleister und nicht als die großen Stararchitekten.“ Normalerweise würden Architekten prozentual an den Baukosten verdienen und hätten damit gar kein Interesse daran, günstig zu bauen. „Wir dagegen wollen für den Kunden das günstigste und gleichzeitig nachhaltigste Lösung finden.“

Günstig und nachhaltig – für viele ist das noch immer ein Widerspruch. Durch den immensen Kostenanstieg bei Stahl und Beton seien natürliche Baustoffe aber inzwischen in vielen Fällen gar nicht mehr teurer. Außerdem müsse man auch langfristig denken. Jedes Haus, das gebaut wird, müsse irgendwann auch wieder verschwinden. Und dann mache es einen Unterschied, ob die Steinwolle für 500 Euro pro Kubikmeter entsorgt werden müsse, oder ob die Holzwolle, die genauso gut dämmt, ins Lagerfeuer geworfen wird.

Mit diesem „Klimapavillon“ warb Zirkulaar im vergangenen Jahr in der Dresdner Innenstadt.
Mit diesem „Klimapavillon“ warb Zirkulaar im vergangenen Jahr in der Dresdner Innenstadt.
Quelle: Zirkulaar

Rohstoffe wiederzuverwenden, müsse die Regel statt die Ausnahme werden. „In zehn Jahren wird nur noch so gebaut werden können“, prognostiziert Klinkenbusch. „Der Sand wird schon jetzt knapp.“ Weltweit sei die Baubranche immer noch für 40 Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes verantwortlich. „Das kann einfach nicht so weitergehen.“

In den nächsten Tagen werden die jungen Architekten ihre Ideen auf der Baumesse Haus in Dresden vorstellen, die heute startet. Bis zum Sonntag können sich Besucher dort einen Überblick über die gesamte Baubranche verschaffen, vom Dachziegel bis zur Fußbodenfliese, vom Spezialbohrer bis zur Fassadenfarbe, vom Bauelement bis zum schlüsselfertigen Haus.

Bei der 33. Auflage der Messe präsentieren sich in diesem Jahr mehr als 400 Aussteller aus den Bereichen Bau, Baustoffe, Handwerk, Gebäudetechnik und Immobilien.

SZ

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